4

Lob, Preis und Ehre sei Gott für alle seine Wohltaten. Durch die Worte, die mein Herr und mein Sohn, Bischof Alfons, mir in eurem Namen gesagt hat, habe ich euren guten Willen vernommen, der keineswegs ohne die besondere Gabe und Gnade des Heiligen Geistes zu sein schein. Möge der Herr diese Gabe bis zum Ende bei euch bleiben lassen, zu seiner Ehre und zu eurer eigenen Freude und Erlösung! Deshalb bitte ich euch, dass es euch nicht missfällt, lieber Herr, wenn ich euch etwas zum Trost gegen die Feinde des Menschengeschlechts schreibe.

Liebster Herr, ich habe gehört, dass Ihr so ein Mensch seid, der Macht und Autorität über andere Menschen hat, die Euch untergeordnet sind, und dass Ihr weltliche Ehre und Reichtum sowie eine vornehme Abstammung habt, und dass Ihr auch menschlichen Trost durch Eure Frau und Eure Kinder sowie durch Freunde und Verwandte genießt. Außerdem hat Gott Euch den Besuch des Heiligen Geistes vergönnt. Deshalb müsst Ihr, mein Herr, gewissenhaft und wachsam sein, diese Gnade zu bewahren, so dass die teuren geistlichen und göttlichen Gaben nicht durch irgendein irdischens und vergängliches Gut vermindert werden.

Für Euch, die Ihr andere leiten und Gerechtigkeit üben müsst, ist es also ratsam, dass Ihr Euch ganz und gar davor in Acht nehmt, ungerechte Urteile zu fällen. Es wird Euch auch befohlen, dass Ihr – wenn Ihr Güter habt, die irgendwie unrecht erworben sind, das gleich ganz und gar zurückerstattet, und Euch für die Zukunft in Acht nehmt, in unrechter Weise irgendwelche Güter zu erwerben, ja dass Ihr Euch gewissenhaft davor hütet, wie vor tödlichem Gift.
Und da es Euch obliegt, das Eigentum der Kirche und des Herrn Papstes in rechter Weise und auf rechten Wegen zu verwalten, so sollt ihr darauf achten, dass nicht das Volk, das Euch untersteht, durch ungewöhnliche Steuern und Auflagen belastet wird, sondern sich über die alte Gerechtigkeit freuen kann, die früher zur Zeit ihrer gerechten Herrscher beobachtet wurde.

Wenn Ihr den teuren und einzig dastehenden Besuch des Heiligen Geistes wünscht und bewahren wollt, der Euch so oft in unsichtbarer Weise zuteil wird, sollt Ihr genau – wie vor Gottes Zorn – darauf achten, dass Ihr nicht – weder für die Kirche noch den Papst, auf Grund von Geldern oder feindliche Angriffe, weder um Geldgewinn oder um irgendeine vertrauliche Freundschaft Anführer oder Mitwirkender von Rechtswegen helfen oder sie rächen müsst, oder solchen (Menschen) helfen müsst, die zu Unrecht angegriffen werden.

Nachdem Gott Euch zeitliche Besitztümer gegeben hat, die wohl ausreichen, um Euch und Eurer Familie ein maßvolles und standesmäßiges Auskommen zu gewähren, so müsst Ihr euer Herz so vor Geldgier unberührt bewahren. Häuft keine Schätze auf und sammelt keine zeitlichen Besitztümer, um damit Kinder und Verwandte zu bereichern.
Nachdem Gott Euch in den ehelichen Stand versetzt hat, sollt Ihr fromm, ehrbar und gottesfürchtig leben und in diesem Stand beharren und Euch aufmerksam und genau davor hüten, irgendwelche Sünden zu begehen und Euch damit den Zorn des Heiligen Geistes zuzuziehen. Geht allen anderen Frauen aus dem Wege außer Eurer eigenen, so dass Ihr nicht gegen Gottes Gebot handelt, denn wenn Ihr Euch anders verhaltet, wird das für Euch ein verdammenswerter Weg zur Hölle, und vor diesem Weg möge Euch Gottes jungfräuliche Mutter Maria bewahren.

Es wird Euch auch geraten, bis auf weiteres das Amt zu behalten, das Euch vom Herrn Papst anvertraut ist, nämlich die Regierung des Herzogtums, bis man weiß, welchen Weg der Herr Papst einschlagen wird, und wohin er auf immer seine Residenz verlegen wird. Ich setze mein festes Vertrauen auf den lebendigen Gott, dass der Wunsch, den Ihr jetzt habt, nämlich die Welt aufzugeben und Gott zu dienen, zu einem guten Ende führen möge.

Aber nun spreche ich zu Euch aus mütterlicher Liebe und mit Demut und Eurer Erlaubnis, und von nun an nenne ich Euch meinen Sohn. Ich rate Dir, mein Sohn, dass Du oft Deine Sünden beichtest und dass Du, wenn Du manchmal ein Verlangen spürst, zu kommunizieren, fromm und willig Christi Leib empfängst. Denn wie das Kind durch die Muttermilch ernährt wird und heranwächst, so wird Deine Seele durch den Verzehr von Christi Leib gestärkt und wachsen, die Gottesliebe zu empfangen und zu bewahren.
Ebenso rate ich, dass Du jeden Tag eine bestimmte Stunde einrichtest, um Christi heilige Wunden und sein Leiden fromm zu betrachten und zu bedenken.

Bedenke, mein Sohn, wie dieser holde Jesus gefangen und gebunden, gegeißelt, gelästert und verwundet wurde, mit Dornen gekrönt, zum Tode verurteilt, ans Kreuz genagelt, mit bitterem Essig und mit Galle getränkt wurde, verhöhnt wurde und grausam starb, und wie er außerdem mit einer Lanze verwundet wurde – er, der der König der Herrlichkeit und Herr aller Herren ist – alles um Deiner Erlösung willen. Und wenn du dies alles fromm bedacht hast, sollst Du ihn demütig und weinend bitten, dass er das Feuer seiner Liebe in Deinem Herzen vermehrt und dein Verlangen nach dem Guten nach seinem göttlichen Wohlgefallen vervollkommnet. Amen.

Möge er Dich erleuchten, leiten und lenken, der in alle Ewigkeit gesegnet ist. Und damit Ihr dies glaubt, habe ich mit eigener Hand meinen Namen unter diesen Brief geschrieben, und ihn mit meinem üblichen Siegel versiegeln lassen. Geschrieben in Rom am 7. November (1371).