38. Kapitel

Der Sohn spricht: „Warum wirst du von frohen Träumen so munter, und von traurigen Träumen so bedrückt? Habe ich dir nicht gesagt, dass der Teufel missgünstig ist, und dass er ohne Gottes Zulassung nicht mehr tun kann, als ein Strohhalm vor deinen Füßen? Ich habe dir auch gesagt, dass er der Vater und Erfinder der Lüge ist, und dass er in all seine Unwahrheiten etwas Wahrheit mischt. Deshalb sage ich, dass der Teufel nicht schläft, sondern umhergeht, um eine Gelegenheit zu finden, dich zu Fall zu bringen.

Deshalb sollst du dich vorsehen, dass der Teufel dich nicht betrügt, der durch sein feines Wissen das Innere des Menschen durch die äußeren Bewegungen erforscht. Denn manchmal sendet er deinem Herzen frohe Träume, damit du eitle Freude spüren sollst, damit du in deinem Missmut etwas Gutes unterlässt, was du tun könntest, und unglücklich und sorgenvoll wirst, ehe noch die Trübsal kommt.

Manchmal gibt der Teufel auch dem Herzen des betrogen ist und der Welt gefallen möchte, viele falsche Dinge ein, wodurch viele sich betrügen lassen, wie es mit den falschen Propheten gegangen ist. Und das passiert dem Menschen, der etwas anderes mehr liebt, als Gott. So geschieht es, dass vieles Wahre unter vielen falschen Worten steckt, denn der Teufel könnte nie betrügen, wenn er nicht Wahres mit Falschem mischen würde.
Dass das so der Fall ist, darüber bekam man ja ein Zeugnis durch den vom Teufel Besessenen, den du gesehen hast: Wenn er auch bekannte, dass nur einer Gott ist, zeigten doch seine schamlosen Gebärden und seine übrigen Aussprüche, dass der Teufel in ihm steckte.

Aber nun könntest du fragen, warum ich dem Teufel erlaube, zu lügen. Ich antworte: Das habe ich zugelassen und lasse ich wegen der Sünden des Volkes und der Priester zu; sie wollen nämlich wissen, was Gott nicht will, dass sie es wissen sollen, und sie wollten Erfolg haben, als Gott sah, dass dies nicht zu ihrer Erlösung dienen würde. Deshalb lässt Gott der Sünden wegen vieles zu, was nicht passieren sollte, wenn der Mensch nicht die Gnade und seine Vernunft missbrauchen würde.

Aber die Propheten, die nichts anderes als Gott begehrten und Gottes Wort nicht anders als Gott zuliebe sprechen wollten, die ließen sich nicht betrügen, sondern sprachen Worte der Wahrheit und liebten sie. Aber wenn auch nicht alle Träume beachtet werden sollen, sollen doch auch nicht alle verschmäht werden. Denn manchmal gibt Gott auch den bösen Menschen gute Dinge ein und offenbart ihnen ihren Heimgang, damit sie mit ihren Sünden aufhören. Manchmal gibt er auch die guten Dinge im Traum ein, damit sie sich in der Liebe zu Gott vervollkommnen.

Daher sollst du, so oft dir so etwas passiert, dein Herz nicht darauf achten lassen, sondern überdenke und beurteile es mit Hilfe deiner klugen, geistlichen Freunde oder schließe es aus deinem Herzen aus, als hättest du es nicht gesehen, denn wer an so etwas Vergnügen hat, wird ständig nur betrogen und betrübt. Steh also fest in deinem Glauben an die heilige Dreieinigkeit, liebe Gott von ganzem Herzen, sei gehorsam im Glück und Unglück, überhebe dich in Gedanken nicht über jemanden, fürchte dich, auch wenn du Gutes tust, glaub nicht, dass du klüger seist als andere, stelle deinen ganzen Willen Gott anheim und sei bereit zu allem, was Gott will!

Dann brauchst du keine Träume zu fürchten, denn wenn sie froh sind, solltest du ihnen nicht glauben oder sie begehren, sofern du nicht merken kannst, dass sie Gottes Ehre bezeichnen. Und wenn sie traurig sind, solltest du dich nicht betrüben, sondern dich ganz deinem Gott anvertrauen.“
Dann sprach die Mutter: „Ich bin die Mutter der Barmherzigkeit, die Kleider für die schlafende Tochter bereitet, Essen für die Tochter, die sich kleidet, und die Krone und alles Gute für die Tochter, die arbeitet.“