20. Kapitel

Es erschien eine große himmlische Heerschar, zu der der Herr (Christus) redete und sagte: „obwohl ihr alles in mir kennt und wisst, so will ich mich doch, weil es mir so gefällt, bei euch über die Dinge beklagen. Erstens, dass die so lieblichen Bienenkörbe, die von Ewigkeit gebaut waren und von denen unnütze Bienen ausgingen, jetzt leer sind.

Zweitens, dass die unermessliche Tiefe, denen weder Steine noch Bäume widerstehen können, ständig offen ist, so dass die Seele dort hinabsteigen, wie der Schnee vom Himmel auf die Erde fällt. Und wie der Schnee sich vor dem Angesicht der Sonne in Wasser auflöst, so lösen sich die Seelen von allem Guten, fallen schweren Strafen anheim und werden zu jeder Pein erneuert.

Drittens klage ich darüber, dass es nur so wenige sind, die darauf achten, dass die Plätze leer sind, von denen die bösen Engel abgefallen sind, und die auf den Abfall und die Verirrung der Seelen Acht geben. Darüber klage ich mit Recht.
Ich habe von Anfang an drei Männer ausgewählt. Darunter verstehe ich die dreifachen Stände auf der Welt. Erstens habe ich den Priester auserwählt, der meinen Willen mit seiner Stimme ausrufen und sie mit seinem Tun auch zeigen soll. Zweitens wählte ich den Verteidiger aus, der meine Freunde mit seinem Leben verteidigen und zu jeder Mühe um meinetwillen bereit sein soll. Drittens wählte ich den Arbeiter aus, der mit seinen Händen arbeiten und mit seiner Arbeit die Menschen ernähren soll.

Aber der erste, nämlich der Priester, ist jetzt aussätzig und stumm geworden, denn jeder, der beim Priester nach der Schönheit seiner Sitten und Tugend sucht, er weicht zurück, wird durch das, was er da sieht, verwirrt und fürchtet sich, wegen des Aussatzes seines Hochmuts und seiner Gier zu ihm zu kommen. Und der, der den Priester hören will, findet, dass er stumm ist, mich zu loben, aber redselig, wenn es um sein eigenes Lob geht.

Wie soll man dann den Weg finden, der zu dieser lieblichen Süße führt, wenn der, der vorangehen sollte, schwach und ohnmächtig ist, und der, der rufen sollte, stumm ist? Wie soll man da Kenntnis über diese himmlische Lieblichkeit erhalten? Der zweite, d.h. der Verteidiger, lebt im Herzen und hat leere Hände, denn er zittert vor den Schmähungen der Welt und vor dem Verlust seiner Ehre. Er hat leere Hände, denn er tut keine geistlichen Taten, sondern alles, was er tut, das tut er für die Welt.

Wer soll dann mein Volk verteidigen, wenn der, der das Haupt sein sollte, sich fürchtet? Der dritte ist wie ein Esel, der den Kopf hängen lässt und still auf seinen vier Füßen dasteht. Ja, das Volk ist in Wahrheit wie ein Esel, denn es begehrt nichts anderes als das Irdische; es vergisst das Himmlische und sucht das Vergängliche. Es hat gleichsam vier Füße, denn es hat nur einen geringen Glauben und eine leere Hoffnung, drittens keine guten Taten und viertens den vollkommenen Willen zur Sünde. Daher steht ihm der Mund stets zur Schwelgerei und zur Begierde offen. Seht, meine Freunde, wie kann die unermessliche Tiefe durch solche Leute vermindert werden, und wie kann die Honigwabe gefüllt werden?

Da antwortete Gottes Mutter: „Gesegnet seist du, mein Sohn! Deine Klage ist berechtigt. Ich und deine Freunde können dir für das Menschengeschlecht nichts anderes geben, als ein einziges Wort; durch das es erlöst werden kann, und das ist: „Erbarme dich, Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes!“ Das rufe ich, und das rufen deine Freunde.“
Der Sohn erwiderte: „Deine Worte sind in meinen Ohren lieblich, schmecken mir angenehm im Mund und dringen mit liebe in mein Herz. Ich habe einen Priester, einen Verteidiger und einen Bauern. Der erste ist lieblich wie die Braut, die der ehrenwerteste Bräutigam von ganzem Herzen mit göttlicher Liebe ersehnt. Seine Stimme soll wie die Stimme sein, die in den Wäldern durch Ruf und Rede als Echo widerhallt.

Der zweite soll bereit sein, sein Leben für mich hinzugeben, und soll die Schmähungen der Welt nicht fürchten. Ihn werde ich mit den Waffen des Heiligen Geistes bewaffnen. Der dritte soll einen so festen Glauben haben, dass er sagen kann: „Mein Glaube ist so fest, dass ich das, was ich glaube, gleichsam sehen kann, und ich hoffe auch auf alles, was Gott versprochen hat.“ Er soll den Willen haben, das Gute zu tun, im Guten fortzuschreiten und dem Bösen auszuweichen.
In den Mund des ersten dieser drei Männer will ich drei Worte legen, die er rufen soll. Erstens soll er rufen: „Wer Glauben hat, soll mit seiner Tat das tun, was er glaubt.“ Zweitens: „Der, dessen Hoffnung fest ist, soll in allem Guten standhaft sein.“ Drittens: „Wer vollkommen und innig liebt, soll eine brennende Sehnsucht haben, das sehen zu dürfen, was er liebt.“

Der zweite soll stark wie ein Löwe bei der Arbeit sein, gewissenhaft darin, Versuchungen auszuweichen, standhaft und beharrlich. Der dritte soll klug sein wie die Schlange, die auf dem Schwanz stehen und den Kopf zum Himmel heben kann. Diese Männer sollen meinen Willen voll erfüllen, und andere sollen ihnen folgen. Und wenn ich auch nur von dreien spreche, meine ich damit doch viele.“
Dann sprach er zur Braut (Birgitta) und sagte: „Steh standhaft fest, laß dich von der Welt oder von Schmähungen nicht betrüben, denn ich, der allen Schimpf und jede Schmähung hört, bin dein Gott und Herr.“