Bevor Birgitta Rom verließ, um übers Meer zu fahren, geschah es, dass ein frommer Bruder sie wegen einiger Zweifel, die er in seinem Gewissen hatte, um Rat fragte. Als sie betete, offenbarte sich ihr die Jungfrau Maria, gab eine vollständige Antwort betreffs dieser Zweifel und sagte außerdem, dass – wie sündig auch der Papst und die Priester sein mögen (solange es keine Ketzer sind), so hat ersterer doch die Schlüssel und die wahre Macht, zu binden und zu lösen, und letztere die Macht, wirklich das gesegnete Sakrament des Leibes Christi auf dem Altar darzubringen, wenn sie vielleicht auch wegen ihrer Sünden der himmlischen Ehre unwürdig sind.
7. Kapitel

Ehre und Dank sei dem allmächtigen Gott und seiner höchst würdigen Mutter, der seligen Jungfrau Maria! Es schien mir unwürdigem und sündigen Menschen, als ob Gottes Mutter diese Worte zu mir sagte, als ich betete: „Sage diesem Bruder, meinem Freund, der mir durch dich seine Bitte schickte, dass es wahrer Glaube und vollkommene Wahrheit ist, dass – wenn jemand durch die Eingebung des Teufels alle Sünden gegen Gott begangen hat, aber dann mit wahrer Reue und dem Willen, sich zu bessern, Buße getan und mit Demut und brennender Liebe um Gottes Barmherzigkeit gebeten hat, kein Zweifel daran ist, dass dieser milde und barmherzige Gott ebenso bereit ist, diesen Menschen in seiner Gnade mit großer Freude wie ein liebevoller Vater wieder aufzunehmen, der seinen einzigen, hoch geliebten Sohn zu ihm zurückkehren sieht, von der schlimmsten Schande und dem elendsten Tod befreit.

Ja, noch williger als ein irdischer Vater vergibt dieser milde Gott seinen Dienern alle Sünden, wenn sie ernsthaft bereuen, demütig um Erbarmen bitten, sich fürchten, diese Sünden weiter zu begehen und von ganzem Herzen Gottes Freundschaft über alles begehren.

Sag also diesem Bruder in meinem Namen, dass ihm Gott in seiner Güte für seinen guten Willen und mein Gebet nun all die Sünden vergeben hat, die er während seines ganzen Lebens begangen hat. Sag ihm auch, dass wegen meines Gebets die Liebe, die er zu Gott hat, ständig bis zu seinem Tode zunehmen und sich keineswegs vermindern wird. Sag ihm weiter, dass es Gott, meinem Sohn, gefällt, dass er in Rom bleibt, predigt, denen, die ihn darum bitten, gute Ratschläge gibt, Beichte hört und heilsame Bußübungen verordnet, sofern ihn nicht sein Vorgesetzter einmal wegen einer notwendigen Angelegenheit nach außerhalb der Stadt entsendet.

Dieser Bruder soll auch seine Brüder liebevoll für ihre Übertretung mit guten Worten, heilsamer Züchtigung und entsprechenden Ermahnungen zurechtweisen, soweit es in seiner Macht steht, damit sie lernen, die (Kloster-) regel zu beachten und sich demütig bessern. Weiter will ich ihm mitteilen, dass seine Messen, seine Schriftlesungen und Gebete Gott Wohlgefallen. Und sage ihm, dass – wie er sich vor aller Unmäßigkeit im Essen, Trinken und Schlafen in Acht nimmt, so soll er sich auch sehr vor einer allzu großen Enthaltsamkeit in Acht nehmen, so dass er in seiner göttlichen Arbeit und im Dienste Gottes nicht ermüdet.

Er soll auch keine überflüssigen, aber notwendige Kleider haben, nach der Regel des hl. Franziskus, so dass daraus kein Hochmut oder weltliche Begierde folgt, denn je weniger kostbar die Kleider waren, umso reicher wird sein Lohn werden. Er soll auch seinem Vorgesetzten in allem, was Gott nicht entgegensteht, gehorchen, und wie dieser Bruder es kann.

Sag ihm auch in meinem Namen, dass er den Ketzern, die sagen, dass dieser Papst nicht der richtige Papst sei, und dass es nicht der wahre Leib meines Sohnes Jesu Christi ist, den die Priester auf dem Altar darbringen, so antwortet: „Ihr kehrt Gott den Rücken zu, und deshalb seht ihr ihn nicht. Wendet ihm stattdessen das Gesicht zu, denn dann könnt ihr ihn sehen.

Es ist nämlich wahr und ist katholischer Glaube, dass – wenn der Papst, der ohne Ketzerei ist, auch von noch so vielen Sünden befleckt ist, so können ihn diese Sünden oder seine anderen schlechten Taten doch nicht so schlecht machen, dass er nicht die volle Autorität und Vollmacht hat, die Seelen zu binden und zu lösen. Diese Autorität hat er durch den hl. Petrus und hat sie von Gott erworben. Denn vor dem Papst Johannes hat es viele Päpste gegeben, die jetzt in der Hölle sind; nicht destoweniger sind die gerechten und verständigen Urteile, die sie auf der Welt gefällt haben, bei Gott bestätigt und anerkannt.

Aus demselben Grunde sage ich auch, dass alle die Priester, die keine Ketzer sind (sie mögen im übrigen voll von vielen anderen Sünden sein), wahre Priester sind und in Wahrheit den Leib meines Sohnes darbringen, Gott wirklich mit ihren Händen auf dem Altar berühren und die anderen Sakramente gültig verwalten, mögen sie auch auf Grund ihrer Sünden und schlechter Taten der himmlischen Ehre bei Gott unwürdig sein.“