21. Kapitel

Die Mutter spricht: ”Ich habe dir vorher gesagt, dass der Leib des hl. Benedikt wie ein Sack war, der gezüchtigt und gelenkt wurde, aber selbst nicht lenkte. Seine Seele war wie ein Engel, der große Wärme ausstrahlte, wie ich dir in einem Gleichnis zeigen will. Stell dir drei Feuer vor, von denen das erste mit Myrrhe angesteckt wurde und einen lieblichen Wohlgeruch von sich gab. Das zweite war mit dürrem Holz angezündet und gab glühende Kohle und eine helle klare Flamme. Das dritte war mit Olivenzweigen angesteckt und gab eine Flamme, Licht und Wärme.

Unter diesen drei Feuern verstehe ich drei Personen, und mit den drei Personen drei Zustände auf der Welt. Das erste war der Zustand derer, die unter dem Eindruck von Gottes Liebe ihren eigenen Willen in die Hände anderer übergaben, die statt der Eitelkeit und des Hochmuts der Welt Armut und Schmach auf sich nahmen, und die statt Unmäßigkeit Enthaltsamkeit und Reinheit liebten. Diese hatten ihr Feuer von der Myrrhe, denn wie die Myrrhe bitter ist, aber die Dämonen vertreibt und den Durst löscht, so war deren Askese bitter für den Körper, aber ließ das ungeordnete Begehren erlöschen und machte die ganze Macht der Dämonen zunichte.

Der andere Zustand ist der von denen, die so für sich selber dachten: Warum lieben wir die Ehre der Welt, wo sie doch nichts anderes ist als Luft, die in die Ohren bläst? Warum lieben wir das Gold, wenn es nichts anderes ist, als Staub? Was ist das Ende des Fleisches als Verwesung und Asche? Was nützt es uns, nach irdischen Dingen zu trachten, wenn alles doch Eitelkeit ist? Deshalb wollen wir nur dafür leben und arbeiten, dass Gott in uns geehrt werde, und dass andere durch unsere Worte und unser Beispiel zur Gottesliebe entzündet werden.

Solche Menschen hatten ihr Feuer von dürrem Holz, denn die Liebe zur Welt war für sie tot, und jeder von ihnen gab die glühende Kohle der Gerechtigkeit und die klare Flamme der heiligen Verkündigung von sich. Der dritte Zustand war der von denen, die vor Liebe zu Christi Leiden glühten und mit ihrem ganzen Begehren wünschten, für Christus sterben zu dürfen.
Diese hatten ihr Feuer vom Olivenbaum. Denn wie die Olive Fettigkeit und größere Wärme in sich hat, wenn sie angezündet wird, so waren diese ganz und gar vom Fett der göttlichen Gnade gesättigt, durch die sie das Licht der göttlichen Weisheit, den heißeren Brand der Liebe und die Stärke des ehrbarsten Wandels von sich gaben.

Diese drei Feuer breiteten sich weit und breit aus. Das erste von ihnen entzündete sich in den Eremiten und den Menschen mit reinem Lebenswandel, wie Hieronymus schreibt, der, inspiriert vom Heiligen Geist deren Leben wunderbar fand, und wert, ihm nachzufolgen. Das zweite Feuer wurde in den Bekennern und Lehrern entzündet, das dritte in den Märtyrern, die ihr Fleisch für Gott verschmähten – auch andere hätten es verschmäht, wenn sie Hilfe von Gott erhalten hätten.

Zu einigen von diesen drei Feuern oder Menschen in dieser Lage wurde der heilige Benedikt gesandt. Er blies die drei Feuer zu einem zusammen, so dass die, die unklug waren, erleuchtet würden, die, die kalt waren, entzündet würden, und die, die warm waren, noch heißer würden. Und so begann mit diesen Feuern Benedikts Ordensleben, das einen jeden nach seiner Veranlagung und seinem Fassungsvermögen auf den Weg zur Erlösung und der ewigen Glückseligkeit führte.

Aber wie die Lieblichkeit des Heiligen Geistes vom Sack des heiligen Benedikt ausging, wodurch viele Klöster erneuert wurden, so ist der Heilige Geist aus vielen Säcken seiner Brüder gewichen, denn da ist die Glut der Asche erloschen, und die Brände liegen rings verstreut und geben weder Wärme noch Glanz von sich, sondern nur den Qualm der Unreinheit und Gelüste.
Doch hat mir Gott zur Freude vieler Menschen drei Funken gegeben, unter denen ich mehrere verstehe. Der erste ist durch die Wärme und den Glanz der Sonne aus Kristall entsprungen, und der hat nun in dem dürren Holz einen festen Platz gefunden, damit dadurch ein großes Feuer entstehen sollte.

Der zweite ist aus dem harten Feuerstein gesprungen, der dritte aus dem unfruchtbaren Baum, der mit seinen Wurzeln wuchs und seine Blätter ausbreitete.
Mit dem Kristall, das ein kalter und spröder Stein ist, wird die Seele bezeichnet, die, obwohl sie kalt für Gottes Liebe ist, doch mit ihrem Willen und ihrem Begehren nach Vollkommenheit strebt und Gott bittet, ihr zu helfen. Deshalb trägt dieser Wille sie zu Gott und erreicht, dass ihre Heimsuchungen erhöht werden, durch die ihre bösen Triebe erkalten, bis Gott das Herz erleuchtet, und sich die an Wollust arme Seele so festigt, dass sie jetzt nur noch zu Gottes Ehre leben will.

Mit dem Feuerstein wird dagegen der Hochmut bezeichnet. Denn was ist härter als der Hochmut bei dem Menschen, der sich wünscht, von allen gelobt zu werden, und trotzdem demütig und fromm erscheinen möchte? Was ist verabscheuungswürdiger als die Seele, die sich in allen ihren Gedanken für mehr als andere hält und es nicht erträgt, von jemandem zurechtgewiesen oder belehrt zu werden?
Doch beten viele, die so eingebildet sind, demütig zu Gott, dass der Hochmut und der Ehrgeiz aus ihren Herzen fortgenommen werden möge. Deshalb wirkt Gott mit ihrem guten Willen zusammen, entfernt das Hinderliche aus ihrem Herzen und schenkt manchmal sanfte, angenehme Dinge, durch die die beiden vom Irdischen abgelenkt und angespornt werden, das Himmlische zu suchen.

Mit dem unfruchtbaren Baum ist schließlich die Seele gemeint, die, in Hochmut aufgezogen, nur für die Welt Früchte trägt und begehrt, die Welt und alle ihre Ehren zu besitzen. Doch wirft sie, weil sie den ewigen Tod fürchtet, viele Sprösslinge der Sünde ab, die sie aufziehen würde, wenn sie diese Furcht nicht haben würde. Daher naht sich Gott der Seele auf Grund dieser rechtmäßigen Furcht und schenkt ihr seine Gnade, so dass der unnütze Baum fruchtbar werden möge. – Mit solchen Funken sollte also das Ordensleben des heiligen Benedikt erneuert werden, das jetzt vielen verlassen und verachtet scheint.