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Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind.
Liebster Herr und inniggelieber Sohn! Ich habe einen Brief von Euch erhalten, und dadurch habe ich großen Trost und innige Herzensfreude gehabt, denn aus dessen Inhalt begreife ich, dass Euer herz den Besuch des Heiligen Geistes empfangen hat, wofür ihm von ganzem Herzen Dank sei. Mögt Ihr und Eure geistlichen Freunde deshalb Gott bitten, dass er in Eurer Seele die heilige Gnade erhöhen und erhalten möge, die er begonnen hat, in Euer Herz zu gießen.

Ich will Euch also raten, dass Ihr ständig die Furcht vor Gott im Herzen befestigt habt, und dass Euer Sinn immer so eingestellt ist, dass Ihr Gott die Mühen opfert, die Ihr in Eurem Amt zu ertragen habt, und dass Ihr Euch in diesem Amt lieber für Christus anstrengen wollt, den höchsten Bischof, der im Himmel ist, als für den Papst oder einen anderen zeitlichen Heerscher, indem Ihr Gottes Freundschaft mehr begehrt als alle Gaben und zeitlichen Belohnungen, die der Papst Euch für Eure Mühe verleihen könnte. Und richtet Euch beständig nach dem Schreiben, das ich Euch vorher gesandt habe, so dass Ihr stets in Erinnerung behalten könnt, was darin enthalten ist, und das in Wahrheit in Eurem Tun verwirklicht.

Weiter rate ich unwürdiger Mensch Euch, dass Ihr, wenn der Papst nach Italien kommt, dann treu in dem Amte aushaltet, das Euch anvertraut ist, so dass Herr Papst gute Hilfe erhalten kann, Gott zu dienen, indem Ihr dieses Amt ausübt, und so, dass kein anderer sich darein drängt – einer, der ein raubgieriger Wolf sein würde und entweder Gott erzürnen würde, oder ihm auch in diesem Amt nicht ebenso treu dienen würde. Aber wenn der Papst nicht nach Italien kommt, so rate ich, dass Ihr dann noch ein ganzes Jahr in Eurem Amte bleibt, indem Ihr von Gottes Gnade einen sicheren, heilsamen Rat erhofft, der Euch Auskunft geben wird, wie Ihr in Eurem Stande handeln müsst.

In Eurem Brief habt Ihr gebeten, dass ich Euch ein frommes Gebet senden möchte. Hierauf antworte ich, dass ich für so etwas unzuständig bin und im übrigen wenig Zeit habe, da ich im Begriff stehe, nach Neapel zu fahren. Aber wenn es Gott gefällt, dass ich etwas in Neapel bleibe, so werde ich Euch mit Gottes Gnade ein Gebet aufschreiben. Ich rate aber, dass Ihr kein Gebet lieber lest, als das Vaterunser, das Gebet, das uns auf liebevolle und himmlische Weise aus dem teuren Munde Jesus Christi mitgeteilt wurde, wenn auch vielleicht andere Gebete manchmal nützlich sind, eine Andacht im Herzen zu erwecken. Ein einziges kurzes Gebet will ich Euch aber jetzt schicken. Das mögt Ihr willig mit demütiger Ehrfurcht und tiefer Andacht lesen, vor allem, wenn Christi Leib auf dem Altar geweiht ist.

Das Gebet hat diesen Wortlaut: „O mein Herr, mein Gott, mein Schöpfer und Erlöser, ich unwürdiger Sünder bitte dich durch das große und bewundernswerte Werk deiner Barmherzigkeit – die Verwandlung in deinen wahren Leib und die Wandlung des Weines und Wassers in dein Blut zu unserer ewigen und höchst heilsamen Erquickung – dass du meinen Willen ganz und gar zu deinem ganzen Willen bekehren mögest, so dass ich in meinem ganzen Leben immer all das für dich Wohlgefällige ausführen kann, in Gedanken, Worten und wirksamem Handeln. Amen.“

Ebenso hast Du, mein innig geliebter Sohn, mich in deinem Brief gebeten, dass ich dich ganz und gar zu meinem geistlichen Sohn annehmen soll. Hierauf antworte ich: So wie ich zwei meiner Söhne und meine Tochter mit mir führe, so nehme ich Euch auch als Sohn an und werde Euch beständig mit mir nehmen, wohin ich auch fahre, eingeschlossen in mein Herz wie meinen Sohn, so dass Ihr teil an meinem unwürdigen Gebet und meiner Pilgerfahrt habt. Von dieser Pilgerreise über das Meer denke ich so bald ich kann, zurückzukehren, und wenn ich zurückkomme, werde ich Euch gleich meine Ankunft mitteilen. Meine Söhne, mein Beichtvater und meine Tochter befehlen sich Euch demütig an. Betet für uns, mein Sohn, und bedenkt immer fleißiger Christi Leiden und den Schmerz seiner Hochbetrübten Mutter.