34. Kapitel

Ich bin der Schöpfer Himmels und der Erde, de als wahrer Gott und wahrer Mensch im Mutterleib der Jungfrau war, der gestorben, auferstanden und zum Himmel aufgestiegen ist. Du, meine neue Braut, bist an einen unbekannten Ort gekommen. Deshalb sollst du vier Dinge tun. Erstens, die Sprache des Ortes zu erlernen. Zweitens passende Kleider zu tragen. Drittens, Tage und Zeiten nach den örtlichen Gegebenheiten einzurichten. Viertens, dich an das neue Essen zu gewöhnen.

So sollst du, wenn du von der Unstetigkeit der Welt zur Stetigkeit gekommen bist, eine neue Sprache haben, d.h. Verzicht auf unnötige Worte und manchmal auch auf zulässige, um den Ernst des Schweigens und der Verschwiegenheit zu beobachten. Deine Kleider sollen Demut im Inneren und nach außen sein, so dass du dich in deinem Inneren nicht selbst erhöhst, als wärest du heiliger als andere, und dich nach außen hin nicht scheust, dich vor den Menschen demütig zu zeigen.

Zum dritten bedeutet das Einteilen deiner Zeit, dass wie du früher mehr Zeit für die Erfordernisse und zum Nutzen deines Körpers hattest, so sollst du nun auch eine Zeit für die Seele haben, d.h. dass du niemals etwas gegen mich sündigst. Viertens bedeutet die neue Nahrung Verzicht auf übertriebene Eßlust und Leckereien mit aller Klugheit, so wie die menschliche Natur es ertragen kann. Die Enthaltsamkeit, die das für die Menschennatur mögliche Maß übersteigt, gefällt mir nämlich nicht, denn ich verlange das Vernünftige, und dass die Lust am Genuß gezähmt werden soll.”

Da zeigte sich zu selben Stunde der Teufel. Der Herr sagte zu ihm: ”Du bist von mir geschaffen und hast alle Gerechtigkeit in mir gesehen. Antworte mir nun, ob diese neue Braut (Birgitta) gesetzlich und nach anerkanntem Recht die meine ist. Ich erlaube dir nämlich, ihr Herz zu sehen und zu verstehen, so dass du wissen kannst, was du mir antworten sollst. Liebt sie vielleicht etwas so sehr wie mich, oder will sie etwas im Austausch für mich haben?”

Der Teufel antwortete ihm: “Nichts liebt sie so sehr wie dich, und lieber, als dich zu verlieren, will sie alle Qual erleiden, soweit du ihr die Kraft der Geduld gibst. Ich sehe etwas wie ein brennendes Band von dir zu ihr hinablaufen, und das bindet ihr Herz so fest, dass sie an nichts anderes denken oder etwas anderes lieben kann, als dich.”

Da sagte der Herr zum Teufel: “Sag mir: Wie steht sie in deinem Herzen, oder wie gefällt dir die große Liebe, die ich für sie hege?” Der Teufel sagte: “Ich habe zwei Augen. Das eine ist körperlich (obwohl ich nicht körperlich bin), und mit diesem Auge sehe ich zeitliche Dinge so klar, dass es nichts gibt, das so heimlich oder dunkel wäre, dass es sich vor mir verbergen könnte.

Das andere Auge ist geistig, und es gibt keine Pein, die so klein ist, dass ich sie mit diesem Auge nicht sehen und verstehen kann, zu welcher Sünde sie gehört. Und es gibt keine so kleine oder leichte Sünde, dass ich sie nicht sehen könnte, soweit sie nicht durch Buße getilgt ist. Aber obwohl keine Glieder verletzbarer und empfindlicher sind, als die Augen, wollte ich dennoch gern, dass zwei brennende Fackeln unaufhörlich meine Augen durchdringen, wenn ich dadurch erreichen könnte, dass sie (Birgitta) nicht mit geistlichen Augen sehen könnte.

Ich habe auch zwei Ohren. Das eine ist körperlich, und niemand kann so heimlich und leise sprechen, dass ich es nicht mit diesem Ohr höre und zu wissen bekomme. Das andere ist geistig, und niemand kann einen so heimlichen Gedanken oder solche Begierde nach einer Sünde haben, dass ich es nicht mit diesem Ohr höre, sofern die Sünde nicht durch Buße ausgetilgt ist. Und ich wollte gern, dass die Pein der Hölle, hervorbrechend wie ein Strom und den gewaltigsten Brand erregend, ohne Unterlaß durch meine Ohren fließen würde, wenn ich dadurch erreichen könnte, dass sie (Birgitta) mit ihren geistlichen Ohren nicht hört.

Ich habe auch ein geistiges Herz, und ich wollte gerne, dass es ohne Unterlaß in kleine Stücke zerrissen würde und ständig zur selben Pein erneuert würde, wenn ich dadurch erreichen könnte, dass ihr Herz in der Liebe zu dir erkalten würde. Aber da du gerecht bist, frage ich dich jetzt nach einer Sache, die du mir beantworten magst. Sag mir, warum du sie so sehr liebst! Warum hast du keine heiligere, reichere und schönere Frau ausgewählt?“

Der Herr erwiderte ihm: „Weil die Gerechtigkeit dies verlangte. Du bist ja von mir geschaffen worden und hast alle Gerechtigkeit in mir gesehen. Sag mir, so dass sie darauf hört, welche Gerechtigkeit es war, dass du einen so schweren Fall getan hast, und welches dein Gedanke war, als du gefallen bist!“

Der Teufel erwiderte: „Ich sah in dir drei Dinge. Ich sah deine Ehre und Würde, die alles überragte, und ich dachte an meine eigene Ehre. Daher wurde ich hochmütig und nahm mir vor, nicht dir gleich zu werden, sondern sogar höher zu werden, als du. Zweitens sah ich, dass du mächtiger bist als alle anderen, und deshalb begehrte ich, noch mächtiger zu sein als du. Drittens sah ich, was in Zukunft geschehen würde, und da deine Ehre und Würde ohne Anfang und Ende ist, beneidete ich dich und dachte, dass ich gern beständig von der bittersten Qual geplagt würde, wenn du dadurch sterben könntest, und unter solchen Gedanken stürzte ich, und so kam die Hölle zustande.“

Der Herr antwortete: „Du hast mich gefragt, warum ich sie so sehr liebe. Sicher, weil ich all dein Böses zum Guten wende. Denn weil du hochmütig wurdest und mich, deinen Schöpfer als einen, der dir gleich ist, nicht haben willst, deshalb demütige ich mich in allem, hole Sünder zusammen und stelle mich mit ihnen gleich, indem ich ihnen etwas von meiner Ehre gebe. Zweitens: Weil du ein so schlechtes Verlangen hattest, dass du mächtiger als ich sein wolltest, deshalb mache ich Sünder mächtiger als dich und lasse sie an meiner Macht teilhaben. Drittens: Weil du mich beneidet hast, bin ich so liebevoll, dass ich mich für die Sünder geopfert habe.“

Dann sagte der Herr: „Jetzt, Teufel, ist dein dunkles Herz erhellt. Sage, so dass sie es hört, welche Liebe ich für sie habe.“ Der Teufel sagte: „Wenn es möglich wäre, würdest du gern eine solche Pein in einem jeden Glied besonders erdulden, wie du einmal am Kreuz in allen Gliedern littst, ehe du sie verlieren würdest?“
Da antwortete der Herr: „Wenn ich also so barmherzig bin, dass ich dem, der darum bittet, meine Vergebung nicht verweigere, so bitte auch du mich demütig um Vergebung, und ich werde sie dir schenken.“ Der Teufel erwiderte: „Das tue ich auf keine Fall. Denn als ich fiel, wurde eine Strafe für jede Sünde, für jeden unnötigen Gedanken und jedes unnütze Wort bestimmt, und ein jeder von den Engeln, die gefallen sind, wird seine Strafe erhalten. Deshalb will ich, bevor ich meine Knie vor die beuge, lieber alle Plagen schlucken, so lange mein Mund für die Plagen geöffnet und geschlossen werden kann, so dass ich immer von neuem bereit bin, Plagen zu leiden.“

Da sagte der Herr zu seiner Braut: „Sieh, wie verhärtet der Fürst der Welt ist, und wie mächtig er mir gegenüber durch meine heimliche Gerechtigkeit ist. Ich könnte ihn ja mit meiner Macht in einem Augenblick vernichten, aber ich begehe ihm gegenüber kein größeres Unrecht, als gegen einen guten Engel im Himmel. Aber wenn seine Zeit kommt – sie naht jetzt – so werde ich ihn und seine Anhänger vernichten. Deshalb sollst du, meine Braut, stets in guten Taten Fortschritte machen. Liebe mich von deinem ganzen Herzen; fürchte nichts anderes als mich. Ich bin nämlich Herr über den Teufel und über alles, was es gibt.“