16. Kapitel

Viele möchten wissen, warum ich mit dir und nicht anderen rede, die ein besseres Leben führen und mir längere Zeit gedient haben. Ich will dir darauf mit einem Beispiel antworteten. Es ist ein Herr, der mehrere Weingärten hat, die in mehreren verschiedenen Gegenden liegen, und der Wein eines jeden Weingartens hat seinen Geschmack von der Gegend, aus der er stammt. Wenn der Wein zubereitet ist, trinkt der Herr der Weinberge manchmal von dem mittelmäßigeren und leichteren Wein, nicht immer von dem stärkeren.

Wenn nun einer von denen, die dabei sind und das sehen, sagen würde: „Herr, warum willst du das tun?“ so wird der Herr erwidern, dass ihm gerade der Wein schmeckte und war ihm bei der Gelegenheit angenehmer, und er verschmäht doch deshalb nicht die besseren Weine, sondern hält sie zu seiner Ehre und seinem Nutzen zurück, um sie bei passender Gelegenheit anzuwenden – einen jeden zu dem Zweck, der dazu passt.

So verfahre ich mit dir. Ich habe viele Freunde, deren Leben mir lieblicher als Honig ist, angenehmer als jeder Wein und für mein Auge heller als die Sonne ist. Trotzdem habe ich beschlossen, dir meinen Geist zu schenken, weil es mir so gefiel – nicht deshalb, weil du besser bist als sie oder mit ihnen vergleichbar bist, oder weil deine Verdienste wertvoller sind als ihre – sondern deshalb, weil ich es so wollte.

Ich mache aus unweisen Menschen weise und Gerechte aus den Sündern, und ich verachte die anderen nicht, weil ich dir solche Gnade erwiesen habe, aber ich hebe sie lieber für eine andere Ehre oder zu einem anderen Nutzen für mich auf, je nachdem, wie es die Gerechtigkeit erfordert. Demütige dich deshalb in allen Dingen und beunruhige dich über nichts, als über deine Sünden. Liebe alle Menschen, auch die, die dich offensichtlich hassen und verleumden, denn sie bereiten dir die Möglichkeit, eine größere Krone zu gewinnen.
Drei Dinge schreibe ich dir vor, zu tun. Drei Dinge schreibe ich dir vor, sie nicht zu tun. Drei Dinge erlaube ich dir, zu tun. Drei Dinge rate ich dir, zu tun.

Erstens schreibe ich dir vor, drei Dinge zu tun: Nichts anderes zu ersehnen, als deinen Gott, allen Hochmut und alle Vermessenheit abzulegen, stets die Wollust des Fleisches zu hassen. Drei Dinge befehle ich dir, nicht zu tun: Eitle und leichtfertige Worte zu lieben, dich durch Unmäßigkeit im Essen und durch Überfluß in anderen Dingen schuldig zu machen und die Freude und Oberflächlichkeit der Welt zu lieben.

Drei Dinge erlaube ich dir: Einen angemessenen Schlaf zu deinem Wohlbefinden, mäßige Wachen zur Übung des Körpers, ein mäßiges Essen zur Stärkung und Aufrechterhaltung des Körpers. Drei Dinge rate ich dir: Erstens, arbeite am Fasten und an guten Taten, für die das Himmelreich als Lohn verheißen wird. Zweitens, dass du das, was du besitzt, zu Gottes Ehre anwendest. Drittens, stets zwei Dinge in deinem Herzen zu bedenken: Was ich für dich getan habe, als ich für dich litt und starb (dieser Gedanke erweckt Liebe zu Gott), ferner meine Gerechtigkeit und das künftige Gericht (das erweckt in der Seele Furcht).
Eine vierte Sache zum Schluß. Was ich vorschreibe, befehle, anrate und erlaube, und das heißt, zu gehorchen, wozu du ja verpflichtet bist, das schreibe ich dir vor, weil ich dein Gott bin. Das befehle ich dir auch, dass du nicht anderes handelst, weil ich dein Herr bin. Das erlaube ich dir, weil ich dein Bräutigam bin. Das rate ich dir, weil ich dein Freund bin.“