89. Kapitel

Es schien der heiligen Birgitta, Christi Braut, als ob die Jungfrau Maria, Gottes Mutter, bei ihr stünde, und als ob an ihrer rechten Seite verschiedene Geräte liegen würden, mit denen man sich in allen Arten von Gefahren helfen könnte, und auf ihrer linken Seite Waffen, die dazu dienten, die zu bestrafen, die sich durch ihren bösen Willen Strafe zugezogen hatten.

Die heilige Jungfrau sagte da zur Braut: „So wie du verschiedene Geräte siehst, von denen jedes einzelne für seine besondere Arbeit notwendig ist, so komme ich mit meinen Geräten allen denen zu Hilfe, die meinen Sohn fürchten und lieben, und die den Versuchungen des Teufels mannhaft widerstehen. Diese sitzen innerhalb von Festungsmauern und kämpfen täglich gegen die Anschläge der bösen Geister, und ich komme ihnen mit meinen Waffen zu Hilfe bei der Verteidigung, und wenn die Feinde die Mauern zu untergraben und zu zerstören suchen, stütze ich sie; wenn sie versuchen, auf Leitern hinaufzuklettern, werfe ich sie mit Gabeln hinunter, und wenn sie versuchen, Löcher in die Mauern zu bohren, so fülle ich sie mit Mauerkellen wieder aus.

Auf diese Weise helfe ich mit Verteidigungswaffen allen, die sich mit meinem Sohn versöhnen und nicht mehr bewusst gegen ihn sündigen wollen. Und wenn ich auch nur drei Geräte genannt habe, helfe ich meinen Freunden mit unzähligen Verteidigungswaffen und beschütze sie.

Von den Geräten, die auf deiner linken Seite zu sehen sind, will ich dir drei nennen. Das erste ist mein Schwert, das schärfer ist, als das Schwert des Scharfrichters. Das andere ist eine Schlinge. Das dritte ist Holz, mit dem die verbrannt werden sollen, die gewillt waren, bis zum Ende (ihres Lebens) zu sündigen, und die sich deshalb im allerletzten Augenblick vor ihrem Tode selbst zur ewigen Qual verurteilt haben. Denn wenn der Mensch sich vornimmt, sich bis zum Ende gegen Gott zu versündigen und nicht damit aufhört, bis er gar nicht mehr sündigen kann, dann wird er von der göttlichen Gerechtigkeit zu ewigen Plagen verurteilt werden.

Und wie den zum Tode Verurteilten nach den verschiedenen Verbrechen verschiedene Todesarten auferlegt werden, so werden auch den zur Hölle Verdammten verschiedene Arten von Plagen für ihre Sünden auferlegt. Wenn der Mensch vorhat, zu sündigen, solange er lebt, ist es also gerecht, dass der Teufel Macht über seinen Leib und seine Seele erhält. Und so wie das Fleisch von dem Knochen abgeschnitten wird, so wird auch der Teufel das Recht haben, seinen Leib und seine Seele unter gleicher bitterer Qual zu trennen, als würden Fleisch und Knochen mit einem spitzen Kieselstein verwundet, solange der elende Körper es in einer solch bitteren Qual ertragen könnte.

Sei aber überzeugt, dass – auch wenn einer wegen seiner unerhörten Verbrechen von Gott der Herrschaft des Teufels über Leib und Seele überlassen wurde, so wird ihm doch die Gnade der Bußbereitschaft nie genommen, solange er lebt und seine Sinne gebrauchen kann. Für die, die die Bußbereitschaft nicht erhalten, wird doch mein Schwert vor dem Tode etwas von der körperlichen Pein verkürzen, so dass der Teufel keine uneingeschränkte Macht über den Leib hat, solange er auf Erden lebt, wie er Macht über die Seele hat, während die sich in der Hölle befindet. So wie jemand seinem Feind den Hals abgesägt hat, um ihn zu quälen, so verfährt der Teufel mit seinem Schwert mit der Seele, die im ewigen Tode lebt.

Die Schlinge bedeutet die Trauer, die die verurteilte Seele nach dem Tode empfinden wird. Sie wird in der Hölle umso heftiger sein, je länger das Erdenleben gedauert hat. Der Teufel möchte gern, dass der Mensch, der den Willen hat, zu sündigen, solange er lebt, viel länger leben darf, so dass er nach dem Tode desto heftigeren Schmerzen ausgesetzt ist. Aber meine Gnade reißt die Schlinge, die du siehst, entzwei, d.h. sie verkürzt das Leben des bösen Fleisches gegen den Willen des Teufels, so dass der Schmerz dank des Urteils der Gerechtigkeit nicht so schrecklich wird, wie der Teufel will.

Der Teufel entzündet nämlich im Herzen seiner Freunde, die in Wollust leben, ein Feuer, und obwohl ihr Gewissen ihnen sagt, dass es Gott entgegensteht, haben sie doch so große Sehnsucht, ihre Lust zu befriedigen, dass sie sich nichts daraus machen, gegen Gott zu sündigen. Deshalb hat der Teufel auch das Recht, das Feuer in der Hölle ebenso oft für die zu entzünden und zu mehren, wie er sie auf Erden mit böser Begierde erfüllt hat.“