16. Kapitel

Die Mutter (Maria) spricht zur Braut Christi: Warum habt ihr diesen Mann empfangen, dessen Zunge so großsprecherisch ist, dessen Leben unbekannt ist, und dessen Sitten weltliche sind?“ Sie antwortete: „Weil wir glaubten, er sei gut, und weil ich keine Unannehmlichkeiten haben wollte, weil ich einen Mann mit einer bekannten bösen Zunge zurückgewiesen habe. Aber wenn ich gewusst hätte, dass es Gott missfiel, so hätte ich ebenso wenig empfangen, wie eine Kreuzotter.“

Die Mutter sagte: „Dein guter Wille hat seine Zunge und sein Herz bewacht, so dass er euch keine Unruhe verursacht hat. Aber der Teufel, der schlau ist, hat euch einen Wolf im Schafspelz zugeführt, um eine passende Gelegenheit zu finden, euch zu stören und über euch zu schwätzen.“
Sie antwortete: „Es scheint uns, als wäre er fromm und bußbereit; er besucht ja Gräber von Heiligen und sagt, dass er sich von Sünde fernhalten will.“ Die Mutter erwiderte: „Wenn es eine Gans mit Federn gibt, sag mir – was von beiden isst man dann, das Fleisch oder die Federn? Verursachen die Federn keinen Ekel, während das Fleisch doch nährt und stärkt?

So verhält es sich auch geistlich mit der heiligen Kirche. Sie ist nämlich wie eine Gans, in der Christi Leib das frische Fleisch bildet. Das Sakrament ist sozusagen das Innere der Gans. Die Flügel bezeichnen die Tugenden und Taten der Märtyrer und Bekenner, die Daunen bezeichnen die Liebe und Geduld der Heiligen, aber die Federn bezeichnen den Ablass, den heiligen bewillig und erworben haben.
Jeder, der den Ablass in der Absicht sucht, von seinen früheren Sünden entbunden zu werden und trotzdem in seiner früheren lasterhaften Gewohnheit bleibt, der hat die Federn der Gans, von denen die Seele weder ernährt noch gestärkt wird, sondern die nur Erbrechen hervorrufen, wenn sie verzehrt werden.

Aber die, die zum Ablass kommen, um dann die Sünden zu unterlassen, zu Unrecht erworbenes Gut zurückzugeben, den Schaden wieder gutzumachen, den sie verursacht haben, nicht mehr einen einzigen Pfennig mit schamlosem Gewinn zu erwerben, nicht einen einzigen Tag ohne nach Gottes Willen zu verbringen, sich im Unglück und im Glück Gottes Willen zu fügen und auf die Ehre und Freundschaft der Welt zu verzichten, - die werden die Vergebung der Sünden erlangen, und sie sind wie Engel in Gottes Augen.

Wer sich freut, Erlass von begangenen Sünden erlangt zu haben, aber nicht willens ist, die frühere Eitelkeit und die ungeordnete Begierde seiner Sinne aufzugeben, sondern das ungerecht erworbene Eigentum behalten will, die Welt in sich und den Seinen lieben will, über die Demut lächelt, die weltlichen Gewohnheiten nicht aufgibt und seinem Fleisch den Überfluss nicht abgewöhnt, den bringen die Federn – nämlich die Ablässe – zum Erbrechen, d.h. dazu, Reue zu empfinden und zu beichten, wodurch die Sünde getilgt und Gottes Gnade erworben wird, und er wird wie mit ein paar Federn aus den Händen des Teufels in Gottes Schoß fliegen – sofern er selbst mit seinem guten Willen mitwirken will, das zu erlangen.“

Sie (Birgitta) antwortete: „O Mutter der Barmherzigkeit, bitte für diesen Mann, dass er im Anblick seines Sohnes Gnade fingen mag.“ Sie (Maria) sagte: „Der Heiligen Geist besucht ihn, aber es liegt etwas wie eine Steinplatte vor seinem Herzen und hindert Gottes Gnade, hineinzukommen. Gott ist wie eine Henne, die die Eier wärmt, aus denen lebende Küken hervorkommen. Alle Eier, die unter der Henne sind, empfangen ihre Wärme, dagegen nicht die Gegenstände, die darum herum liegen. Und die Henne zerbricht nicht selbst die Schale, unter der die Jungen aufwachsen, sondern das Küken versucht selbst, mit seinem Schnabel Löcher darein zu hacken, und wenn die Mutter das sieht, verschafft sie diesem Jungen einen wärmeren Platz, wo es ganz ausgebrütet werden kann.

So besucht Gott alle mit seiner Gnade. Aber die, die so denken: „Wir wollen uns der Sünde enthalten, und soviel wir können, wollen wir nach Vollkommenheit streben,“ – die besucht der Heiligen Geist immer öfter, damit sie umso vollkommener das Gute tun. Aber die, die ihren ganzen Willen Gott anvertrauen, und die nicht das Allergeringste gegen Gottes Liebe tun wollen, sondern ihr folgen, die nach größerer Vollkommenheit streben, die sich nach dem Rat demütiger Menschen richten, um klugerweise gegen die Triebe ihres Fleisches anzukämpfen, die birgt Gott unter sich, wie die Henne ihre Küken. Er macht sein Joch für sie leicht und hilft ihnen in ihren Schwierigkeiten.

Aber die, die ihrem eigenen Willen folgen und meinen, dass das wenig Gute, das sie tun, Lohn vor Gott verdient, die nicht nach höherer Vollkommenheit streben, sondern daran festkleben, was dem Herzen Vergnügen macht, die ihre Schwächen mit dem Beispiel anderer entschuldigen und mit dem Hinweis auf die Schlechtigkeit anderer über ihre Sünden hinweggehen – die werden Gottes Küken nicht, denn sie sind nicht willens, ihre Herzenshärte zu überwinden, sondern wenn sie könnten, würde sie gern lange leben, um lange in der Sünde verharren zu können.

So handelte der Gute Zachäus nicht, auch nicht Magdalena, sondern weil sie mit allen Gliedern gegen Gott verstoßen hatten, so gaben sie ihm auch mit allen Gliedern Genugtuung für ihre Sünden, und weil sie zu ihrem tödlichen Schaden zu Ehrenbezeugungen der Welt aufgestiegen waren, stiegen sie nun demütig herab zur Weltverachtung, denn es ist schwer, gleichzeitig Gott und die Welt zu lieben. Wer das tut, ist wie ein Tier, das vorn und hinten Augen hat, und dem geht es schlecht, wie vorsichtig es auch ist. Aber die, die wie Zachäus und Magdalena sind, die haben den besseren Teil erwählt.“

Erklärung
Dieser Mann war ein Vogt in Östergötland. Er kam 1350 während des Jubeljahres nach Rom, doch mehr aus Furcht, als aus Liebe. Von ihm sagte Christus im Rom: „Ein Jeder, der einer Gefahr entgangen ist, möge sich vorsehen, dass er nicht wieder in sie hineingerät. Die Seeleute, die zu große Zuversicht in den Hafen haben, leiden ja Schiffbruch. Daher mag dieser sich vorsehen, dass er nicht wieder in seine frühere Stellung kommt. Wenn er sich nicht vorsieht, wird er das verlieren, was erstrebenswert ist, und was er gesammelt hat, wird bei Fremden landen. Seine Kinder werden nicht erben, und er selbst erleidet einen schmerzhaften Tod unter Fremden.“
Als er umgekehrt war, wurde er jedoch wieder Steuererheber, und alles, was gesagt war, traf ein.