75. Kapitel

Eine Frau) sah aus wie ein Körper, der mit Samen bespritzt und völlig verunstaltet war. Als sie sich verwunderte und zitterte, sagte der Geist zu ihr: „Ich habe dich aus dem Samen deiner Eltern geschaffen. Ich habe dir Glieder und einen schönen Körper geschenkt, und in den hinein habe ich eine Seele gesandt, die nicht anders geschaffen wurde, als allein durch die Macht meiner Gottheit.

Als du zur Kirche kamst, um getauft zu werden, war ich mit dir einverstanden und machte dich zu meiner Tochter – dich, die du doch wegen Adams Sünde die Tochter des Teufels warst. Dann habe ich dich ernährt. Meine Engel haben dich behütet, denn du hättest dich nicht irgendwie von den Dämonen retten können. Weiter gab ich dir Gesundheit und Ehrenbezeugungen, und ich ließ dich zur Ehe kommen und alles haben, was du begehrtest. Danach führte ich dich zu meinem Geist, damit du mich kennenlernen und nichts so innig lieben solltest, wie mich.

Aber nun hast du mich von Jugend an stets für meine Liebe gereizt, und in allen deinen Glieder hast du Begierde geweckt. Die Folge ist, dass du dich in meinen Augen ebenso missgestaltet zeigst, wie dieser missgestaltete Körper. Deine Augen waren ja nur gierig, das Wollüstige zu sehen, deine Ohren waren lüstern darauf, deinen eigenen Ruhm und leichtfertige Dinge zu hören, dein Mund war bereit zu Verleumdung und eitlem Reden, dein Bauch war immer voll von leckeren Dingen, und du hast dich dem, der dich haben wollte, nie verweigert.

Du hast deinen Körper im Übermaß mit Kleidern geschmückt, zu seinem eigenen Ruhm und nicht zu meinem. Draußen standen meine Freunde in kläglichem Aufzug, hungernd und nackt; sie riefen, aber du hast sie nicht gehört, sie wollten eintreten, aber du wurdest wütend, du warfst ihnen ihr Elend vor und hast sie verspottet, und deine Seele wurde nicht zum Mitleid mit ihnen gerührt. Dir schien es leicht, was du deinem Körper zuliebe tatest, und übermäßig schwer, was du für mich getan hast. Du hast gesessen und gelegen, wann du wolltest, und du hast dich nicht um meine Gerechtigkeit gekümmert. Du hast das gesucht, was auf Erden schön war, aber um mich, den Weltenschöpfer, hast du dich weniger gekümmert, als um alles andere.

Wenn ich deshalb nach gerechtem Gericht mit dir verfahren würde, so hättest du wegen der Hoffart deines Mundes und aller deiner Glieder verdient, dass alle dich verabscheuten und dich offen mit aller Schande und Verachtung beschimpften. Für dein unzüchtiges Leben wärest du wert, dass alle deine Glieder in ihren Gelenken gelockert würden, dass das Fleisch von Fäulnis verzehrt würde, dass die Haut von Geschwüren befallen würde, dass dir die Augen ausgerissen würden, dass dir der Mund verdreht würde, dass dir die Hände und Füße abgehauen würden und alle Glieder ohne Unterlass verstümmelt würden.

Wegen deiner Verachtung der Armen und meiner Freunde und wegen deiner Gewinnsucht wärest du wert, von so schwerem Hunger befallen zu werden, dass du gern deine eigenen Glieder essen würdest, als wäre es ein Stück Fleisch, ja dass du gern deinen eigenen Dreck essen und dein unreines Wasser trinken würdest, aber den Hunger doch nicht gestillt bekämst. Für deine Bequemlichkeit und deinen Leichtsinn hättest du verdient, niemals Ruhe zu genießen, sondern stets Elend und Trübsal zu haben.

Wegen der Gunst der Menschen, nach der du dich mehr sehntest als nach mir, müsstest du verdienen, so verachtet von allen zu werden, dass sogar deine Kinder und liebsten Freunde dir aus dem Wege gingen, und du wie verfaultes Fleisch und Menschendreck riechen würdest, und sie hundertmal lieber hören würden, dass du tot wärst, als dich leben zu sehen.

Weil du deinem Nächsten Schaden zugefügt hast und in deinem Übermut und deiner Gewinnsucht fremde Güter besaßest und behieltest, wärest du wert, dass ein Schwert alle deine Glieder und Beine zerstückelt, und dass die schärfste Säge unaufhörlich dein Fleisch verwundete, denn obwohl der Unglückliche litt und geplagt wurde, hast du dich seiner nicht erbarmt. Für den Neid und Zorn, den du in solchem Übermaß besaßest, wärest du wert, dass die Teufel dich ganz und gar mit ihrem Mund verschlingen und dich mit ihren Zähnen wie Mehl zermahlen würden, so dass du dir den Tod wünschtest und doch nicht sterben würdest, sondern ständig zerfleischt und ständig leben würdest, um dieselben Plagen weiter auszustehen.

Aber weil ich barmherzig bin und keine Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit oder Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit übe, bin ich bereit, mich über alle Bußfertigen zu erbarmen – doch nicht so, dass ich die Gerechtigkeit lasse, sondern so, dass ich eine strenge Gerechtigkeit in eine mildere verwandle – ich tue ja den Teufeln kein größeres Unrecht, als den Engeln im Himmel.
Daher musst du, wie du in all deinen Gliedern gesündigt hast, in allen deinen Gliedern Buße tun. Für eine geringe Mühe wirst du dann eine große Süßigkeit gewinnen. Halte also deinen Mund von vielem und nichtigem Reden zurück, verschließe deine Ohren vor Verleumdung und halte deine Augen fern von unnötigem Betrachten. Deine Hände sollst du öffnen, um den Armen Almosen zu geben, und deine Knie sollst du beuge, um ihnen die Füße zu waschen.

Dein Körper soll auf Leckereien verzichten und dafür eine solche Erquickung erfahren, dass er meinen Dienst verrichten kann, aber nicht wollüstig wird. In deinen Kleidern darf es nicht einen einzigen Faden geben, wo man auf Hoffart schließen kann, sondern alles soll zum Nutzen dienen und notwendig sein, aber nicht zum Überfluss. Ich befehle dir, alle fleischliche Vermischung in Ewigkeit zu hassen, denn wenn du nach meinem Willen leben willst, so sollst du hinfort Mutter für geistliche Kinder sein, genau so, wie du bisher Mutter von fleischlichen Kindern gewesen bist.“