12. Kapitel

Die Mutter sagt: „Gottes Freunde sollen auf dieser Welt manchmal geistliche Trübsal, manchmal geistliche Freude erleben. Die geistliche Freude ist die Eingießung des Heiligen Geistes, die Betrachtung von Gottes großem Werk und die Bewunderung seiner Geduld, und wie all dies so lieblich in der Tat vervollkommnet wird.

Geistliche Trübsal ist es, wenn unreine und unerwünschte Gedanken den Sinn wider Willen beunruhigen, wenn die Sinne sich über Gottes Entehrung und den Schaden der Seelen ängstigen, und wenn die Seele aus vernünftiger Ursache gezwungen wird, sich in zeitliche Sorgen und Kümmernisse einzulassen. So dürfen Gottes Freunde auch manchmal eine zeitliche Freude erfahren, d.h. erbauliche Worte, ehrbares Spiel oder andere Dinge, in denen nichts Tadelnswertes oder Unpassendes ist.

Du sollst dies durch ein Gleichnis verstehen. Wenn die Faust immer geschlossen ist, würden entweder die Sehnen zusammengezogen und schrumpfen, oder die Hand würde alle Kraft verlieren. So ist es auch mit geistlichen Dingen. Wenn die Seele immer in Betrachtung verharrte, würde sie entweder sich selbst vergessen und in Hochmut versinken, oder es würde auch ihre Ehrenkrone verringert. Daher ist es so, dass Gottes Freunde manchmal durch Eingießung des Heiligen Geistes erfreut werden, manchmal mit Gottes Zulassung Trübsal leiden, denn durch die Mühsale werden die Wurzeln der Sünde ausgerissen, und die Früchte der Gerechtigkeit stetiger.

Aber Gott, der die Herzen sieht und alles versteht, begrenzt doch die Versuchungen seiner Freunde, so dass sie ihnen zum Nutzen dienen, denn er lässt alles nur in gerechter Weise und in rechtem Gewicht und Maß geschehen. Also sollst du, weil du im Geist Gottes berufen bist, dich nicht über Gottes Langmut bekümmern, denn es steht geschrieben, dass keiner zu Gott kommt, wenn der Vater ihn nicht zieht.

Der Hirte ruft und lockt die Schafe ja mit einem Blumenstrauß heim, und dann schließt er sorgfältig den Schafstall ab, so dass die Schafe, auch wenn sie drinnen herumspringen, gleichwohl nicht hinauskönnen, denn der Stall hat ordentlich gebaute Wände, ein hohes Dach und verschlossene Türen. Daher gewöhnen sich die Schafe daran, Heu zu fressen, so dass sie gefügig werden und auch Heu aus der Hand des Hirten fressen. So ist es auch mit dir geschehen. Das, was dir vorher schwer, ja unerträglich schien, ist dir nämlich jetzt leicht geworden, so dass dich jetzt nichts mehr so erfreut, wie Gott.“