10. Kapitel

Gottes Sohn spricht die Worte und sagt: „O Rom, für meine vielen Wohltaten gibst du mir eine schlechte Vergeltung. Ich bin Gott, der alles geschaffen hat, und der meine unendlich Liebe durch den schweren, grausamen Tod meines Leibes offenbart hat, den ich freiwillig zur Erlösung der Seelen erlitten habe. Es gibt drei Wege, und auf denen wollte ich zu dir gehen, aber du wolltest mich wahrhaftig auf ihnen allen verraten.

Auf dem ersten Weg hängest du einen großen Stein über mein Haupt, damit er mich vernichten sollte. Auf den zweiten Weg setztest du einen scharfen Speer, der mich daran hindern sollte, zu dir hin zu kommen. Auf dem dritten Weg grubst du eine Grube, damit ich unvorsichtig darin hineinfallen sollte und so erstickt würde.
Aber das, was ich jetzt sage, darf nicht wörtlich, sondern geistlich verstanden werden. Ich spreche ja zu den Einwohnern Roms, die so etwas machen, aber nicht zu meinen Freunden, die nicht ihren Taten folgen. Der erste Weg, auf dem ich zum Herzen des Menschen komme, ist die wahre Gottesfurcht, und darüber hängte der Mensch einen gewaltigen Stein, nämlich die große Vermessenheit des harten Herzens, in der er nicht den Richter fürchtet, dem niemand widerstehen kann, sondern er denkt in seinem Herzen: „Wenn die Gottesfurcht zu mir kommt, wird die Vermessenheit meines Herzens sie vernichten.“

Der zweite Weg, auf dem ich komme, ist die Eingebung des göttlichen Rates, die auch oft durch Predigt und Lehre kommt. Auf diesem Wege setzt der Mensch einen Speer gegen mich, wenn er sein Vergnügen daran findet, gegen meine Gebote zu sündigen und sich fest vornimmt, in seinen Sünden zu verharren, bis er nicht länger in der Lage ist, sie zu betreiben. Das ist tatsächlich der Speer, der Gottes Gnade daran hindert, zu ihm zu kommen.
Der dritte Weg ist die Erleuchtung jedes Menschenherzens durch den Heiligen Geist. Dadurch kann der Mensch verstehen und erwägen, wie viel ich für ihn getan habe, und welch schwere Leiden ich um seinetwillen auf mich genommen habe. Auf diesem Wege gräbt er mir eine tiefe Grube, indem er in seinem Herzen sagt: „Das gefällt mir, das ist mir lieber, als seine Liebe. Für mich reicht es nämlich, an die Dinge zu denken, an denen ich in diesem Leben Freude habe.“ Und so erstickt der Mensch die göttliche Liebe mit meinen Taten, wie in einer tiefen Grube.

Die Bewohner Roms tun mir in Wahrheit all dies an und zeigen das fürwahr mit Wort und Tat. Sie halten meine Worte und Taten für nichts und schmähen mich, meine Mutter und meine Heiligen, sowohl im Scherz als auch im Ernst, in Freude wie im Zorn, und bereiten uns Schimpf an Stelle von Danksagung. Sie leben gewiss nicht nach der Sitte der Christen, wie es die heilige Kirche lehrt, denn sie haben keine größere Liebe zu mir als die Teufel, die lieber ihr Elend und ihre Bosheit in Ewigkeit ertragen wollen, als mich zu schauen und bei mir in ewiger Ehre zu wohnen.
So sind vor allem die, die meinen Leib nicht annehmen wollen, der auf dem Altar in Brot verwandelt wird, wie ich es selbst bestimmt hatte. Ihn anzunehmen, hilft am allermeisten gegen die Versuchung des Teufels.

O wie unglücklich sind doch die, die – solange sie gesund sind – eine solche Hilfe verschmähen und verabscheuen, als wäre sie etwas Schlimmeres als Gift, nachdem sie sich nicht von ihren Sünden trennen wollen! Nun komme ich deshalb auf einem für sie unbekannten Wege mit der Macht meiner Göttlichkeit, um Rache an denen zu nehmen, die meine Menschlichkeit verachten.

Und so wie sie auf ihren Wegen drei Hindernisse für mich bereitet haben, so dass ich nicht zu ihnen kommen kann, so werde ich ihnen drei andere Dinge bereiten, deren Bitterkeit Lebende und Tote vernehmen und schmecken sollen. Mein Stein ist ein plötzlicher und unvorhergesehener Tod, der sie so vernichten wird, dass alles, an dem sie Vergnügen hatten, hier unten verbleiben soll, und die Seele allein gezwungen wird, zu meinem Richterstuhl zu kommen.

Mein Speer ist meine Gerechtigkeit, die sie so weit fort von mir jagen wird, dass sie niemals meine Schönheit sehen, die sie erschaffen hat. Meine Grube ist die Finsternis der Hölle, in die sie fallen werden, um dort in ewiger Qual zu leben. Alle meine Engel im Himmel und alle Heiligen werden sie verurteilen, und die Teufel und alle Seelen in der Hölle werden sie verdammen.

Mit ihnen bezeichne ich und von ihnen sage ich dies, die so beschaffen sind, wie oben gesagt ist, ob es Ordenspriester, Weltpriester, Laien oder deren Frauen, Söhne oder Töchter sind, die ein solches Alter erreicht haben, dass sie verstehen, dass Gott alle Sünden verboten hat, und die sich trotzdem freiwillig in Sünden verstricken, indem sie die Gottesliebe ausschließen und die Gottesfurcht geringachten.
Doch habe ich noch denselben Willen wie damals, als ich am Kreuze hing. Ich bin derselbe, der ich war, als ich dem Räuber, der um Barmherzigkeit bat, alle seine Sünden verzieh und ihm die Pforten des Himmels öffnete; aber für den anderen Räuber, der mich verachtete, den Zaun der Hölle offenließ; Dort soll er ewig für seine Sünden gepeinigt werden.