64. Kapitel

Gesegnet seist du, die Jungfrau und Mutter ist! Maria ist dein Name. Du hast Jesus Christus geboren. Und das Gleichnis, das ich einmal hörte: Dass viele edle und weise Männer von jemandem bezeugten, dass er mild und barmherzig sei, wobei eine gewaltige Schar von Armen rief: „Ihr Zeugnis ist wahr“ – o meine Liebste, das scheint auf dich zu passen, denn alle Heiligen, die edel und weise sind, legen Zeugnis ab für dich, dass du in Wahrheit höchst milde und barmherzig bist.

Ich, die zu der Schar der Armen gehört, habe von mir selbst nicht Gutes, und ich rufe, dass ihre Zeugnisse wahr sind. Deshalb bitte ich dich, holdeste Frau, dass du geruhst, dich meiner zu erbarmen. Es kommt mir vor, als ob ich in einer sehr gefährlichen Lage wäre, denn ich meine, auf der Schwelle zwischen zwei Häusern zu stehen, von denen das eine sehr hell und das andere sehr dunkel ist. Wenn ich die Augen auf das dunkle Haus richte, scheint mir alles, was ich in dem hellen Haus gesehen habe, wie ein des Nachts erlebter Traum.“

Die heilige Jungfrau sagte: „Sag mir – obwohl ich alles weiß – was du geistlich in dem dunklen Haus gesehen hast!“
Ich erwiderte: Es schien mir, als ob ein Eingang und ein enger Ausgang in dem dunklen Hause wäre. Außerhalb des Ausgangs herrschte eine helle Klarheit, in der alles lieblich und angenehm war. Von dem genannten Eingang führten viele Wege zum Ausgang hin. Und auf jedem Weg standen fünf Todfeinde für die, die auf diesen Wegen gingen.
Der erste Feind redete mit schmeichlerischen Worten zu ihnen, aber denen, die ihm ihr Ohr liehen, schickte er eine brennende Flamme ins Gehirn. Der zweite hielt Blumen und anderes in der Hand, was die Erde hervorbringt und was rasch verwelkt, aber dem, der darauf schaute mit der Sehnsucht, es zu besitzen, wurden davon die Augen wie von dem schärfsten Speer durchbohrt.

Der dritte Feind hatte ein Gefäß in der Hand, voll von Gift und außen bis zum Rand mit dünnem Honig überzogen, und allen, die von diesem Gefäß kosteten, sandte er Gift in den Hals. Der vierte hatte verschiedene kostbare Kleinodien aus Gold und Silber und Edelsteinen, von Menschenhänden angefertigt, aber der, der die Hand ausstreckte, um sie zu besitzen, wurde davon gestochen, wie von der giftigsten Schlange.

Der fünfte breitete denen, die vorwärts gingen, die weichsten Daunen unter die Füße, aber sobald einer darauf ausruhen wollte, zog der Feind die Daunen fort, und der, der glaubte, sanft zu ruhen, stürzte tief hinunter auf härtesten Stein.“