16. Kapitel

Der Sohn spricht zur Braut und sagt: ”Was glaubst du, ist die Ursache, dass dir diese beiden (Männer) gezeigt werden? Etwa deshalb, weil ihre Sünde und ihr Verderben Gott gefallen? Keineswegs. Das geschieht stattdessen deshalb, damit Gottes Geduld und Ehre desto offenbarer werden, und die Hörer Gottes Gericht fürchten.

Aber komm nun und höre etwas Seltsames! Der jüngere Bischof fragt den Älteren und sagte: „Höre mich, Bruder, und antworte mir! Du warst ja zum Joch des Gehorsams verpflichtet; warum hast du das aufgegeben? Du hast ja doch die Armut und das Klosterleben gewählt – warum hast du die verlassen? Als du ins Kloster gegangen bist, hast du ja gezeigt, dass du für die Welt tot warst; warum hast du dich dann nach dem Bischofsamt gesehnt?“
Der Ältere erwiderte: „Der Gehorsam der mich lehrte, untertänig zu sein, fiel mir schwer, und deshalb sehnte ich mich nach Freiheit. Das Joch, von dem Gott sagt, dass es lieblich sei, wurde mir bitter, und daher suchte und wählte ich die leibliche Ruhe. Die Demut bei mir war vorgetäuscht, und daher begehrte ich die Ehre. Und weil es besser ist, zu fahren als zu ziehen, begehrte ich das Bischofsamt.“

Der Jüngere fragte von neuem: „Warum hast du deinen Bischofsstuhl mit weltlicher Ehre geschmückt? Warum hast du durch weltliche Klugheit keine Reichtümer gesammelt? Warum hast du das, was du hattest, nicht nach den Begriffen weltlicher Ehre verwaltet? Warum hast du dich äußerlich so erniedrigt, und warum wurdest du nicht von weltlichem Ehrgeiz angetrieben?
Der Ältere gab zur Antwort: „Ich habe meinen Bischofsstuhl nicht mit weltlicher Ehre geschmückt, weil ich hoffte, dann noch mehr geehrt zu werden, wenn ich demütig und geistlich gesinnt auftreten würde, als wenn ich weltlich gesinnt erscheinen würde.

Und damit ich von weltlichen Menschen gelobt würde, wollte ich so scheinen, als ob ich alles verschmähen würde, aber damit ich von den geistlich Gesinnten geliebt würde, zeigte ich mich demütig und fromm. Ich habe es also unterlassen, mit weltlicher Klugheit Reichtümer zu sammeln, damit geistliche Männer nicht an mir herumnörgeln und mich wegen meiner Weltlichkeit verachten würden. Ich habe auch nicht freigebig Geschenke gemacht, weil ich es meiner Bequemlichkeit wegen vorzog, mit wenigen Menschen zusammen zu sein, statt mit vielen. Und es machte mir mehr Freude, wenn ich etwas Gold im Kasten hatte, als eigenhändig etwas auszugeben.“

Wieder fragte der Jüngere: „Sag mir, warum gabst du einem Esel aus dem unreinen Bottich ein köstliches und angenehmes Getränk? Warum gabst du dem Bischof Unrat aus dem Schweinetrog? Warum hast du deine Krone mit Füßen getreten? Warum hast du den Weizen ausgespuckt und stattdessen Unkraut gekaut? Warum hast du andere von ihren Stricken befreit, aber dich selbst mit Fußfesseln gebunden? Warum brachtest du für anderer Leute Wunden Medizin, aber deine eigenen Wunden hast du noch verschlimmert.

Der Ältere antwortete: „Ich gab dem Esel einen köstlichen Trank aus dem unreinen und verachteten Bottich, denn nachdem ich literarisch gebildet war, dachte ich mehr daran (und damit glaubte ich, weltliche Ehre zu erhalten), die heiligen Sakramente an den Altären zu handhaben, als mich mit weltlichen Sorgen und Kümmernissen zu befassen. Und weil den Menschen mein heimliches Leben unbekannt war, aber bekannt für Gott, wurde ich von einer gewaltigen Vermessenheit ergriffen und habe so Gottes Gerechtigkeit und sein schreckliches Gericht über mich verschlimmert.

Zweitens sage ich dir, dass ich dem Bischof Unrat aus dem Schweinetrog gegeben habe, denn ich stellte die Lust meiner Natur zufrieden und ließ ihr freien Lauf, war aber in der Enthaltsamkeit nicht standhaft. Drittens erwidere ich, dass ich die Bischofskrone unter die Füße gesetzt habe, denn es gefiel mir mehr, im Hinblick auf die Gunst der Menschen Barmherzigkeit zu üben, als für Gottes Ehre und Liebe Gerechtigkeit walten zu lassen.

Viertens sage ich, dass ich den Weizen ausgespuckt und Stroh gekaut habe, denn ich habe Gottes Wort nicht aus Liebe zu Gott verkündet, und es leuchtete mir nicht ein, selbst das zu tun, was ich andere zu tun lehrte. Zum Fünften antworte ich, dass ich mich selbst gebunden habe, als ich andere befreite, denn ich befreite die, die mit Reue zu mir kamen, aber das, was sie reuevoll beweinten und weinend zugaben, das gefiel mir, es sogar noch zu vollenden.

Zum sechsten antworte ich, dass ich andere mit heilendem Öl gesalbt habe, aber mich selbst mit tödlichem Gift, denn indem ich einen reinen Wandel lehrte, besserte ich andere, aber verschlechterte mich selbst; für das, was ich anderen vorschrieb, wollte ich nämlich selber keinen Finger rühren. Und daher erschlaffte, verdorrte ich in dem, wobei ich andere genesen sah, denn es gefiel mir mehr, den begangenen Sünden noch mehr Sündenlast aufzubürden, als sie durch Besserung zu erleichtern.“
Danach hörte man eine Stimme, die sagte: „Danke Gott, dass du nicht auch zu diesen giftgefüllten Bottichen gehörst, die, wenn sie zerbrochen werden, selbst zu Gift werden.“ Und da wurde gleich verkündet, dass der eine von diesen (Bischöfen) tot sei.