37. Kapitel

Jesus Christus, Gottes Sohn, spricht: „So wie der Vater genannt wird, der aus gegenseitiger Vereinigung einen Sohn zeugt, ja einer, der sein Sohn ist, nachdem er von seinem Fleisch geboren ist, so bin ich Gott, der Vater von allen, denn ich gieße die Seele in den Körper, und durch mein Leiden und die Kraft meiner göttlichen Eingebung gebäre ich ihn von neuem und erneuere ihn, nachdem seine Art entstellt gewesen war.

So wie ich also der Vater für alle die bin, die geschaffen und in der Taufe neu geboren sind, so bin ich auch Vater für alle die, die mein Leben hier auf Erden nachahmen und dem Weg meiner Gebote folgen. Deshalb kann Maria, die Mutter meiner Menschengestalt, sowohl Mutter als auch Tochter genannt werden: Mutter deshalb, weil sie mein Fleisch geboren hat, Tochter deshalb, da sie meinen Willen befolgte. Eine Gleichheit mit ihrem Körper kam in gewisser Weise in meinem Fleisch zum Ausdruck, und die Gleichheit aller Tugenden strahlte vollkommen in ihrem Herzen und in ihren Taten.

Weil meine Mutter sich nun Töchter wählen will, deren Führer und Steuermann ich bin und deren neue Satzungen ich dir offenbart habe, deshalb will ich ihr Vater sein und so genannt werden, und zum Zeichen dafür bewillige ich ihnen zwei besondere Vergünstigungen. Die erste ist, dass sie stets das Sakrament meines Leibes auf seinem Altar verwahrt haben sollen, in einem passenden Schrein aus Saphir oder Kristall, so dass die mich immer eifriger begehren, den sie täglich unter fremder Gestalt sehen, bis sie von der Wahrheit der Dinge gesättigt werden.

Die zweite Vergünstigung ist, dass – wenn eine Schwester an einer solchen Krankheit leidet, dass sie auf Grund ihrer Erbrechen das Sakrament meines Leibes nicht annehmen kann, und dass sie Gefahr läuft, ohne das Brot der Wanderung zu sterben, dann erlaube ich, der Gott von allen, dass die Äbtissin oder der, der den Befehl dazu gibt, vom Konvent gefolgt der Kranken das Sakramentsgefäß bringt, und ohne meinen Leib zu berühren, ihn der Kranken mit den Worten zeigt: „Dein Glaube möge dir zur Erlösung und zum ewigen Leben verhelfen.“

Die heilige Birgitta antwortete: „O Herr, du Geber aller Gnade, zürne nicht, wenn ich spreche! Du ergießest dich in Wahrheit mit überströmender Freigebigkeit in uns; ja – wenn es erlaubt wäre – könnte man sagen, dass du verschwenderisch reich an Gnade bist, und das weit mehr, als wir begehren können. Wer sollte jemals deine so große Lieblichkeit und Güte fassen können, wenn nicht der, der von deinem Geist berauscht ist! Es steht ja geschrieben, dass zur Zeit des Alten Testaments die starben, die die heilige Arche sahen und berührten, die dich bezeichnete. Und jetzt erlaubst du, dass man dich selbst berührt, dich, der die Wahrheit selber ist, die diese Zeichen versprochen haben! O wie rein muss doch sein, der dem höchsten Gott naht!“

Gott antwortete: „Wunderst du dich so darüber, meine Tochter, dass ein Gefäß dem anderen naht, darüber, dass ein jungfräuliches Gefäß dem Gefäß des unvergänglichen Schatzes naht? So wie bei der Einführung von Moses Bogen die hinfälligen Mauern stürzten und das Götzenbild vernichtet wurde, so wird die Hochmut des Teufels durch die jungfräuliche Liebe zu Schanden, die Herzenshärte aufgeweicht und die Unreinheit des Fleisches beseitigt. Was liegt Verwunderliches darin, dass er, der geruhte, von einer Jungfrau geboren zu werden, von einer Jungfrau berührt wird?

Die jungfräuliche Liebe vermag alles mit Gott, wenn sie nur mit wahrer Demut vereint ist. Doch überlasse ich, damit man nicht die Äußerungen der Priester und anderer weiser Männer vorweg nimmt, diese Gnadengabe der Macht und dem Bestimmungsrecht der Prälaten. Denn ebenso wenig wie Mose und die Propheten ohne das Gutachten und Erforschen der Oberpriester gelesen wurden, dürfen meine Worte ohne die Behörde und Genehmigung der Bischöfe zutagetreten; denen habe ich ja die Macht gegeben, zu binden und zu lösen, und wer sie verachtet, der verachtet mich.“