127. Kapitel

Die Braut (Birgitta) bat für ihren Freund, einen alten Priester und Eremiten, der ein vortreffliches Leben führte und ein Mann von großen Tugenden gewesen war; er war gerade eben gestorben und lag auf dem Totenschrein in der Kirche, um begraben zu werden. Da zeigte sich ihr die Jungfrau Maria und sagte: „Höre, meine Tochter: Du sollst wissen, dass – sobald die Seele dieses Eremiten, der mein Freund war, den Leib verlassen hatte, sollte sie in den Himmel kommen, wenn er nur im Augenblick des Todes die vollkommene Sehnsucht hatte, in Gottes Nähe zu kommen und seinen Anblick zu genießen. Weil er das aber nicht hatte, wird er jetzt im Fegefeuer der Sehnsucht festgehalten, wo es keine Qual gibt, nur die Sehnsucht, heim zu Gott zu kommen. Doch sollst du wissen, dass – bevor sein Leib unter die Erde kommt, seine Seele in die ewige Herrlichkeit geführt werden wird.“

Zusatz
Sage dem alten Mönch von neuem, der lange als Einsiedler gelebt hat und mir eine Frucht gebracht hat, die mich erfreut, indem er wilde Tiere in Schafe und den Löwen zum Lamm verwandelt hat: „Bleib nun standhaft in Rom, wo die Straßen mit dem Blut meiner Heiligen bedeckt sind, denn du wirst das Gericht zu hören bekommen und deine Vergeltung sehen!“ Nachdem er das gehört hatte, wurde er gleich krank, und er schlief nicht lange danach in Frieden ein.

Dieser Benediktinermönch bat Frau Birgitta, dass sie Gott fragen solle, wie er Sicherheit in Bezug auf seine Tracht erhalten könne, denn die vielen Missbräuche in Kleidung machten ihm schwer zu schaffen, deren sich die Mönche des hl. Benedikt schuldig gemacht hatten.
Als sie dann in Ekstase war, sagte Gottes Sohn zu ihr: „Ich habe dir früher gesagt, dass mein Diener Benedikt seinen Leib wie einen Sack ansah, der fünf Kleidungsstücke hatte. Das erste war die straffe Kordel, die den Körper und die ungeordneten Begierden bändigte, damit sie nicht zügellos würden und ihre gebührenden Grenzen nicht überschritten. Das andere Kleidungsstück war eine schlichte Kutte, weder verkürzt noch voller Falten; sie sollten den Körper einhüllen, schmücken und den Leib wärmen, so dass die, die ihn in dieser Kleidung sahen, keinen Anstoß daran nehmen sollten.

Das dritte war ein Skapulier, wodurch er geneigter und bereitwilliger zu körperlicher Arbeit sein sollte. Das vierte Kleidungsstück war Schuhwerk, das ihn schneller und demütiger machen sollte, auf Gottes Weg zu wandern. Das fünfte war der Gürtel der Demut, mit dem umgürtet, sollte er den Überfluss verschmähen und die übliche und ihm auferlegte Arbeit fleißiger ausführen.

Aber jetzt trachten seine Klosterbrüder nach Kleidern, die Sinnenlust erwecken; sie ekeln sich vor Strenge und suchen sich Kleider, die dem Geschmack der Menschen entsprechen und das Fleisch zur Sinnlichkeit reizen. Denn statt einer Kutte nehmen sie sich einen faltenreichen, breiten und langen Mantel, so dass sie eher wie hoffärtige Prahlhänse aussehen, als wie demütige Ordensmänner.
Anstelle eines Skapuliers haben sie nur ein kurzes Tuch vorn und hinten, und den Kopf bedecken sie mit einer weltlichen Kappe, um sich nach den Weltmenschen zu richten. Aber auf diese Art und Weise werden sie weder wie Weltmenschen, noch arbeiten sie mit Gottes demütigen Dienern zusammen. Sie bedecken die Füße und legen sich Gürtel an wie die, die drauf und dran sind, auf eine Hochzeit zu gehen – und nicht, um auf der „Rennbahn der Arbeit“ zu kämpfen.

Deshalb soll der Mönch, der erlöst werden will, bedenken, dass die Regel des hl. Benedikt ihm wohl erlaubt, das Notwendige in maßvoller Weise zu haben, das Nützliche, aber nicht das Überflüssige, das Ehrbare und Vorteilhafte insgesamt in demütiger und nicht in hochmütiger Weise. Denn was bedeutet die Kutte, wenn nicht dies, eine größere Demut als andere zu haben? Und was bezeichnet die einfache Kapuze der Kutte, wenn nicht das, Abscheu vor Weltlichen Sitten zu haben?

Aber warum tragen die Mönche nunmehr eine weltliche Kapuze, wenn nicht deshalb, weil sie sich vor der Demut scheuen und sich nach den Weltmenschen richten wollen? Welchen Schmuck oder Nutzen hat die Tütenform der Kapuze? Trägt man die nicht eher, um damit zu prahlen und Aufsehen zu erregen, statt den schönen Brauch des Klosterlebens zu befolgen? Welchen Vorzug hat der gefaltete Mantel gegenüber der Kutte, wenn nicht den, dass er den wandernden Mönch stattlicher und vornehmer aussehen lässt?

Wenn man aus irgendeinem lobenswerten Zweck einen demütigen und schlichten Mantel trüge, würde das sicher nicht den guten Sitten schaden, aber die Kutte der Demut wäre passender, damit man an der Tracht sehen könnte, welchen Ordensmann man vor sich hat. Wenn der Mönch Kopfweh bekommen oder von Kälte geplagt ist, so würde er nicht sündigen, wenn er eine passende und demütige Kopfbedeckung unter der Kapuze hätte – aber nicht außerhalb von dieser, denn das würde von Eitelkeit und Äußerlichkeit zeugen.“
Frau Birgitta fragte: „O Herr, zürne nicht, wenn ich frage: „Sündigen Klosterbrüder, die eine solche Tracht mit Erlaubnis ihrer Oberen oder nach einer Sitte tragen, die von der Einrichtung deren Vorgänger herrührt?“

Gott sagte: „Der Dispens ist gültig, wenn er aus einer guten Absicht hervorgeht. Manche geben Dispens aus gerechtem Eifer, aber andere aus falschem Mitleid und auf unkluge Weise, andere wegen Leichtfertigkeit ihrer eigenen Sitten und ihrem Begehren, Menschen zu gefallen, während andere das Gerechte vortäuschen, da sie leer an Liebe zu Gott sind. Mir ist nur der Dispens wohlgefällig, der nicht im Streit mit der Demut steht. Und der Dispens ist gültig, der das Notwendige in kluger Weise zulässt, aber den Überfluss auch in seinen allergeringsten Äußerungen verurteilt.“

Frau Birgitta stellte noch eine Frage: „O Herr mein Gott, wenn manche in Unkenntnis darüber schweben, was am besten oder passend Sten in der Klosterregel ist, sündigen die auch?“ Christus erwiderte: „Wie kann ein Ordensmann über die Regel nicht Bescheid wissen, die täglich gelesen und gehört wird, die Regel, die bestimmt, dass der Mönch sich demütigen und gehorchen soll, eine Tracht tragen, die dürftig und nicht weichlich ist, mustergültig und nicht prahlerisch ist? Und wessen Gewissen ist so abgestumpft, dass er nicht versteht, sich zur Demut und alle Arten von Armut zu bekennen?

Ein Benediktinermönch ist der, der der Regel mehr als dem Fleisch gehorcht, der weder mit seiner Tracht noch seinen Sitten jemandem anders als Gott gefallen will, der täglich bereit ist, zu sterben und sich zum Heimgang aus dieser Welt vorbereitet, und der genau bedenkt, wie er Rechenschaft über sein benediktinisches Leben wird ablegen können.“