8. Kapitel

Ich bin der wahre Herr. Kein Herr ist vornehmer als ich oder war vor mir oder wird es nach mir sein, sondern alle Herrschaft ist von mir oder durch mich. Daher bin ich wahrer Herr, und keiner soll von Rechts wegen außer mir allein Herr genannt werden, denn von mir ist alle Macht. Ich sagte dir vorher, dass ich zwei Diener habe, von denen der eine mannhaft einen lobenswerten Wandel führte und ihn noch mannhafter vollendete; unzählige andere sind ihm danach in dem gleichen Wandel und der gleichen Ritterschaft gefolgt. Nun will ich dir sagen, wer zuerst vom Bekenntnis zu dieser Ritterschaft, die von mir meinem Freund gestiftet wurde, abgefallen ist. Seinen Namen sage ich dir nicht, denn du kennst ihn nicht mit Namen, aber ich will dir zeigen, wie seine Absicht und sein Begehren war.

Einer, der Ritter werden wollte, kam zu meinem Tempel, und als er eintrat, hörte er diese Stimme: „Wenn du Ritter werden willst, musst du diese drei Dinge haben. Erstens musst du glauben, dass das Brot, das auf dem Altar zu sehen ist, wahrer Gott und Mensch ist, der Schöpfer Himmels und der Erde.
Zweitens musst du nach Annahme der Ritterschaft größeren Verzicht auf deinen Willen üben, als wie du vorher gewohnt warst. Drittens darfst du dich um weltliche Ehre kümmern. Ich will dir dann göttliche Freude und ewige Ehre schenken.“

Als er dies hörte und stand und diese drei Dinge überlegte, hörte er in seinem Sinne eine andere, ganz gemeine Stimme, die drei Dinge nannte, die im Gegensatz zu den drei erstens standen. „Wenn du mir dienen willst“, sagte er, „so will ich dir drei andere Dinge schenken. Ich will dich das besitzen lassen, was du siehst, dass du darauf hörst, was dir gefällt, und das erhältst, was du begehrst.“

Als er das hörte, dachte er: „Der erste Herr befiehlt mir, etwas zu glauben, was ich nicht sehe, und verspricht etwas, was ich gar nicht kenne. Er befiehlt mir, mich von den Vergnügungen fernzuhalten, die ich doch begehre und auch sehe. Er befiehlt mir, auf das Unsichere zu hoffen. Der andere dagegen verspricht mir die Ehre der Welt, die ich sehe, und das Vergnügen, das ich begehre; er verbietet mir auch nicht, das Angenehme zu hören und zu sehen. Gewiß, es ist besser für mich, ihm zu folgen, das zu haben, was ich sehe und benutzen kann, und dessen ich sicher bin, als auf das Unsichere zu hoffen.“

Der Mann, der so dachte, begann zuerst, von der wahren Ritterschaft abzuweichen. Er vernachlässigte den wahren Rittereid und brach sein Gelübde. Er warf mir den Schild der Geduld vor meine Füße, und das Schwert der Verteidigung des Glaubens warf er aus seinen Händen und ging so aus meinem Tempel fort.
Die gemeine Stimme sagte zu ihm: „Wenn du, wie ich sagte, mein sein willst, so muß du mit aller Hoffart auf dem Felde und den Straßen vorgehen, und so wie dieser Herr die Seinen aufforderte, in allen Dingen Demut zu üben, so soll keine Art von Prahlsucht dich verlassen. Und so wie dieser mit Gehorsam eintrat, so sollst du nicht dulden, dass jemand höher ist als du, und deinen Scheitel nicht in Demut senken.

Nimm das Schwert zu dem Zweck in die Hände, das Blut deines Nächsten und deines Bruders zu vergießen und sein Eigentum zu erwerben. Setz den Schild auf den Arm zu dem Zweck, dein Leben hinzugeben, um Ehre zu gewinnen. Statt des Glaubens, den dieser hat, sollst du den Tempel deines Körpers lieben, so dass du auf keine Wollust verzichtest, die dir gefällt.“

Auf solche Dinge richtete dieser Mann seinen Willen und seine Absicht, und sein Fürst legte in dem Raum, der dazu bestimmt war, seine Hand auf seinen Nacken. Denn kein Raum schadet einem, wenn sein Wille gut war, oder nützt jemandem, wenn die Absicht schlecht war.
Nachdem die Wort, die seine Ritterschaft bekräftigten, gesagt waren, ging dieser fort und übte seine Ritterschaft mit aller weltlichen Hoffart aus, dass er, der Elend, wenig darauf achtete, dass er jetzt zu mehr als vorher und zu einem strengeren Leben verpflichtet war. Unzählige Ritterscharen folgten und folgen diesem Ritter in Übermut und sinken tiefer in den Abgrund als andere, nachdem sie den Rittereid geschworen hatten.

Aber nun kannst du fragen: Viele wollen auf der Welt erhöht und groß genannt werden, aber sie haben dennoch keine Macht – sollen diese für ihren bösen Willen ebenso hart bestraft werden wie die, die all den Erfolg hatten, den sie wünschten? Darauf antworte ich dir: Wer den vollkommenen Willen hat und tut, was in seiner Macht steht, damit er auf der Welt erhöht werden kann, weltliche Ehre erwerben und mit einem eitlen Namen genannt werden kann, dem es aber auf Grund meines heimlichen Gerichts nicht erlaubt wird, das Ziel seines Willens zu erreichen, wird – das versichere ich dir – für diesen bösen Willen ebenso hart bestraft wie der, der seinen Willen in die Tat umsetzte, sofern dieser Wille nicht durch Buße zurechtgerückt wird.

Siehe, über zwei, die vielen sehr bekannt sind, sage ich dir ein Gleichnis: Einer von ihnen hatte nach seinem Willen Erfolg und gewann fast all das, was er begehrte. Der andere hatte den gleichen Willen, hatte aber keinen Erfolg. Der erste gewann weltliche Ehre, liebte den Tempel seines Leibes in aller Wollust und schaltete und waltete, wie er wollte. In allem, woran er Hand anlegte, hatte er Glück.

Der andere von ihnen war ihm gleich im Willen, aber er hatte weniger Ehre. Er würde das Blut seines Nächsten gern hundertmal vergossen haben, wenn er damit seine Lust zufrieden stellen könnte. Er tat, was er konnte und setzte seinen Willen durch, wie es ihm behagte. Diese beiden leiden dieselbe schreckliche Strafe. Wenn sie auch nicht beide zur selben Zeit und zur selben Stunde gestorben sind, spreche ich doch von der Seele eines einzigen wie von zweien, denn die Verdammnis von beiden ist ein und dieselbe, und bei der Trennung von Körper und Seele und beim Austritt der Seele war die Stimme von beiden ein und dieselbe.

Als die Seele also den Leib verließ, sagte sie zum Körper: „Sag mir, wo ist nun der behagliche Anblick für die Augen, den du mir versprochen hast, wo ist die Wollust, die du mir gezeigt hast, wo sind die angenehmen Worte, die du mir befohlen hast, zu verwenden?“
Der Teufel war sogleich zur Stelle und erwiderte: Der versprochene Anblick ist nur Staub; die Worte sind nichts anderes als Luft, und die Wollust ist bloß Schmutz und Verdorbenheit, das dient dir zu gar nichts.“

Da rief die Seele: „Wehe, wehe – so elend bin ich betrogen! Ich sehe drei Dinge. Ich sehe nämlich, dass er, der mir im Sinnbild des Brotes verheißen wurde, der König und Herr aller Herren ist. Ich sehe, was er versprochen hat, und das ist unaussprechlich und unergründlich. Ich höre nun, dass die Enthaltsamkeit, die er angeraten hat, sehr nützlich gewesen ist.“ Und er rief noch lauter mit dreifachem Weh: „Wehe, sagte er, dass ich geboren wurde! Weh, dass mein Leben auf Erden so lange gedauert hat! Weh mir, denn ich muß im ewigen Tode leben, der niemals enden kann!“

Sieh, welche Elend die Elenden für ihre Gottesverachtung und für das vergängliche Glück erhalten werden! Danke mir dafür, meine Braut (Birgitta), dass ich dich vor einem so großen Elend bewahrt habe! Gehorche meinem Geist und den Auserwählten!“