62. Kapitel

Engel zeigten sich, und unter ihnen war ein böser Engel, der zur Braut Christi sagte: „Deine Seele hat jetzt eine andere Beschaffenheit als früher. Deine Erzieherin entfernt sich ja nun weit von dir – ich meine den Hochmut, der ich bin. Warum redest du nicht und begünstigst mich nicht wie früher?“

Sie (Birgitta) antwortete in ihrer Seele: „Das liegt daran, dass du Gott nicht liebst. Deshalb kann ich dich auch nicht lieben, auch wenn du meine Seele mit aller Süßigkeit nährtest und meinen Leib mit Gold bekleiden würdest, denn du verachtest meinen Gott. Ich will lieber meinem Gott im Leiden folgen, als dir in allerlei Genüssen. Weil du Gott hasst, ist mir alles von dir verhasst. Aber wenn du deine Seele zu Gott wenden willst, so werde ich dich sicher lieben und deinen Willen tun.“

Der Teufel antwortete: „In Wahrheit – wenn ich einen sterblichen Leib annehmen könnte, so würde ich lieber in dem Leibe jede Plage leiden und dazu die Qual der Hölle, als meine Liebe Gott zuwenden!“
Zwei gute Engel fragten ihn: „Da unser Herr dein Gott und Schöpfer ist – warum willst du dich da ihm nicht unterwerfen?“

Er antwortete: „Weil ich meinen Sinn und Willen so befestigt habe, dass ich ihn nicht ändern will. So sehr ist er mir verhasst.“
Da sagte der eine von den guten Engeln: „Herr, wenn du auch alles weißt, so rufe ich dir doch, wenn es dir gefällt, ein Wort ins Gedächtnis. Du sagtest vorher von deiner neuen Braut: „Wenn ich mich nach Süden wende, wendet sie sich nach Westen.“ Aber nun kannst du sagen, dass – wohin du dich auch wendest, so folgt dir deine Braut, soweit sie kann.“

Der Herr erwiderte: „Es geziemt sich für die Braut, zu gehorchen und sich vor ihrem Gott zu demütigen.“ Nachdem dies gesagt worden war, offenbarte sich ein Engel von seltsamer Schönheit. Die Engel, die vorher zu sehen waren, sagten zu ihm: „Mein Freund, warum bietest du unserem Gott eine leere Nuss an?“ (Siehe weiter Buch IV, Kap. 107.)