18. Kapitel

Drei wunderbare Dinge habe ich mit dir (Birgitta) gemacht. Du siehst nämlich mit geistlichen Augen, du hörst mit geistlichen Ohren, und du spürst mit deiner körperlichen Hand meinen Geist in deiner lebendigen Brust. Das Gesicht, das du schaust, zeigt sich dir nicht so, wie es wirklich ist. Denn wenn du die geistliche Schönheit der Engel und der heiligen Seelen sehen würdest, würde es dein Körper auf Grund der seelischen Freude über das Geschaute nicht ohne Schaden ertragen, es zu sehen, wie ein zersprungenes Gefäß. Und würdest du die Teufel sehen, wie sie sind, würdest du entweder nur mit großem Schmerz leben oder auf Grund ihres schrecklichen Anblicks eines plötzlichen Todes sterben.

Daher werden dir geistliche Dinge als körperliche gezeigt. Du schaust die Engel und die Seelen in Gestalt von Menschen, die Leben und Seele haben, denn die Engel leben mit seinem Geist. Die Teufel erscheinen dir in einer Gestalt, die zum Tode führt und tödlich ist, wie in Gestalt von Tieren und anderen unvernünftigen Geschöpfen, denn die haben einen sterblichen Geist, und wenn ihr Leib stirbt, so stirbt auch der Geist.

Die Teufel dagegen sterben nicht im Geist, sondern leben ohne Ende und sterben ohne Ende. Geistliche Worte werden dir in Form von Gleichnissen gesagt, denn sonst könnte dein Geist sie nicht fassen. Aber wunderbarer als all das andere ist das, dass du spürst, wie sich mein Geist in deinem Herzen regt.“
Sie (Birgitta) antwortete: „O du mein Herr, Sohn der Jungfrau, warum hast du es für wert gehalten, eine so schlichte Witwe zu besuchen? Ich bin ja arm an allen guten Taten, geringen an Verstand und Kenntnissen, und während einer langen Zeit in alle Sünden verstrickt.“

Er antwortete ihr: „Ich habe drei Eigenschaften. Erstens kann ich den Armen reich und den Unweisen, der mit geringem Verstand ausgerüstet ist, ganz weise und verständig machen. Ich vermag auch, Alter in Jugend zu verwandeln. Denn wie der Vogel Phoenix dürre Zweige zu seinem Nest im Tal trägt, und unter diesen auch Zweige von einem Baum holt, der äußerlich von Natur aus dürr und inwendig doch warm ist, wenn glühende Sonnenstrahlen in ihn eindringen, so dass er entzündet wird – was zur Folge hat, dass alle anderen Zweige angezündet werden – so sollst du Tugenden sammeln, durch die du von Sünden erneuert werden kannst.

Unter diesen musst du einen Baum haben, der innen warm und außen trocken ist, d.h ein reines Herz, in dessen äußerer Hülle alle weltliche Lust verdorrt ist, und dessen Inneres voll von aller Liebe ist, so dass du nichts anderes begehrst und ersehnst, als mich. Dann wird das Feuer meiner Liebe darin eindringen, und davon wird es von allen Tugenden entflammt werden, so dass du gleichsam im Feuer von den Sünden gereinigt wirst und wie ein erneuerter Vogel auferstehst, nachdem du die Haut der Lust abgelegt hast.“