17. Kapitel

Weiter spricht Gottes Mutter zur Braut, indem sie sagt: ”Ich habe gestern zu dir über zwei (Männer) gesprochen, die der Regel von Sankt Dominicus angehörten. Sicher hatte dieser Dominicus meinen Sohn zu seinem liebsten Herrn, und mich, seine Mutter, liebte er mehr, als sein eigenes Herz. Diesem Heiligen zeigte mein Sohn, dass es drei Dinge auf der Welt gab, die ihm missfielen, nämlich der Hochmut, die Gewinnsucht und das fleischliche Begehren.

Der heilige Dominicus bewirkte mit tiefen Seufzern Hilfe und Mittel zur Verminderung dieser drei Dinge, und Gott erbarmte sich über seine Tränen und gab ihm ein, ein Gesetz und eine Lebensregel zu verfassen, in der dieser Heilige drei gute Dinge als Mittel gegen drei böse Dinge auf Erden festlegte. Denn als Mittel gegen die Lust der Gewinnsucht bestimmte er, nichts zu besitzen, außer mit Einwilligung seines Priors.
Gegen den Hochmut legte er fest, eine demütige und schlichte Tracht zu haben. Gegen die unmäßige Gier des Fleisches bestimmte er Enthaltsamkeit und eine bestimmte Zeit, sich zu beherrschen. Er verordnete für die Brüder auch einen Prior, der darauf achten sollte, dass Frieden gehalten und über die Einigkeit gewacht werden soll.

Ferner wollte er seinen Brüdern ein geistliches Zeichen geben und drückte ihnen durch seine Lehre und die Kraft seines Beispiels sozusagen ein geistliches, rotes Kreuz unter ihren linken Arm am Herzen, indem er sie lehrte und ermahnte, sich beständig an Gottes Leiden zu erinnern und eifrig Gottes Wort zu predigen – nicht der Welt zuliebe, sondern aus Liebe zu Gott und den Seelen.
Er lehrte sie auch, lieber untertänig sein zu wollen, als zu herrschen, den eigenen Willen zu hassen, geduldig Schmähungen zu ertragen und nach nichts anderem zu trachten, als nach Nahrung und Kleidern, die Wahrheit von Herzen zu lieben und sie mit dem Mund zu verkünden, nicht eigenes Lob zu suchen, sondern immer Gottes Wort auf den Lippen zu haben und es zu lehren, es nicht aus Furcht zu verschweigen, oder es nur um Menschengunst willen zu sagen.

Als die Zeit seiner (geistlichen) Verlobung nahte, die mein Sohn ihm im Geist gezeigt hatte, kam er unter Tränen zu mir, seiner Mutter, und sagte: „Oh Maria, Himmelskönigin, du, die Gott zur Hilfe bei der Vereinigung seiner Gottheit und Menschlichkeit erwählte, du bist die makellose Jungfrau und die allerwürdigste, makellose Mutter, du bist die Übermächtige, aus der die Gottesmacht hervorging.

Höre mich, der zu dir betet! Ich fliehe zu dir, weil ich weiß, dass du am allermächtigsten bist. Nimm meine Brüder an, die ich unter meinem engen Skapulier aufgezogen und genährt habe, und beschütze sie unter deinem weiten Mantel. Lenke und erquicke sie, so dass der alte Feind nicht Macht über sie gewinne, und dass er den neuen Weinberg nicht verderben kann, denn die rechte Hand deines Sohnes gepflanzt hat.

O meine Frau, was meine ich mit dem engen Skapulier, das aus einem Kleidungsstück für die Brust und einem anderen für den Rücken besteht, anders als die doppelte Art, in der ich meine Brüder gesehen habe? Ich hatte ja Tag und Nacht Sorge um sie, wie sie Gott mit vernünftiger und löblicher Gemessenheit dienen würden, und ich habe auch für sie gebetet, dass sie nichts von der Welt begehren sollten, was Gott missfällt, oder ihren Ruf von Demut und Frömmigkeit bei ihren Nächsten beflecken würde. Nachdem die Stunde meiner Belohnung nun bevorsteht, überlasse ich dir meine Brüder; Unterweise sie wie Söhne und beschütze sie, wie eine Mutter.“

Nach diesen und anderen Worten wurde Dominicus zu Gottes Ehre berufen. Ich antwortete ihm so, indem ich in einem Gleichnis redete: „O Dominicus, geliebter Freund, nachdem du mich mehr geliebt hast, als dich selbst, will ich jetzt deine Söhne, unter meinem weiten Mantel verteidigen und lenken, und alle, die deiner Regel treu bleiben, sollen erlöst werden. Mein weiter Mantel ist meine Barmherzigkeit, die ich niemandem verweigere, der darum bittet; alle, die bitten, werden im Schoß meiner Barmherzigkeit Schutz bekommen.“

Was glaubst du nun, meine Tochter, was die Regel des Dominicus ist? Sicher Demut, Enthaltsamkeit und Weltverachtung. Die, die diese drei Tugenden annehmen, in ihnen beharren und sie lieben, sollen niemals verdammt werden, und es sind diese, die die Regel des hl. Dominicus einhalten.
Aber nun höre etwas Seltsames! Dominicus übergab seine Söhne unter meinen weiten Mantel, uns siehe, es ist unter meinem weiten Mantel nun mehr Platz, als es unter seinem engen Skapulier war. Doch hatten zu Dominicus Lebzeiten nicht einmal alle seine Schafwolle und seine Sitten.

Durch ein Gleichnis will ich dir ihre Sitten besser zeigen. Wenn Dominicus aus der Himmelshöhe, wo er jetzt wohnt, herabsteigen und zu dem Diebe sagen würde, der sich aus dem Tal hervorschleicht und die Schafe besieht, um sie zu schlachten und sie zu vernichten: „Warum rufst du zu meinen Schafen und führst sie weg, wenn ich durch die deutlichsten Zeichen weiß, dass sie mir gehören? So könnte der Dieb antworten: „Warum, Dominicus, erhebst du Anspruch auf etwas, was dir nicht gehört? Du tust ja unrechtmäßig Gewalt, dir etwas anzueignen, was anderen gehört.“

Wenn Dominicus erwidern würde, er habe sie aufgezogen, gezähmt, geleitet und gelehrt, würde der Dieb sagen; „Wenn du sie aufgezogen und belehrt hast, so habe ich sie mit lieblichen, schmeichlerischen Worten zu ihrem eigenen Willen zurückgeführt. Wenn du für sie das Milde mit dem Strengen vermischt hast, so habe ich sie schmeichelnder gelockt und ihnen gezeigt, was sie mehr erfreut – und siehe, nun laufen mehrere meiner Stimme und meinem Futter nach. Und daher kenne ich die Schafe als die meinen an, die mir williger folgen, denn sie haben ihren freien Willen, dem zu folgen, der sie lockt.“

Wenn Dominicus nun entgegnen würde, dass seine Schafe mit einem roten Zeichen im Herzen gekennzeichnet wären, würde der Dieb sagen: „Meine Schafe sind mit meinem Zeichen versehen, das im rechten Ohr bei ihnen eingeschnitten ist, und nachdem mein Zeichen besser sichtbar und deutlicher als deines ist, so erkenne ich sie als meine Schafe.“

Dieser Dieb ist der Teufel, der sich viele Schafe von Dominicus angemaßt hat, die ein Zeichen im rechten Ohr tragen, weil sie nicht die Worte des Lebens hören, die sagen, dass der Weg zum Himmelreich Schmal ist, sondern die begierig auf das hören, was sie gern haben. Aber die Schafe von Dominicus sind wenige, die das rote Zeichen im Herzen tragen, das sich mit Liebe an Gottes Pein erinnert, eifrig Gottes Wort predigt und ein heiliges Leben in aller Keuschheit und Armut führen.

Denn das ist die Regel von Dominicus, wie man zu sagen pflegt: All sein Hab und Gut auf dem Rücken zu tragen, nichts besitzen zu wollen, was die Regel nicht erlaubt, das Überflüssige nicht nur aufzugeben, sondern manchmal auch auf das zu verzichten, was zulässig und notwendig ist, um das Fleisch zu beherrschen.“