13. Kapitel

Gottes Mutter spricht zur Braut des Sohnes und sagt: ”Dieser Bischof bittet mich in seiner Liebe. Deshalb soll er das tun, was mir am allerliebsten ist. Ich weiß von einem Schatz, und wer ihn hat, wird niemals arm werden. Wer ihn sieht, wird niemals Trübsal oder den Tod kennen lernen, und wer ihn haben möchte, wird das, was er begehrt, mit jubelnder Freude bekommen.
Dieser Schatz ist in einer festen Burg hinter vier Riegeln verwahrt. Außen an der Burg sind hohe, dicke und große Mauern, und außerhalb der Mauern sind zwei tiefe und breite Gräben. Daher bitte ich ihn, dass er in einem einzigen Sprung über beide Gräben springen soll, mit einem einzigen Schritt über die Mauern steigt, alle Riegel mit einem einzigen Schlage zerbricht und mir so dieses kostbare Kleinod bringt.

Was dies bedeutet, will ich dir sagen. Bei euch wird dies ein Schatz genannt, was selten in Gebrauch genommen und nur selten weggerückt wird. Der Schatz, von dem ich spreche, ist das Wort und die kostbaren Werke meines liebsten Sohnes, die er vor und während seines Leidens getan hat, sowie die erstaunlichen Taten, die er tat, als das Wort in meinem Körper Fleisch wurde, und die er jetzt noch tut, wenn das Brot auf dem Altar täglich in der Kraft von Gottes Wort dasselbe Fleisch wird. All dies ist der kostbarste Schatz, und der ist jetzt so vergessen, dass sich nur sehr wenige daran erinnern und ihn zu ihrer Vervollkommnung anwenden. Der Leib von Gottes ehrenreichem Sohn ruht in einer befestigten Burg, nämlich in der Kraft seiner Göttlichkeit. Denn so wie eine Burg gegen Feinde Schützt, so schützt die Macht der Gottheit meines Sohnes den Leib seiner Menschlichkeit, dass kein Feind ihm schaden kann.

Die vier Riegel sind vier Sünden, die von der Teilnahme und der Güte der Kraft des Leibes Christi ausgeschlossen sind. Der erste ist der Hochmut und die Lust auf weltliche Ehre. Der zweite ist die Lust auf weltliche Besitztümer. Der dritte ist das schmähliche Begehren, den Leib unmäßig mit Unzucht und Schwelgerei zu füllen. Der vierte ist der Zorn, der Neid und die Gleichgültigkeit für die eigene Erlösung.
Viele lieben diese vier und haben sie als Gewohnheit, und daher sind sie weit von Gott getrennt. Denn sie sehen und empfangen Gottes Leib (im Abendmahl), aber ihre Seelen sind so fern von Gott wie Diebe, die stehlen möchten, aber an das begehrte Gut wegen der starken Riegel nicht herankönnen. Deshalb sagte ich, dass er die Riegel mit einem einzigen Schlag zerbrechen sollte.

Der Schlag bedeutet der Eifer für die Seelen, indem dieser Bischof sozusagen die Sünden mit Taten der Gerechtigkeit und mit göttlicher Liebe zerbrechen soll, so dass der Sünder, wenn die Riegel seiner Laster zerbrochen sind, an diesen kostbaren Schatz herankommen kann. Und wenn er auch nicht alle Sünder zu schlagen vermag, so soll er doch tun, was er kann, und vor allem die Menschen züchtigen, die ihm Untergeben sind. Dabei soll er nicht Hoch oder Niedrig, Vettern oder Verwandte, Freunde oder Feinde schonen.

So handelte der heilige Thomas von England, der um seiner Gerechtigkeit willen viele Verfolgungen ausstand und zum Schluss einen gewaltsamen Tod erlitt, weil er nicht darauf verzichtete, die Betreffenden mit dem kirchlichen Recht zu schlagen, damit ihre Seelen eine geringere Strafe leiden sollten. Dem Leben dieses Mannes soll der Bischof folgen, so dass alle, die ihn hören, verstehen können, dass er sowohl seine eigenen Sünden als auch die von anderen hasst. Da soll ein solcher Schlag des göttlichen Eifers hoch über allen Himmeln, bis hinauf zu Gott und seinen Engeln gehört werden, dass viele sich bekehren und bessern werden, indem sie sagen: „Er hasst nicht uns, sondern unsere Sünden; wollen wir uns also bekehren und Gottes und seine Freude werden.“

Die drei Mauern, die die Burg umgeben, sind drei Tugenden. Die erste besteht darin, das aufzugeben, was amüsant für den Leib ist, und Gottes Willen zu tun. Die zweite besteht darin, um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen lieber Schmähungen und Schaden zu erdulden, als weltliche Ehre und weltliches Eigentum zu haben, aber die Wahrheit zu verleugnen. Die dritte besteht darin, weder das Leben noch seine Güter zur Erlösung eines Christen zu schonen, wer immer es auch sei.

Aber pass auf, was der Mensch jetzt tut. Er meint, dass diese Mauern so hoch sind, dass er sie auf keine Weise übersteigen kann. Deshalb naht sich das Herz der Menschen diesem ehrenreichen Leibe (Christi) nicht beharrlich, und auch nicht ihre Seelen, denn die sind fern von Gott. Deshalb bat ich meinen Freund, dass er mit einem einzigen Schritt über die Mauern steigen sollte.
Ihr nennt das einen Schritt machen, wenn man die Füße weit voneinander setzt, um den Körper schnell vorwärts zu bringen. So ist es auch mit einem geistlichen Schritt. Wenn der Leib auf der Erde, aber die Liebe des Herzens im Himmel ist, da werden diese drei Mauern überstiegen, denn dann gefällt es dem Menschen in der Betrachtung des Himmlischen, seinen eigenen Willen aufzugeben, Widerstand und Verfolgung um der Gerechtigkeit willen zu erdulden und sogar für Gottes Ehre willig zu sterben.

Die beiden Gräben außerhalb der Mauern sind die Schönheit und die Nähe der Welt sowie das Vergnügen durch weltlich gesinnte Freunde. In diesen Gräben halten sich viele sehr gern auf und kümmern sich nie darum, Gott im Himmel sehen zu dürfen. Die Gräben sind breit und tief; breit, weil das Wollen solcher Menschen weit von Gott entfernt ist; tief, weil sie viele in der Tiefe der Hölle festhalten. Deshalb müssen diese Gräben mit einem einzigen Sprunge übersprungen werden. Was beinhaltet die geistliche Hoffnung anderes, als sein ganzes Herz von dem zu trennen, was nichtig ist, und vom Irdischen ins Himmelreich „zu springen“?

Sieh, nun habe ich dir gezeigt, wie die Riegel zerbrochen und die Mauern überstiegen werden; Jetzt will ich zeigen, wie der Bischof mir dieses kostbare Ding, was es je gegeben hat, überreichen soll. Die Gottheit war und ist von Ewigkeit und ohne Anfang, denn man kann weder einen Anfang noch ein Ende darin finden. Die Menschengestalt dagegen war in meinem Leib und nahm Fleisch und Blut von mir an. Daher ist die Menschengestalt (Christi) das Kostbarste, was je gewesen ist und ist.

Wenn daher die Seele des Gerechten mit Liebe Gottes Menschengestalt in sich aufnimmt, und Gottes Leib die Seele erfüllt, so ist da das kostbarste, was es je gegeben hat. Denn obwohl die Gottheit drei Personen ohne Anfang und ohne Ende in sich birgt, nahm der Sohn doch seinen gesegneten Leib von mir an, als ihn der Vater mit der Göttlichkeit und dem Heiligen Geist zu mir sandte.

Aber jetzt will ich demselben Bischof zeigen, wie er dem Herrn diese kostbarste Sache überbringen soll. Wo immer Gottes Freund einen Sünder findet, in dessen Worten sich nur eine geringe Liebe zu Gott und eine große Liebe zur Welt findet, da ist die Seele leer von Gott, und deshalb sollte Gottes Freund Liebe zu Gott haben und betrübt darüber sein, dass die Seele, die doch mit dem Blut des Schöpfers erlöst ist, kein Freund Gottes ist, und er sollte sich über die elende Seele erbarmen und gleichsam zwei Stimmen haben, mit denen er Gott bittet, sich über die Seele zu erbarmen, und eine andere, mit der er der Seele ihre Gefahr zeigt.

Wenn er diese beiden, Gott und die Seele vereinen, und sie zu einem machen kann, dann überbringt er mit seinen liebevollen Händen Gott die größte Kostbarkeit. Denn wenn Gottes Leib, der in mir war, und die Seele des Menschen, die von Gott geschaffen ist, in der Einheit der Freundschaft zusammenkommen, so ist dies das, was mir am allerliebsten ist. Und das ist nicht verwunderlich, denn ich war zugegen, als mein Sohn, dieser ehrenvolle Ritter, aus Jerusalem hinausging, um den Kampf zu kämpfen, der so hart und schwer war, dass sich alle Sehnen in seinen Armen dehnten, sein Rücken blau und blutig wurde, seine Füße von Nägeln durchbohrt wurden, seine Augen und Ohren mit Blut gefüllt wurden, sein Hals niedergebeugt wurde, als er den Geist aufgab, und sein Herz von der Lanzenspitze durchbohrt wurde.

So gewann er die Seelen mit dieser großen Pein, und nun thront er in Herrlichkeit und steckt seine Arme nach den Menschen aus, aber es gibt sehr wenige, die ihm die Braut bringen. Daher sollte Gottes Freund nicht das Leben oder seine Güter behalten, sondern anderen seine Hilfe reichen und sie meinem Sohn überbringen.

Sag demselben Bischof ferner, dass – wenn er mich zu seinem lieben Freund heben will, so will ich ihm meine Treue schenken und mich mit ihm durch ein einziges Band verbinden. Gottes Leib, der in mir war, soll nämlich seine Seele mit großer Liebe in sich aufnehmen, so dass, wie der Vater mit dem Sohne in mir war, der meinen Leib und meine Seele in sich barg, und wie der Heilige Geist, der im Vater und im Sohne ist, immer mit mir war und auch meinen Sohn in sich hatte – so soll auch mein Diener durch denselben Geist gebunden sein.

Denn wenn er Gottes Pein liebt und seinen Leib zutiefst im Herzen hat, dann soll er auch Christi Männlichkeit besitzen, die er die Gottheit in sich und nach außen hat, und Gott wird in ihm sein und er in Gott, so wie Gott in mir ist, und ich in ihm. Wenn mein Diener und ich einen Gott haben, dann haben wir auch ein Liebesband: Den Heiligen Geist, der ein Gott mit dem Vater und dem Sohne ist.
Füge noch ein Wort hinzu. Wenn dieser Bischof sein Gelübde an mich hält, werde ich ihm helfen, solange er lebt. Am letzten Tage seines Lebens will ich ihn beschützen und ihm beistehen und seine Seele zu Gott führen und sagen: „O mein Gott, dieser Mann hat dir gedient und mir gehorcht; deshalb führe ich dir seine Seele zu.“

O Tochter, woran denkt wohl der Mensch, der seine Seele verachtet? Hätte Gott Vater mit seiner unfassbaren Gottheit seinen unschuldigen Sohn eine so harte Pein in seiner Menschengestalt leiden lassen, wenn er nicht dieses tiefe Verlangen und die Sehnsucht nach den Seelen gehabt hätte und ihnen diese ewige Ehre hätte bereiten wollen?“

Diese Offenbarung handelt von einem Bischof in Linköping, der später Erzbischof wurde. Über denselben liest man in Buch VI, Kap. 22, das beginnt: „Dieser Prälat.“ Von diesem handelt auch die Stelle.

Zusatz
„Der Bischof, über den du weinst, kam in ein leichtes Fegefeuer. Daher sollst du überzeugt sein, dass – obwohl er viele Gegner auf der Welt hatte, diese ihr Urteil empfangen haben, er bei mir für seinen Glauben und seine Reinheit geehrt werden soll.“