52. Kapitel

Ich sah einen Mann, dessen Augen ausgerissen waren, aber doch an zwei Sehnen auf die Wangen herunterhingen. Er hatte Ohren wie ein Hund, eine Nase wie ein Pferd, einen Mund wie der wildeste Wolf; seine Hände waren wie die größten Elch klauen und seine Füße wie Klauen eines Geiers.

Ich sah auch eine Frau neben ihm stehen. Ihre Haare waren wie ein Dorngestrüpp, ihre Augen befanden sich im Nacken, ihre Ohren waren abgeschnitten, ihre Nase war voller Eiter und Fäulnis, ihre Lippen waren wie Schlangenzähne in der Zunge war ein Giftstachel, die Hände waren wie zwei Fuchsschwänze, und die Füße wie zwei Skorpione.
Als ich das sah (ich war da nicht in einen Traum versenkt, sondern wach) sagte ich: „O, was ist das?“ Und gleich sprach eine lieblich klingende Stimme zu mir, die so trostreich war, dass all meine Furcht verschwand. Sie sagte: „Du, die dies sieht – was glaubst du, was das ist?“ Ich antwortete: „Ich weiß nicht, wie weit die, die ich sehe, Teufel oder wilde Tiere sind, die zu einem solchen Stamm von Wildtieren gehören, oder Menschen, die so von Gott geschaffen sind.“

Da antwortete mit die Stimme: „Es sind keine Teufel, denn die Teufel haben keine Leiber, wie du siehst, dass diese sie haben. Es sind keine wilden Tiere, sondern sind aus Adams Stamm hervorgegangen. Aber sie sind auch nicht in dieser Weise von Gott geschaffen, sondern sie treten vor Gott in dieser entstellten Weise auf, die der Teufel ihren Seelen gegeben hat, und für deine Augen nimmt sich das körperlich aus. Ich werde dir jedoch den geistlichen Gehalt davon verraten.

Die Augen des Mannes scheinen dir ausgerissen und an zwei Sehnen zu hängen. Unter den zwei Sehnen sollst du zwei Dinge verstehen: Erstens, dass er zwar glaubte, dass Gott in Ewigkeiten lebt, zweitens, dass er aber auch glaubte, dass seine eigenen Seele nach dem Tode des Körpers auf ewig leben würde, entweder im Guten oder im Bösen.

Mit den beiden Augen sollst du zwei andere Dinge verstehen: Erstens, dass er überlegt haben sollte, wie er die Sünde vermeiden sollte, zweitens, wie er gute Werke verwirklichen sollte. Diese beiden Augen sind ausgerissen, denn er tat seine guten Werke nicht aus Verlangen nach der himmlischen Herrlichkeit und ging der Sünde auch nichts aus Angst vor der Pein der Hölle aus dem Weg.
Er hat auch Hundeohren, denn wie der Hund nicht auf den Namen seines Herren oder auf den von jemand anderes so sehr wie auf seinen eigenen Namen achtet, wenn er diesen nennen hört, so kümmerte sich dieser Mann auch nicht so sehr um die Ehre von Gottes Namen, wie um die Ehre seines eigenen Namens.

Er hat auch eine Nase wie ein Pferd, denn wie das Pferd gern an dem Dreckt riecht, den es ausgeworfen hat, so fand es dieser Mann sehr angenehm, nachdem er eine Sünde begangen hatte, die für Gott ein abscheulicher Dreck ist, an ihren Gestank zu denken.
Er hat weiter einen Mund, wie der Wildeste Wolf. Denn obwohl der Wolf seinen Magen und sein Maul mit dem gefüllt hat, was er sah, möchte er doch auch noch das verschlingen, von dem er mit seinen Ohren vernimmt, dass es lebt. So war es auch mit diesem Mann, denn wenn er all das besessen hätte, was er mit den Augen sah, so hätte er doch auch noch das begehrt, von dem er hörte, dass es anderes besitzen.

Er hat auch Hände, wie die stärksten Elch klauen. Wenn der Elch wütend wird, zerreißt er mit seinen Klauen das Tier, wenn er es kann, und in seinen heftigen Zorn kümmert es ihn nicht, wohin die Eingeweide oder das Fleisch geraten, wenn er nur dem anderen Tier das Leben nehmen kann. So war es auch mit diesem Mann, denn als er zornig war, scherte es ihn nicht, ob die Seele seines Feindes zur Hölle fuhr oder wie sein Leib im Tode geplagt wurde – wenn er ihm nur das Leben nehmen konnte.

Er hat schließlich Füße wie ein Geier. Wenn der Geier etwas in den Klauen hält, was er fressen will, umklammert er es mit seinem Fuß so kräftig, dass der Fuß seine Kräfte vor Schmerz verliert, und so lässt er das, was er gehalten hatte, fallen, als ob er davon nichts gewusst hätte. So war es auch mit diesem Mann, denn das, was er zu Unrecht besaß, das wollte er bis in den Tod behalten, als er alle seine Kräfte verlor und gezwungen wurde, es loszulassen.
Das Haar der Frau sah aus wie ein Dornengestrüpp. Mit dem Haar, das auf dem Scheitel wächst und das Gesicht das Menschen schmückt, wird der Wille bezeichnet, der sich innig danach sehnt, dem höchsten Gott zu gefallen. Ein solcher Wille schmückt die Seele auch vor Gott. Aber da es der Wille dieser Frau ist, in erster Linie dieser Welt zu gefallen, ja noch mehr als dem höchsten Gott, sieht ihr Haar aus wie ein Dornengestrüpp.

Ihre Augen befinden sich im Nacken, denn sie wendet die Augen ihres Sinnes von dem ab, was Gott ihr in seiner Güte doch bewiesen hat, als er sie erschuf, sie erlöst und mannigfacher Weise treu für sie sorgte, aber sie betrachtete immer nur das Vergängliche, von dem sie sich doch jeden Tag mehr und mehr entfernen muss, bis es ihrem Blick ganz entschwindet.

Ihre Ohren sehen – geistlich gesehen – abgeschnitten aus, denn sie kümmert sich überhaupt nicht darum, die Lehre des heiligen Evangeliums oder die Predigt zu hören. Ihre Nase ist voller Fäulnis, denn wie der liebliche Wohlgeruch in angenehmer Weise durch die Nase zum Gehirn zieht, damit das Hirn dadurch gestärkt wird – so bringt diese Frau durch ihre Begierde all das, was dem Körper gefällt und ihn stärkt, gierig zur Verwirklichung.

Ihre Lippen sahen aus wie Schlangenzähne, und in der Zunge war ein Giftstachel. Wenn die Schlange ihre Zähne fest zusammenpresst, um den Stachel zu schützen, so dass er nicht durch irgendeinen Zufall zerbrochen wird, so fließt Schmutz von ihrem Maul herunter auf die Zähne, da das Maul und die Zähne an verschiedenen Stellen sind. Ebenso verschließt diese Frau ihre Lippen vor der aufrichtigen Beichte, damit sie das Vergnügen der Sünde nicht aufgeben müsste, das ein giftiger Stachel für ihre Seele ist, und doch tritt der Sündenschmalz vor Gott und seine Heiligen offen ans Licht.

Ich sprach vorhin mit dir über das Verdammensurteil über eine Ehe, die gegen die Verordnungen der Kirche eingegangen ist. Nun werde ich dich genauer über diese Gatten unterrichten. Du hast die Hände der obengeannten Frau in Form von Fuchsschwänzen und ihre Füße in Form von Skorpionen gesehen. Denn so wie sie mit all ihren Gliedern und Begierden falsch gerichtet war, so weckte sie mit ihren leichtfertigen Händen und dem Gang ihrer Füße die Lust des Fleisches und stach die Seele ihres Mannes schlimmer als ein Skorpion.

Und siehe, zur selben Stunde zeigte sich ein Neger, der einen Dreizack in der Hand hielt und an einem Fuß die schärfsten Klauen hatte, und er rief und schrie: „Richter, nun ist meine Zeit gekommen! Ich habe gewartet und war still, aber jetzt ist es Zeit, zu handeln!“ Und gleich bekam ich zu sehen, wie ein Mann und eine Frau, beide nackt, sich vor dem Richter zeigten, der mit seiner unzähligen Heerschar auf dem Thron saß.

Der Richter sagte zu ihnen: „Sagt, was ihr gehört habt, obwohl ich alles weiß!“ Der Mann erwiderte: „Wir standen unter dem Ehebann der Kirche, aber wir kümmerten uns nicht darum und haben es verachtet.“ Der Richter sagte: „Nachdem ihr dem Herrn nicht habt gehorchen wollen, ist es gerecht, dass ihr die Grausamkeit des Henkers erfahrt.“
Und gleich steckte der Neger eine Kralle in beider Herzen und drückte sie so hart zusammen, dass sie wie in eine Presse gesetzt schienen. Der Richter sagte: „Siehe, Tochter, so etwas verdienen die, die sich bewusst von ihrem Schöpfer wegen dem, was er geschaffen hat, entfernen.“ Weiter sagte der Richter zu den beiden: „Ich gab euch einen Sack, damit ihr mir leckere Früchte sammelt; was habt ihr nun zu bringen?“

Die Frau erwiderte: „O Richter, wir haben die Genüsse des Bauches gesucht, aber nichts anderes als Schande geerntet.“ Da sagte der Richter zum Henker: „Vergilt ihnen, was gerecht ist!“ Dieser steckte gleich seine andere Kralle in beider Mägen und verletzte sie so schwer, dass alle Eingeweide durchstochen schienen.
Der Richter sagte: „Sieh, so etwas verdienen die, die das Gesetz übertreten und die Durst auf Gift statt auf Medizin haben.“ Weiter sagte der Richter zu den beiden: „Wo ist mein Schatz, den ich euch anvertraut habe, damit ihr ihn vermehrt?“ Beide antworteten: „Wir haben ihn unter unsere Füße gelegt, denn wir suchten den irdischen und nicht den ewigen Schatz.“

Da sagte der Richter zum Henker: „Vergilt ihnen, was du kannst und sollst!“ Dieser steckte gleich seine dritte Klaue in ihr Herz, ihre Mägen und Füße, so dass alles wie ein einziger Ball aussah. Und der Neger fragte: „Herr, wohin soll ich mit ihnen gehen?“ der Richter antwortete: „Es kommt dir nicht zu, aufzusteigen oder dich zu freuen!“ Nach diesen Worten verschwanden der Mann und die Frau gleich unter großem Gejammer aus den Augen des Richters. Der Richter sagte: „Freue dich, Tochter, dass du mit solchen Leuten nichts zu tun hast!“