30. Kapitel

Maria sprach zum Sohn und sagte: „Mein Sohn, schenk deiner neuen Braut, dass dein allerwürdigster Leib in ihrem Herzen Wurzel schlägt, so dass sie in dir verwandelt wird und von deiner Freude erfüllt wird.“ Dann sagte sie: „Als dieser heiligen Mann auf Erden lebte, war er stetig im heiligen Glauben wie ein Berg. Kein Widerstand brach ihn, keine Lust warf ihn zurück. Er war auch fügsam nach deinem Willen wie der bewegliche Wind, wohin ihn deines Geistes Kraft auch zog.

Er war außerdem brennend wie Feuer in deiner Liebe, in dem er die Kalten wie Feuer erwärmte und die Bösen verzehrte. Nun lebt seine Seele mit dir in Ehren, aber das Gefäß seines Leibes ist erniedrigt und liegt an einem einfacheren Platz als er sollte. Gib daher, mein Sohn, dass sein Leib erhöht werde; ehre ihn, denn er hat dich geehrt, soviel er konnte, und erhöhe ihn, denn durch sein Wirken hat er dich erhöht, soviel er konnte.“

Der Sohn erwiderte: „Gesegnet seist du, denn du lässt nichts unberührt, was deinen Freunden gehört. Wie du siehst, Mutter, gehört es sich nicht, dass die beste Speise den Wölfen gegeben wird. Es gehört sich nicht, dass der Saphir, der die Glieder frisch erhält und kranke Glieder stärkt, in den Dünensand gelegt wird. Es passt sich auch nicht, dass das Licht für die Blinden angezündet wird.
Dieser Mann war gewiß standhaft im Glauben und glühend in Liebe. Auch in seiner Enthaltsamkeit war er hervorragend auf meinen Willen ausgerichtet.

Deshalb schmeckte er mir wie die beste Speise, wohlgemut in aller Geduld und Trübsal, gut im Wollen und im Verlangen, besser im Eifer und mannhaft in seinem Vorgehen, am besten und schönsten in lobenswerter Vollkommenheit. Daher gehört es sich nicht, dass eine solche Speise den Wölfen vorgesetzt wird, deren böse Gier keine Sättigung kennt, deren Begierde die Kräuter der Tugend ausreißt und gern verfaultes Fleisch annimmt, und deren heimtückische Stimme schädlich für alle Schafe ist.

Er war durch die Klarheit seiner Berühmtheit und seiner Lebensweise sogar wie ein Saphir in einem Ring, wodurch er sich als Bräutigam seiner Kirche, als Freund seines Herrn und als Bewahrer des heiligen Glaubens und als Verächter der Welt erwies. Deshalb, liebste Mutter, gehört es sich nicht dass ein Liebender von so großer Güte, ein so reiner Bräutigam, von so unreinen Leuten berührt wird, dass ein Freund von so großer Demut von denen berührt wird, die die Welt lieben.
Er war drittens wie ein Licht, das auf einen Leuchter gesetzt ist, durch die Ausführung aller meiner Gebote und die Weisheit seiner guten Lebensweise, wodurch er die beschützte, die da standen, dass sie nicht fallen sollten, die Wankenden aufrichtete und auch solche zu mir rief, die nach ihm kommen sollten.

Diese Licht sind die unwürdig zu sehen, die von Eigenliebe verblendet sind; dieses Licht kann nicht von denen geschaut werden, die den Star der Hoffart haben; dieses Licht kann von denen nicht berührt werden, die einen Ausschlag an den Händen haben. Denn dieses Licht ist denen sehr verhasst, die gewinnsüchtig sind und ihren eigenen Willen lieben. Daher ist es richtig, dass ehe er umgebettet wird, die Unreinen gereinigt und die Blinden erleuchtet werden.

Aber was den betrifft, den das Volk im Lande heilig nennt, so zeigen drei Dinge, dass er gar nicht heilig ist. Erstens, da er vor seinem Tode nicht das Leben eines Heiligen geführt hat. Zweitens, da er nicht den festen Willen hatte, das Martyrium für Gott zu leiden. Drittens, da er keine brennende und weise Liebe wie ein Heiliger besaß. Es gibt auch drei Gründe, warum er dem Volk heilig scheint. Der erste sind die Lügen falscher und schmeichelhafter Leute. Der andere ist die Leichtgläubigkeit der Unklugen. Der dritte Grund ist die Gewinnsucht der Prälaten und die Nachlässigkeit bei denen, die die Sache untersucht haben. Aber wieweit er in der Hölle oder im Fegefeuer ist, das ist dir nicht erlaubt zu wissen, ehe die Zeit kommt, darüber zu reden.“