17. Kapitel

Agnes spricht zur Braut Christi: „Du sahst heute eine hochmütige Frau in einem Wagen des Hochmuts.“ Die Braut antwortete: „Ja, ich sah sie, und ich wurde wie von Sinnen, denn Fleisch und Blut, Staub und Dreck wollen gelobt werden, wo sie sich mit Recht demütigen sollten. Was ist ein solch Aufsehen erregender Staat anders, als eine verschwenderische Vergeudung von Gottes Gaben, eine Bewunderung der Menge, eine Plage der Gerechten, und Verarmung der Armen, eine Erzürnung Gottes, ein Vergessen seiner selbst, ein Erwerben des Künftigen Gerichts und ein Schaden für die Seelen?“

Agnes erwiderte: „Freue dich, Tochter, dass du von so etwas frei bist! Ich will dir nun einen anderen Wagen beschreiben, wo du sicher ruhen kannst. Der Wagen, in dem du sitzen sollst, ist Stärke und Geduld in Trübsal. Denn, wenn der Mensch beginnt, sein Fleisch zu zügeln und seinen ganzen Willen Gott anzuvertrauen, da wird entweder der Sinn durch Hochmut beunruhigt, wodurch der Mensch sich über sich selbst erhebt, so dass er sich wie Gott und wie gerechte Menschen rechnet, oder er wird auch von Ungeduld und Unklugheit bedrückt, so dass er wieder in die alten Sünden zurückfällt oder in seinen Kräften geschwächt wird, so dass er für Gottes Arbeit ungeeignet wird. Daher ist es notwendig, mit kluger Geduld zu handeln, so dass man nicht aus Ungeduld zurückfällt oder aus Unklugheit beharrt, sondern sich den Kräften und den Zeiten anpasst.

Das erste Rad an diesem Wagen ist der vollkommene Wille, alles Gott zu übergeben und nichts anderes als Gott zu begehren. Es gibt ja viele, die das Zeitliche aufgeben, um von ihren Beschwerden loszukommen, die aber doch alles haben, das ihnen von Nutzen ist und zur Freude dient. Ihr Rad läuft nicht so, wie es sollte, denn wenn Armut sie plagt, möchten sie von allem genügend haben; wenn schwere Rückschläge eintreffen, wünschen sie sich Glück; wenn sie Beschimpfung trifft, murren sie über Gottes Anordnung und wünschen sich Ehre und Anerkennung; wenn man ihnen befiehlt, etwas zu tun, was ihnen zuwider ist, wollen sie ihre eigene Freiheit. Daher hat Gott an dem Willen Gefallen, der nicht sein Eigenes sucht, sei es im Glück oder im Unglück.

Das zweite Rad ist die Demut, wo der Mensch sich alles Guten für unwürdig hält, indem er sich jede Stunde seine Sünden vor Augen hält und sich in Gottes Augen für strafbar hält. Das dritte Rad besteht darin, Gott klug zu lieben. Der liebt klug, der sich selbst kasteit, seine Laster hasst, sich über die Sünden seiner Nächsten und seiner Verwandten Sorgen macht, sich über ihre geistlichen Fortschritte auf dem Weg zu Gott freut nicht wünscht, dass sein Freund nur zu seinem eigenen Nutzen lebt, sondern um Gott zu dienen und sich wegen seines weltlichen Erfolges fürchtet, weil er wie Gott vielleicht dadurch kränken konnte. Ja, der liebt klug, der die Laster hasst, niemanden für dessen Gunst oder Ehrenbezeugung begünstigt und die Menschen mehr liebt, bei denen er sieht, dass sie eifriger in ihrer Liebe zu Gott sind.

Das vierte Rad ist die kluge Beherrschung des Fleisches. Wer in der Ehe lebt und denkt: „Schau, das Fleisch lockt mich in unordentlicher Weise; wenn ich nach dem Fleisch lebe, so weiß ich ganz sicher, dass mir der Schöpfer des Fleisches zürnt, der zuschlagen und Krankheit schicken kann, der richtet und tötet. Daher will ich aus Liebe zu Gott und aus Furcht vor ihm von selbst mein Fleisch zügeln und in gebührender und geordneter Weise zu Gottes Ehre leben. Ja, wer so denkt und Gottes Hilfe begehrt, dessen Rad ist Gott wohlgefällig.

Aber wenn ein Mensch der Enthaltsamkeit denkt: „Schau, das Fleisch verlockt mich zur Schwelgerei, und auch der Ort, die Zeit, die Güter und das Alter bieten sich an, die Lust vollkommen auszunützen, doch will ich es mit Gottes Hilfe unterlassen, um eines zufälligen Vergnügens willen und gegen mein heiliges Gelübde zu sündigen. Sicher ist es groß, was ich Gott gelobt habe – arm bin ich zur Welt gekommen, und noch ärmer werde ich sie verlassen, und ich muss vor Gottes Richterstuhl Rechenschaft über alles ablegen, was ich getan habe. Um Gott nicht zu kränken, um meinem Nächsten keinen Anstoß zu geben und mich selbst zum Meineidigen zu machen, will ich also enthaltsam leben.“

Die Enthaltsamkeit eines solchen Menschen verdient großen Lohn. Aber wenn jemand in Ehre und Genüssen lebt und denkt: „Schau, ich habe Überfluss an allem, aber der Arme leidet Mangel, und doch haben wir ein und denselben Gott. Was habe ich da verdient, und was hat er verbrochen? Was ist das Fleisch anderes, als Futter für die Würmer, und was sind so viele Genüsse anderes, als Ekel und Anlass zu Krankheit, Zeitverlust und Versuchung zur Sünde? Ich will daher mein Fleisch zügeln, so dass nicht die Würmer ihr Verlangen darin finden, so dass ich nicht ein noch schlimmeres Gericht erleide, und dass ich nicht die Zeit der Buße töricht Verstreichen lasse. Und da mein schlecht erzogenes Fleisch sich nicht so leicht wie der Arme an einfache und ordinäre Dinge gewöhnen kann, ohne die man leicht leben kann, so dass der Leib sein Auskommen, aber keinen Überfluss hat.“

Wer so denkt und in seinem Tun versucht, es zu verwirklichen, so gut er kann, der kann sowohl ein Bekenner als auch Märtyrer genannt werden, denn es ist bezeichnend für das Märtyrertum, Zugang zu Genüssen zu habe, aber sie doch zu verschmähen, Ehre zu genießen, aber sie doch zu verachten, unter den Menschen groß zu sein, aber von sich selbst am wenigsten zu halten, wahrlich ein solches Rad gefällt Gott sehr.
Sieh, Tochter, nun habe ich dir den Wagen beschrieben, dessen Kutscher dein Engel ist, sofern du seinen Zaum und sein Joch nicht von deinem Hals abwirfst, seine Heilbringenden Eingebungen nicht verschmähst, oder deine Sinne und dein Herz nicht auf nichtige und leichtfertige Dinge richtest.

Nun will ich auch mit dir über den Wagen sprechen, in dem diese Frau gesessen hat. Der Wagen ist gewiss ihre Ungeduld gegenüber Gott, denn sie murrt über seine heimlichen Gerichte, wenn es nicht nach ihrem Behagen geht. Sie sieht mit Unwillen auf ihren Nächsten, nachdem sie dessen Güter nicht bekommen kann. Sie ist auch ungeduldig, wenn es sie selbst betrifft, denn sie zeigt ungeduldig, was sie im Herzen verborgen hat.

Das erste Rad an diesem Wagen ist der Hochmut, denn sie hält sich selbst für mehr als andere und verurteilt andere, verachtet die Demütigen und trachtet nach Ehrenplätzen. Das zweite Rad ist Ungehorsam gegen Gottes Gebote; dadurch wird sie verleitet, ihre Schwachheit zu entschuldigen, über ihre Sünde schnell hinwegzugehen und, vermessen genug, die Bosheit ihres Herzens zu verteidigen.
Das dritte Rad ist das Verlangen nach zeitlichen Dingen; dadurch wird sie verleitet, das, was sie besitzt, verschwenderisch auszugeben, sich selbst und das Zukünftige zu vergessen; es ist Furcht im Herzen und Lauheit in der Liebe zu Gott. Das vierte Rad ist ihre Liebe zu sich selbst, die sie von der Verehrung und der Furcht vor ihrem Gott abhält und dazu führt, dass sie nicht auf ihr Ende und ihr Gericht achtet.

Der Kutscher auf diesem Wagen ist der Teufel, der sie munter und dreist in allem macht, was er ihrem Herzen eingibt, dass sie es tun soll. Die beiden Pferde, die den Wagen ziehen, sind die Hoffnung auf ein langes Leben und der Wille, bis zuletzt zu sündigen. Das Zaumzeug ist die Scham, zu beichten. Mit der Hoffnung auf ein langes Leben und dem Willen, in der Sünde zu verharren, zieht dieses Schamgefühl ihre Seele von dem rechten Wege ab und belastet sie so mit schweren Sünden, dass weder Furcht, Schamgefühl oder Ermahnung sie dazu befähigt, sich zu erheben. Wenn sie glaubt, fest und sicher zu stehen, stürzt sie hinab in die Tiefe, sofern Gottes Gnade ihr nicht hilft.“

Zusatz
Weiter spricht Christus über dieselbe Frau und sagt: „Sie ist eine Kreuzotter, die die Zunge einer Hure, Drachengalle im Herzen und das bitterste Gift im Liebe hat. Daher werden ihre Eier giftig. Glücklich die, die ihre Bürde nicht erfahren müssen.“