26. Kapitel

Der Sohn spricht: ”Ich bin der Schöpfer Himmels und der Erde, eins mit dem Vater und dem Heiligen Geist, wahrer Gott. Denn Gott ist der Vater, Gott ist der Sohn, Gott ist der Heilige Geist, und doch nicht drei Götter, sondern drei Personen, und ein Gott. Aber nun könntest du fragen: Warum sind es nicht drei Götter, wenn es drei Personen sind? Ich antworte dir, dass Gott nichts anderes ist als die Macht, die Weisheit und die Güte, von der alle Macht unter und über dem Himmel und außerdem alle Weisheit und alle Güte stammt, die man sich denken kann.

So ist Gott dreifaltig und doch einer, drei an Personen, aber eine nach der Natur. Denn die Macht und Weisheit, die ist der Vater, von dem alles ist, und der vor allem ist, und er hat die Macht von keinem anderen, als von sich selber und in Ewigkeit. Macht und Weisheit sind auch der Sohn, ebenso wie der Vater, nicht von sich selbst aus mächtig, sondern vom Vater in mächtiger und unaussprechlicher Weise geboren, Anfang vom Anfang, und niemals irgendwie vom Vater getrennt.

Macht und Weisheit sind auch der Heilige Geist, der vom Vater und dem Sohne ausgeht, der ewig mit dem Vater und dem Sohn ist und ihnen gleich an Majestät und Macht. Es ist also ein Gott und drei Personen, denn die drei haben eine Natur, eine Wirksamkeit und einen Willen, eine Ehre und Macht.
Gott ist einer nach seinem Wesen, und doch sind die Personen getrennt. Denn der Vater ist ganz und gar im Sohn und Geist, der Sohn ist ganz und gar im Vater und im Geist, der Geist ist ganz und gar in ihnen beiden, in einer einzigen Gottesnatur, nicht als ob einer früher oder später wäre, sondern auf unaussprechliche Weise. Da gibt es kein Früher oder Später, nichts Größeres oder Kleineres als das Andere, nichts auf andere Weise, sondern alles ist unaussprechlich und gleich. Deshalb steht mit Recht geschrieben, dass Gott wunderbar und hoch zu loben ist.

Nun muss ich aber darüber klagen, dass ich für viele wenig gelobt werde und unbekannt bin, denn alle suchen ihren eigenen Willen, aber wenige suchen meinen. Aber sei du standhaft und demütig und überhebe dich nicht in deinen Gedanken, wenn ich dir Gefahren von anderen zeige, und verrate ihren Namen nicht, sofern ich es dir nicht befehle. Es gereicht ihnen nicht zur Schande, wenn dir ihre Gefahren gezeigt werden, sondern damit sie sich bekehren und Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit kennen lernen.
Und du sollst ihnen nicht wie Verdammten aus dem Wege gehen, denn wenn ich dir auch heute sage, dass einer höchst erbärmlich ist, so bin ich doch bereit, ihm zu vergeben, wenn er mich morgen mit Zerknirschung und dem Willen anruft, sich zu bessern. Und von dem, von dem ich gestern sagte, dass er höchst niederträchtig ist, so sage ich doch heute, dass er mein liebster Freund wegen seiner Zerknirschung ist, ja so lieb, dass – wenn seine Zerknirschung von Dauer ist – ich ihm nicht nur die Sünde verzeihen, sondern ihm auch die Sündenstrafe erlassen will.

Du wirst dies durch ein Gleichnis verstehen. Wenn zwei Quecksilberkugeln schnell aufeinander stoßen und nicht mehr als eine Haaresbreite bei ihrer Vereinigung fehlt, so wäre Gott doch imstande, zu bewirken, dass sie sich nicht vereinigen. Ebenso würde ein Sünder, wenn er noch so fest in teuflischen Taten verwurzelt wäre, doch Vergebung und Barmherzigkeit empfangen, wenn er Gott mit Zerknirschung und dem Willen, sich zu bessern, anrufen würde.
Aber nun könntest du fragen, wo ich so barmherzig bin, warum ich mich nicht über die Heiden und Juden erbarme, von denen doch manche für Gott sterben würden, wenn sie im rechten Glauben unterwiesen würden.

Ich antworte dir, dass ich allen Barmherzigkeit erweise, sowohl Heiden als auch Juden, und dass nicht ein Geschöpf ohne meine Barmherzigkeit gelassen wird. Denn die, die hören, dass ihr Glaube nicht der wahre ist, und eifrig nach dem wahren Glauben trachten, und die, die meinen, dass der Glaube, den sie haben, der beste sei, weil ihnen nie etwas anderes gepredigt wurde, und die mit aller Kraft tun, was sie können, deren Gericht wird mit einer gewissen Barmherzigkeit erfolgen. Denn das Gericht ist zweifach – nämlich für die, die verdammt werden und für die, die erlöst werden sollen.

Die Christen, die verurteilt werden, erhalten ein Gericht ohne Erbarmen: Ewige Pein, ewige Finsternis und ein gegen Gott verhärteter Wille. Das Gericht derer, die erlöst werden sollen, wird dagegen sein: Der Anblick Gottes, die Verherrlichung in Gott, und für Gott Gutes zu tun. Davon sind die Bösen und die falschen Christen so wie die Heiden und Juden ausgeschlossen, die, obwohl sie nicht den rechten Glauben hatten, doch ihr Gewissen für den Richter hatten, und glaubten, dass er, den sie verehrten und erzürnten, Gott war.

Die Heiden und Juden dagegen, deren Wille und Tun gerecht und gegen die Sünde gerichtet war, die sollen ebenso wie die weniger schlechten Christen ein barmherziges Gericht in ihren Strafen erhalten, weil sie die Gerechtigkeit liebten und die Sünde hassten. Aber sie werden nicht die Freude erhalten, Gott und seine Herrlichkeit zu schauen; die können sie nicht sehen, weil sie nicht getauft sind, denn ein zeitlich begrenztes Urteil Gottes hat sie zurückgehalten, so dass sie die Erlösung nicht auf fruchtbare Weise suchen und erhalten. Aber wenn sie nichts gehindert hat, den wahren Gott zu suchen und getauft zu werden, sind sie vielleicht weder aus Furcht oder Mühe, weder durch Verlust von Eigentum und Ehre zurückgehalten, sondern nur durch das Hindernis, das die menschliche Schwachheit darstellt.

Deshalb werde ich, der den Cornelius und den Zenturio gesehen hat, ehe sie getauft wurden, diese reichlicher und vollständiger zu belohnen wissen, wie ihr Glaube es erfordert. Denn das eine ist die Unkenntnis des Bösen, etwas anderes die Unkenntnis der Frömmigkeit und Schwierigkeit. All das kann Gott beurteilen, er, der alle Herzen kennt.
Ich, der ohne Anfang ist, von Ewigkeit her geboren und von neuem auf zeitliche Art geboren ist, als die Zeit vollendet war, ich wusste ja von Anfang an, die Verdienste aller zu belohnen, und ich gebe einem jeden nach seinem Verdienst. Nicht einmal das geringste Gute, das zu Gottes Ehre getan wird, wird unbelohnt bleiben. Daher sollst du Gott vielmals danken, weil du von christlichen Eltern und zur Zeit der Erlösung geboren bist, denn viele haben es ersehnt, das zu sehen und zu empfangen, was den Christen angeboten wird, und haben es doch nicht erhalten.“