30. Kapitel

Ich bin Gott, der alles zum Nutzen des Menschen geschaffen hat, und das sollte dem Menschen dienen und nützen. Aber der Mensch hat alles missbraucht, was ich zu seinem Nutzen geschaffen hatte, und wendet es zu seinem Verderben an. Und außerdem kümmert er sich weniger um Gott und liebt ihn weniger, als die geschaffene Welt.

Die Juden bereiteten mir drei Foltergeräte während meines Leidens. Erstens den Baumstamm, an dem ich, der gegeißelt und mit einer Dornenkrone versehen wurde, festgenagelt wurde. Zweitens das Eisen der Nägel, mit denen meine Hände und Füße festgenagelt wurden. Drittens der Gallentrank, den sie mir zu trinken gaben. Ferner schmähten sie mich und nannten mich einen Toren, des Todes wegen, den ich gern ertrug, und sie nannten mich einen Lügner wegen meiner Lehre.

Solche Leute gibt es jetzt viele auf der Welt, und es gibt wenige, die mir Trost verschaffen. Denn durch ihren Willen, zu sündigen, nageln sie mich am Halse fest. Sie geißeln mich durch ihre Unduldsamkeit (niemand kann nämlich ein Wort für mich ertragen), und sie krönen mich mit dem Dorn ihres Hochmuts, wenn sie höher sein wollen als ich. Sie durchbohren meine Hände und Füße mit dem Eisen der Verhärtung, denn sie rühmen sich ihrer Sünde und verhärten sich, um mich nicht zu fürchten. Als Gallentrank geben sie mir Trübsal. Für die Pein, zu der ich freudig ging, nennen sie mich einen Lügner und Toren.

Nun hätte ich die Macht, sie und die ganze Welt um der Sünden willen zu ertränken, wenn ich wollte. Aber wenn ich diese Leute ertränken würde, denn würden die, die übrig geblieben sind, mir nur noch aus Furcht dienen, und das wäre nicht gerecht, denn der Mensch soll mir aus Liebe dienen. Wenn ich selbst in sichtbarer Gestalt zu ihnen käme, würden es ihre Augen nicht ertragen, mich zu sehen, und ihre Ohren ertrügen es nicht, mich zu hören. Denn wie sollte ein sterblicher Mensch den Unsterblichen sehen können? Wahrlich, in meiner Liebe wollte ich gern noch einmal für die Menschen sterben, wenn das möglich wäre.

Darauf zeigte sich die heilige Jungfrau Maria, und der Sohn sagte zu ihr: „Was willst du, meine auserwählte Mutter?“ Sie sagte: „Mein Sohn, erbarme dich über deine geschaffene Wesen um meiner Liebe willen!“ Er antwortete: „Ich will ihnen noch einmal um deinetwillen Barmherzigkeit erweisen.“
Dann sprach der Herr zur Braut (Birgitta) und sagte: „Ich bin der Gott und Herr der Engel. Ich bin Herr über Tod und Leben. Ich, derselbe, will in deinem Herzen wohnen. Sieh, welch große Liebe ich zu dir habe! Himmel und Erde und alles, was darin ist, können mich nicht fassen, und dennoch will ich deinem Herzen wohnen, das nur ein kleines Stück Fleisch ist. Was sollst du denn noch fürchten, was könnest du noch brauchen, wenn du den allmächtigen Gott in dir hast, in dem alles Gute ist?

Nun muß es in diesem Herzen, das meine Wohnung ist, drei Dinge geben: Ein Bett, in dem wir ruhen können, eine Bank, auf der wir sitzen können, und eine Lampe, von der wir Licht erhalten können. In deinem Herzen muß es nämlich ein Bett geben, um darin zu ruhen, so dass du von bösen Gedanken und weltlichen Begierden Abstand nehmen und stets die ewige Freude betrachten kannst. Die Bank soll dein Ruheplatz sein, um bei mir sitzen bleiben zu können, auch wenn es manchmal geschieht, dass du ausgehst. Es ist ja gegen die Natur, immer nur zu stehen, aber der steht immer, der immer mit der Welt sein will und niemals bei mir sitzen will. Das licht oder die Lampe soll dein Glaube sein, dass ich alles vermag und über alle Dinge allmächtig bin.“