Buch 12 - Erstes Gebet

Gesegnet und verehrungswürdig seist du, mein Frau, Jungfrau Maria, allerheiligste Mutter! Du bist seine erhabenste Schöpfung, und niemand hat ihn je so innig geliebt wie du, ehrenreiche Jungfrau! Ehre sei dir, meine Frau, Jungfrau Maria, Gottes Mutter! Derselbe Engel, der dir Christus verkündete, verkündigte dich auch deinem Vater und deiner Mutter, und du wurdest von ihrer reinen, ehrbaren Ehe empfangen und geboren. Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die in deiner so heiligen Kindheit, gleich nachdem du entwöhnt worden warst, von deinen Eltern zum Tempel Gottes geführt wurdest und zusammen mit anderen Mädchen der Obhut des frommen Oberpriesters anvertraut wurdest.

Preis sei dir, meine Frau, Jungfrau Maria! Als du das Alter erreicht hattest, dass du verstandest, dass Gott dein Schöpfer war, fingst du gleich an, ihn innig und über alle Dinge zu lieben, und deinen Tag und deine Nacht hast du in klügster Weise durch verschiedene Gottesdienste und göttliche Übungen zu Gottes Ehre eingerichtet. Schlaf und Essen deines ehrenreichen Körpers wurden auf maßvolle Weise abgestimmt, so dass du stets im Stande warst, Gott zu dienen.
Unendliche Ehre sei dir, meine Frau, Jungfrau Maria, die du deine Jungfräulichkeit demütig Gott gelobtest und die du dich deshalb nicht darum kümmertest, wer sich mit dir verloben würde, nachdem du wusstest, dass der, dem du zuerst deine Treue gelobt hattest, mächtiger und besser war, als alle anderen!

Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die du – entzündet von der Glut der Gottesliebe – erhaben mit deinem ganzen Sinn und allen deinen Seelenkräften und erfüllt von einer brennenden Liebe zum höchsten Gott warst, dem du deine Jungfräulichkeit geopfert hast, die du dastandest und in deiner Einsamkeit darüber nachdachtest, als der Engel dir von Gott gesandt wurde, dich begrüßte und dir Gottes Willen kundtat!

Du hast ihm geantwortet und hast dich demütig und untertänig als Gottes Dienerin bekannt, und der Heilige Geist hat dich wunderbar mit aller Tugend erfüllt. Gott Vater sandte dir seinen Sohn, ebenso ewig und groß, wie er selbst. Dieser kam zu dir und nahm einen menschlichen Leib von deinem Fleisch und deinem Blut an. Und in dieser gesegneten Stunde wurde Gottes Sohn in dir auch dein Sohn, lebend mit allen seinen Gliedern und doch, ohne seine göttliche Majestät zu verlieren.

Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die spürte, wie Christi Leib, von deinem gesegneten Leib geschaffen, in deinem Schoße stetig wuchs und sich rührte – bis zur Zeit seiner ehrenreichen Geburt! Du berührtest ihn, mehr als alle anderen, mit deinen heiligen Händen, wickeltest ihn in Windeln, legtest ihn – wie der Prophet voraussagte – in eine Krippe und nährtest ihn mütterlich und mit jubelnder Freude mit der so heiligen Milch deiner Brust.

Ehre sei dir, o meine Frau, Jungfrau Maria, die – als du in diesem verächtlichen Haus, d.h. dem Stall wohntest, mächtige Könige von fern zu deinem Sohn kommen sahst, die deinem Sohn demütig und äußerst ehrfürchtig königliche Ehrengaben darbrachten! Darauf trugst du ihn mit deinen kostbaren Händen in den Tempel, und alles, was du von ihm in seiner Kindheit hörtest und sahst, das bewahrtest du gewissenhaft in deinem gesegneten Herzen.

Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die du mit deinem allerheiligsten Sohn nach Ägypten flohst und ihn dann froh nach Nazareth brachtest, und du sahst deinen Sohn gehorsam und demütig gegenüber dir und Joseph, als er körperlich heranwuchs! Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die deinen Sohn sah, wie er predigte, Wunderwerkte tat und Apostel auswählte, die – von seinem Beispiel, deinen Wundern und deiner Lehre – Zeugen der Wahrheit wurden und allem Volk verkündeten, dass es Jesus, dein und Gottes Sohn, tatsächlich gegeben hat, und dass er es war, der in eigener Person die Prophezeiungen erfüllte, als er geduldig den bittersten Tod für das Menschengeschlecht erlitt.

Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die im voraus wusste, dass dein Sohn gefangen genommen würde, und die du ihn dann mit deinen seligen Augen zu deinem großen Schmerz gefesselt, gegeißelt, mit Dornen gekrönt, nackt mit Nägeln am Kreuz befestigt sahst, von vielen verachtet und Verräter genannt Ehre sei dir, meine Frau, Jungfrau Maria, die deinen Sohn mit Schmerzen sah, der vom Kreuz noch zu dir redete, und mit deinen gesegneten Ohren ihn traurig in seinem Todeskampf zum Vater rufen hörtest, wie er seine Seele in seine Hände befahl.

Preis sei dir, meine Frau, Jungfrau Maria, die deinen Sohn mit bitterem Schmerz am Kreuz hängen sah, blauschwarz vom Scheitel bis zur Sohle, rot von seinem eigenen Blut und den grausamsten Tod erleidend – ja du, die du zu deiner unsagbaren Qual sahst, wie seine Hände und Füße und seine ehrenvolle Seite durchbohrt und seine ganze Haut unbarmherzig verwundet wurde!

Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die mit deinen tränenerfüllten Augen sah, wie dein Sohn vom Kreuz abgenommen wurde, in ein Tuch gehüllt wurde, ins Grab gelegt und dort von Soldaten bewacht wurde! Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die du – verwundet von der schrecklichsten Herzensqual, vom Grab deines Sohnes scheiden musstest und – ganz erfüllt von Schmerz – von seinen Freunden zum Haus des Johannes geführt wurdest, wo du gleich in deiner großen Trauer Linderung erfuhrst, nachdem du sichere Kenntnis davon hattest, dass dein Sohn bald von den Toten auferstehen würde!

Freue dich, meine hallerwürdigste Frau, Jungfrau Maria, denn im selben Augenblick, als dein Sohn von den Toten auferstand, wollte er dies dir, seiner hallerseligsten Mutter zu erkennen geben, und er zeigte sich dir also gleich, und dann zeigte er auch anderen Personen, dass er vom Tode auferstanden sei – er, der mit seinem lebendigen Leib den Tod erlitten hatte! Freu dich, meine hallerwürdigste Frau, Jungfrau Maria, die du, nachdem der Tod besiegt und der Urheber des Todes unterworfen war – das Tor des Himmels geöffnet sahst, und deinen Sohn auferstanden und mit der Siegeskrone geschmückt war, und die du ihn vierzig Tage nach seiner Auferstehung im Beisein vieler ehrenvoll zu seinem himmlischen Reich aufsteigen sahst, gefolgt von Engeln!

Juble, meine hallerwürdigste Frau, Jungfrau Maria, die es verdient hat, zu sehen, wie dein Sohn nach seiner Himmelfahrt plötzlich seinen Aposteln und Jüngern den Heiligen Geist schickte, womit er dich schon vorher ganz und gar erfüllt hatte. Er erhöhte bei ihnen die Wärme der Liebe und erleuchte ihre Herzen wunderbar mit dem rechten katholischen Glauben.

Freue dich weiter, meine Frau, Jungfrau Maria, und möge die ganze Welt sich mit dir freuen, denn nach seiner Himmelfahrt ließ dein Sohn dich noch viele Jahre in dieser Welt zum Trost für deine Freunde leben, zur Befestigung des Glaubens und zur Hilfe für die Bedürftigen sowie dafür, um den Aposteln weise Ratschläge zu geben, und durch deine überaus klugen Worte, dein ehrbares Verhalten und tugendhaften Taten bekehrte er unzählige Juden und ungläubige Heiden zum katholischen Glauben und erleuchte sie auf wunderbare Weise, dich zu bekennen, sowohl Jungfrau als auch Mutter zu sein, und dass dein Sohn beides ist – Gott und wahrer Mensch!

Gesegnet seist du, meine Frau, Jungfrau Maria, die sich in brennender Mutterlieb unablässig, ja jede Stunde danach sehnte, zu dir heimzukommen, deinem so hoch geliebten Sohn, der nunmehr im Himmel thront! Als du noch hier auf Erden lebtest und vor Sehnsucht nach dem Himmlischen seufztest, fügtest du dich demütig Gottes Willen, wodurch du auf unsagbare Weise du ewige Ehre vermehrtest – alles, während du das befolgtest, was die göttliche Gerechtigkeit dir vorschrieb!

O meine Frau, Jungfrau Maria, ewige Ehre sei dir, denn als es Gott gefiel, dich aus der Landflucht dieser Welt abzuberufen und deine Seele auf ewige Zeit in seinem Reich zu ehren, da geruhte er, dir dies durch seinen Engel zu verkünden, und er wollte, dass seine Apostel deinen verehrungswürdigen toten Leib mit aller Ehrfurcht begraben sollten! Beglückwünsche dich, o meine Frau, Jungfrau Maria, denn bei deinem so leichten Tod war deine Seele von Gottes Macht umfangen, und Gott schützte sie väterlich vor allen Angriffen böser Mächte! Gott Vater legte da alles Geschaffene unter deine Herrschaft; Gottes Sohn führte dich, seine hallerwürdigste Mutter, ehrenvoll zu dem allerhöchsten Himmelsthron neben sich, und der Heilige Geist erhöhte dich, die mit ihm verlobte Jungfrau, wunderbar zu seinem herrlichen Reich.

Freue dich ewig, meine Frau, Jungfrau Maria, denn nach deinem Tode weilte dein Körper nur einige Tage im Grab, bis er durch Gottes Macht von neuem ehrbar mit deiner Seele vereint wurde. Juble übermäßig, i verherrlichte Gottesmutter, Frau und Jungfrau Maria, denn du hast es verdient, deinen Leib nach deinem Tode lebendig gemacht und wieder mit der Seele vereint zu sehen, dass er unter Ehrenbezeugung der Engel in den Himmel aufgenommen wird, und da sahst du deinen Sohn ehrenreich thronen, wie Gott und Mensch – ja, zu deiner jubelnden Freude sahst du, dass er der gerechteste Richter von allen war, und dass er die guten Taten vergibt!

Ja, freu dich, meine Frau, Jungfrau Maria, denn das hochheilige Fleisch deines Leibes wusste, dass es nun als Jungfrau und Mutter im Himmel ist, und du sahst, dass es niemals von einer Todsünde oder verzeihlichen Sünde befleckt war. Und du wusstest, dass (dein Leib) die tugendhaften Werke so liebevoll verrichtet hat, dass Gott dich gerechterweise mit der größten Ehre auszeichnen musste.

Du hast auch verstanden, dass – je inniger man Gott auf dieser Welt geliebt hat, desto näher wird man Gott im Himmelreich kommen. Und da es dem ganzen himmlischen Hofe offenbart war, dass kein Engel oder Mensch Gott mit solcher Liebe wie du geliebt hat, deshalb war es rechtmäßig und angebracht, dass Gott selbst dich ehrenvoll mit Leib und Seele auf den höchsten Thron der Herrlichkeit gesetzt hat.

Gesegnet seist du, o meine Frau, Jungfrau Maria, denn jedes gläubige Wesen preist die heilige Dreifaltigkeit um deinetwillen, da du das Edelste bist, das er geschaffen hat! Du bewirkst für elende Seelen die rascheste Vergebung, du bist die treueste Vermittlerin und Fürsprecherin für alle Sünder. Gott sei also gepriesen, der höchste Herr und Herrscher, der dich zu einer solchen Ehre geschaffen hat, dass du ewig Herrscherin und Königin im Himmelreich bleiben wirst und ewig mit ihm von Jahrhundert zu Jahrhundert regieren sollst. Amen.