125. Kapitel

Die Mutter (Maria) spricht: „Es gibt sieben Tiere. Das erste hat große Hörner, wegen derer es hoffärtig ist, und die es veranlassen, mit anderen Tieren Krieg anzufangen. Es stirbt jedoch bald, denn auf Grund der gewaltigen Hörner kann es nicht rasch springen, sondern wird durch Büsche und Gestrüpp gehindert. Das zweite Tier ist klein. Es hat ein einziges Horn und darunter einen kostbaren Stein. Dieses Tier lässt sich nicht fangen, denn wenn es eine Jungfrau sieht, läuft es ihr gleich in die Arme und wird so von ihr getötet.

Das dritte Tier hat keine Glieder, und deshalb steht es ständig und ruht an einem Baum. Wenn der Jäger es sieht, haut er den Baum in der Mitte durch. Das Tier sucht seine Ruhe wie gewöhnlich, aber wenn der Baum darauf stürzt, kann es nicht eingefangen werden. Das vierte Tier sieht höchst harmlos aus und schadet niemandem, weder mit den Füßen noch mit den Hörnern. Aber jeder, der seinen Atem kennt, wird aussätzig, denn dieses Tier ist von Natur aus innen vollkommen leprakrank.

Das fünfte Tier ist überall ängstlich und fürchtet eine Hinterlist. Das sechste Tier fürchtet nicht anderes als sich selbst. Wenn es sein Schattenbild sieht, springt es sich fast zu Tode. Es möchte sich ständig an dunklen und verschwiegenen Plätzen aufhalten. Das siebente Tier fürchtet nichts, nicht einmal den Tod, denn es weiß nichts vom Tod, bevor er kommt. Dieses Tier hat vier besondere Eigenschaften. Erstens spürt es innerlich eine unaussprechliche Freude. Zweitens kümmert es sich nicht ums Fressen, denn es frisst einfache Dinge von der Erde. Drittens steht es niemals still, sondern springt ständig herum. Viertens ruht es, sogar wenn es sich anderswo hinlegt, und bewegt sich mit mäßiger Geschwindigkeit.

Das erste Tier ist mit einem Mann zu vergleichen, der sich über seine Würde erhebt, aber der, wenn er sich nicht in Acht nimmt, schnell ergriffen wird, da er mit guten Taten spät und langsam ist. Das zweite Tier, das stolz ist auf den kostbaren Stein, den es unter dem Horn hat, bezeichnet einen Mann, der sich auf Grund des kostbaren Steins der Keuschheit auf sich selbst verlässt und vermessene Gedanken über sich selbst hat, der nicht auf Ermahnungen hören will, sondern sich für mehr als andere hält, und der sich deshalb sehr davor hüten soll, dass er nicht von Hochmut eingeschnürt wird, der das Antlitz einer Jungfrau hat, aber tödliche Stiche austeilt.

Das dritte Tier, das keine Glieder hat, ist mit einem Mann zu vergleichen, der die Glieder des geistlichen Begehrens nicht besitzt und der deshalb, wenn er glaubt, in Sicherheit zu leben, in dem gefangen wird, was ihn belustigt. Das vierte Tier, das inwendig ganz voll Aussatz ist, bezeichnet einen Mann, der ganz aussätzig von Hochmut ist und der deshalb alle ansteckt, die zu ihm halten.

Die Eigenschaften der drei folgenden Tiere sollen zu seiner Zeit offenbart werden. Denn das erste dieser Tiere ist wie Thomas fromm und zweifelnd, und kann mit einem geglätteten, geputzten Quaderstein verglichen werden. Das zweite Tier ist wie Gold im Feuer und wie eine vergoldete Flöte, die im kostbarsten Futteral verwahrt wird. Das dritte Tier ist wie eine bemalte Tafel, die mit edleren Farben bemalt werden könnte.

Wenn sich nun die lasterhaften Männer, die mit den vier erstgenannten Tieren gemeint sind, zu mir bekehren, so werde ich ihnen entgegeneilen und ihre Bürde erleichtern. Warum nicht – ich werde ihnen ein Tier zusenden, das schneller als der Tiger ist und sie verzehren wird. Und, wie geschrieben steht, ihre Tage sollen kurz werden, ihre Kinder sollen vaterlos bleiben und ihre Ehefrauen Witwen, und ihre Ehre soll in Schande und Unehre verwandelte werden.“

Erklärung
Das erste Tier, d.h. der erste Bischof, war hochmütig wegen seiner vornehmen Herkunft, wurde aber durch Worte des Heiligen Geistes umgewandelt. Er kam nach Rom und folgte Frau Birgitta bis Neapel. Als sie in Benevent waren, erkrankte er schwer an Nierenstein. Dem Kranken sagte der Heilige Geist durch Frau Birgitta: „Dem kranken König von Israel wurde befohlen, einen Verband um seine Wunde zu legen. Das soll auch dieser tun: Er soll nämlich in seinem Herzen wahre Liebe zu Gott erwecken, denn das ist das beste Heilmittel. Er wird sich dann gleich wieder gesund fühlen.“ Als er das hörte, legte er ein Gelübde ab und wurde an Leib und Seele wieder gesund. Über diesen Bischof steht in Buch III. Kap. 12 zu lesen. Das zweite Tier, d.h. der andere Bischof, zeichnete sich durch große Reinheit aus. Über ihn steht in Buch III, Kap. 13 zu lesen.

Das dritte Tier, d.h. der dritte Bischof, der mit einem Elefanten verglichen wird, veränderte sich zum Besseren. Christus sagt: „Wozu hat dieser Bischof geraten? Ja, er machte den Vorschlag, dass eine Vermählung illegal gehalten werden sollte, so dass die gemachten Ausgaben nicht vergebens sein sollten, und er sagte, dass ein Dispens vom Papst leicht zu erhalten sein würde.

Aber nun höre, was ich sage! Ein jeder, der bewusst und vorsätzlich gegen Gott sündigt, zieht sich Gottes Gericht und Trübsal auf Erden zu, wenn er nicht tief bereut. Aber der, der die Sündenlast eines anderen auf seinem Rücken legt, sündigt schlimmer, denn er hat keine Furcht und kümmert sich nicht um die Erlösung seiner Seele. O welche Vermessenheit und welcher Mangel an Liebe ist es doch, die Schlüssel des Rechts in der Hand zu haben, aber wegen einer geringen und vergänglichen Angelegenheit sich etwas gegen die Schlüssel und das Recht vorzunehmen!

Er soll also versuchen, Gott gnädig zu stimmen und die echten Ehegatten zu fruchtbarer Buße und gebührender Absolution zu veranlassen. Sonst werden seine Tage verkürzt werden und er selbst wird vor mein Gericht kommen, und der Fall seiner Kirche wird so groß werden, dass sie kaum wieder aufgebaut werden kann. Das, was die Vermählten haben möchten, wird zunichte werden, und sie selbst werden verachtet werden.
Du, meine Tochter, schreibe an die echten Gatten, die du kennst, dass ihre Kinder – wenn sie sich nicht bessern und Absolution begehen – nicht lange leben, werden, und das, was sie gesammelt haben, in andere Hände gelangt.“

Weiter sagt er über denselben Bischof: „Dieser Bischof kam demütig zu mir wie der, der sein Erbteil vergeudete und Baumfrüchte essen musste, demütig zu seinem zurückkam. Wahrlich, meine Tochter, das Weltliche ist wie eine Treber, wenn der Kern, d.h. Gott, aus dem Herzen vertrieben wird und man sich unnötige und fruchtlose Arbeit machen will und die Welt mehr liebt als Gott.

Aber weil dieser Bischof nun anfängt, mich und sich selber kennen zulernen, werde ich ihn wie einen guten Vater behandelt, indem ich vergesse, was gewesen ist, ihm auf halbem Wege entgegeneile, ihm einen Ring an seine Hand stecke und ihm Schuhe an die Füße ziehe und ihm das gemästete Kalb zu essen gebe. Denn von diesem Tage an, werden seine Werke von einer Brennendären Liebe zu mir gekennzeichnet sein; die göttliche Geduld und die göttliche Weisheit werden ihm besser als vorher helfen, seine Mitmenschen zu gewinnen, und er wird auch eifriger und gewissenhafter werden, meinen Leib (in der Kommunion) zu nehmen und zu ehren. Diese Gabe hat meine liebste Mutter ihm erwirkt – sie, die Schutzpatronin für seine Domkirche ist.

Das vierte Tier, d.h. der vierte Bischof, der weiter mit seinem Aussatz behaftet blieb, wurde plötzlich ohne Sakrament abgerufen. Über diesen steht in Buch VI, Kap 17 zu lesen. Das fünfte Tier war wie ein Quaderstein, ein in allen Dingen kluger und maßvoller Mensch. Über diesen steht in Buch III, Kap. 33 zu lesen. Das sechste Tier, d.h. der sechste Bischof, war ein gottesfürchtiger Mann, der ständig gewissenhaft sein Herz erforschte. Er leitete weise seine Kirche und befreite sie von vielen Auflagen.
Als er tot war, sagte Christus über ihn: „Die goldene Schrift sagt, dass Gottesfurcht der Weisheit Anfang ist. Das ist wahr, aber ich sage, dass Gottesfurcht auch das Ziel der Vollkommenheit ist. Weil dieser Bischof diese Tugend hatte, kam er auf einem klugen Richtweg auf den Weg der Erlösung.“

Das siebente Tier, d.h. der siebente Bischof, war gekennzeichnet durch größte Enthaltsamkeit und Eifer für Gott. Weder aus Furcht vor Unannehmlichkeiten und Verlusten oder aus Freundschaft verschwieg er die Wahrheit. Als er einmal im Gebet versunken war, gab er den Geist auf. Von diesem Bischof handeln mehrere Offenbarungen in der Biographie Birgittas. Es war Herr Hemming, Bischof in Åbo (Turku), und er war ein Freund der hl. Birgitta, wie aus Kap. 104 in den beigefügten Offenbarungen hervorgeht.

Eine Offenbarung über den Bischof, der der Nachfolger des zweiten Tieres ist. Gottes Sohn spricht: „Schreib an den Bischof, dass raubgierige Vögel das Land überfallen haben, um ihre Nester dort aufzuschlagen. Daher soll dieser Bischof und seine Freunde daran arbeiten, dass ihre Krallen abgewetzt werden, dass sie keinen Zugang zu hohen Stellen erhalten und ihre Schwingen nicht in der Gesellschaft ausbreiten. Sonst werden sie mit ihren Schnäbeln und Klauen die Saat der Erde ausrotten, über die Bergeshöhen fliegen und das Land in eine Einöde verwandeln.“