79. Kapitel

Gottes Sohn spricht: „Erinnere dich, dass ich dir den Magister gesandt habe, den ich zum Bischofsamt berufen habe. Und ich habe ihm gesagt, dass er durch vier Dinge zu einem heilsamen Trunk werden könnte. Trotzdem kam er nicht ins Bischofsamt, denn die Urteile der Menschen bestimmten es anders, als Gottes Urteile, und er wollte Gott auf die Art besitzen, dass er vermeiden würde, Verschmähung durch die Welt zu leiden.

Aber jetzt spreche ich zu dir über einen anderen, den ich zum Bischofsamt berufe und der ist, den ich wirklich liebe. Seinen Leib werde ich stark machen und ihn vor den Schlingen des Teufels retten. Sein Gewissen wird nicht von Ränken des Feindes verdunkelt werden. Meine Mutter wird seine Seele zu mir führen. Ich begehre drei Dinge von ihm: Erstens, dass er vorsichtig vorgeht und nicht weiter auf dem Wege geht, als angebracht ist; zweitens, dass er über Mauern und Gräben springt und mir das zuführt, was ich am liebsten habe, nämlich die Seelen; drittens, dass er nicht den linken Fuß hebt, bevor er weiß, dass der andere auf festem und sicherem Boden steht.

Was bedeutet das, dass er vorsichtig auf dem Weg voranschreiten soll? Ja, dass er auf der Wacht gegen die Versuchungen ist und keine allzu große Enthaltsamkeit übt, damit die Natur nicht durch Anstrengungen geschwächt wird, und dem Körper auch nicht mehr nachgibt, als was richtig ist, so dass das Fleisch sich nicht gegen die Seele erhebt.

Zweitens, dass er über Mauern und Gräben springen soll. Diese Mauern sind die Hindernisse und Widrigkeiten, durch die mein Freund gehindert wird, und ihm Schwierigkeiten bei seiner Arbeit gemacht werden, Seelen zu gewinnen. Hindernisse sind die Furcht vor den Mächtigen, die Gunst von Schmeichlern, Drohungen von Bösgesinnten, Scheu vor der Umwelt und Unannehmlichkeiten von deren Seite, Freundschaft mit weltlichen Freunden, die Ruhe durch den Vorteil des Einzelnen.

Über diese soll mein Freund mit Hilfe des Gottvertrauens, der Glaubensgewissheit und der Sehnsucht nach der Süßigkeit des himmlischen Lebens springen. Aber die Gräben sind die Versuchung des sinnlichen Vergnügens, der Angriff der unreinen Geister, Kleinmütigkeit, ausgelassene Freude, übermäßige Traurigkeit, Härte und Kühle des Herzens. Über diese soll mein Bischof mit Hilfe des Trostes der Heiligen Schrift, des Beispiels und Lebens der Heiligen steigen, durch Bedenken seiner Schuld und der Barmherzigkeit die ihm widerfahren ist, durch Reue und fleißige Beichte, durch den Gedanken an das göttliche Gericht und aus Furcht vor einem unvorhergesehenen Tod.

Wenn der Bischof diese Mauern und Gräben übersteigt, dann wird er mir den Schatz erwerben, der mir so teuer ist, nämlich die Seelen, und ich, Gott, werde in Herz und Mund mit ihm sein, und ich werde seinen Leib bewahren, so dass nicht der Wurfspieß der Bösen sein Herz erreicht. Er wird nicht dem Anschlag des Teufels entgehen können, aber ich, Gott, werde sie von ihm abwenden.

Aber die zwei Füße sind zwei Begehren: Der eine enthält den Wunsch, Gott zu gefallen, um das ewige Leben zu gewinnen, und der andere, Menschen zu gefallen, damit sie Fortschritte auf dem Weg zu Gott machen. Auf diese Weise soll also der Bischof den linken Fuß ausstrecken, d.h. auf die Weise soll er den Menschen gefallen (nämlich durch Ermahnen, mit ihnen zu sprechen und Mitleid mit den Irrenden zu haben), damit er Gott nicht missfällt und gegen seine Gebot sündigt.

Und ebenso soll er auch den rechten Fuß ausstrecken, d.h. Barmherzigkeit üben, so dass er die Gerechtigkeit nicht vergisst, denn vor Gott ist es ehrenhafter, Rechenschaft über eine maßvolle Barmherzigkeit abzulegen, als über eine übertriebene Gerechtigkeit.

Aber dass der Bischof nicht den einen Fuß erheben soll, wenn der andere keinen festen Boden unter sich hat, das bedeutet, dass er keinesfalls gegen die Sünder Liebe üben oder für sie eifern soll, wenn er vorher nicht die Wahrheit untersucht und genau erforscht hat. Denn niemand ist heiliger als David, der sich irrte, als er Gerechtigkeit ausübte, aber nachdem er die Wahrheit eingesehen hatte, sich nach Gottes Ratschluss berichtigen ließ.