63. Kapitel

Der Braut (Birgitta zeigte sich ein Teufel mit langem Bauch und sagte: „Was glaubst du, Frau, und an welche großen Dinge denkst du? Ich weiß viel, und ich will meine Worte mit offenkundigen Gründen bekräftigen, Ich rate dir, damit aufzuhören, an das Unglaubliche zu denken und stattdessen an das zu glauben, was deine Sinne dir bezeugen. Siehst du nicht mit deinen Augen und hörst mit deinen leiblichen Ohren den Laut, wenn die aus leibhaftem Brot gemachte Hostie gebrochen wird? Hast du nicht gesehen, wie sie ausgespuckt wurde, unsanft berührt und auf die Erde geworfen wurde? Ja, vieles andere, was ungehörig ist, geschieht damit, was ich nicht dulden würde, wenn es gegen mich verübt würde. Und auch wenn es möglich wäre, dass Gott im Munde des Gerechten sein könnte – wie könnte er zu den Ungerechten eingehen, deren Gewinnsucht ohne Boden und Maß ist?“

Unmittelbar nach dieser Versuchung zeigte sich Christus in menschlicher Gestalt, und sie sagte zu ihm: „Herr Jesus Christus, ich danke dir für alles, und besonders für drei Dinge: Erstens dafür, dass du meine Seele bekleidest, indem du ihr Reue und Buße eingibst, wodurch jede Sünde, wie schwer sie auch sein mag, ausgetilgt wird.
Zweitens dafür, dass du meine Seele am Leben erhältst, indem du ihr die Liebe zu dir und die Erinnerung an dein Leiden in sie eingießt; dadurch wird sie erfreut, wie von der besten Kost.

Drittens dafür, dass du alle tröstest, die dich in deiner Trübsal anrufen. Erbarme dich daher über mich, o Herr, und hilf meinem Glauben, denn obwohl ich es verdient hätte, dem Betrug des Teufels zum Opfer zu fallen, glaube ich doch, dass er nichts ohne deine Zulassung vermag, und dass deine Zulassung nicht ohne Trost ist.“
Da sagte Christus zum Teufel: „Warum sprichst du mit meiner neuen Braut?“ Der Teufel antwortete ihm: „Weil sie mit mir verbunden war und ich immer noch hoffe, sie in mein Netz zu verstricken. Sie war mit verbunden, als sie mit meinen Ratschlägen einverstanden war und mehr danach strebte, mir zu gefallen, als dir, ihrem Schöpfer. Ich gab Acht auf ihre Wege, und die sind mir niemals aus dem Sinn gekommen.“

Der Herr sagte: „Du bist ein Ränkeschmied und kundschaftest aller Menschen Wege aus.“ Der Teufel sagte: „Ja, ich bin ein Späher, aber im Dunkel, denn dunkel hast du mich gemacht.“ Der Herr fragte: „Wann hast du das gesehen, und wie bist du dunkel geworden?“
„Ich sah“, erwiderte der Teufel, „als du mich wunderschön geschaffen hast, aber weil ich unbedacht in deinen Strahlenglanz drängte, wurde ich wie der Basilisk davon geblendet. Ich habe dich gesehen, als ich deine Schönheit begehrte. Ich habe dich in meinem Gewissen gesehen und kannte dich, als du mich verwarfst. Ich kannte dich auch, als du Menschengestalt annahmst, und ich tat, was du mir erlaubtest. Ich kannte dich, als du bei deiner Auferstehung meine Gefangenen berührtest. Ich spüre täglich deine Macht, womit du mich verhöhnst und mich beschämst.“

Der Herr sagte: „Wenn du mich kennst und die Wahrheit über mich weißt, warum lügst du da meinen Auserwählten etwas vor, wenn du die Wahrheit über mich weißt? Habe ich nicht gesagt, dass der, der mein Fleisch isst, in Ewigkeit leben wird? Und dennoch sagst du, dass es unwahr ist, und dass niemand mein Fleisch isst. Also würde mein Volk ja eine schlimmere Abgötterei betreiben, als der, der Steine und Holzstücke verehrt. Aber nun sollst du, obwohl ich alle Dinge weiß, mir auf diese Frage antworten, so dass sie, die hier steht, und die das Geistliche nur durch Gleichnisse verstehen kann, es hört: Thomas berührte mich ja nach meiner Auferstehung – war der Leib, den er da berührte, geistlich oder körperlich? Wenn er körperlich war, wie konnte er dann durch verschlossene Türen kommen? Und wenn er geistlich war, wie konnte er dann für körperliche Augen sichtbar sein?“

Der Teufel erwiderte: „Es ist schwer, zu reden, wenn ihm von allen misstraut wird und er gegen seinen Willen gezwungen wird, die Wahrheit zu sagen. Dennoch werde ich – wenn auch gezwungen – reden und bekennen, dass du nach deiner Auferstehung geistlich und körperlich vorhanden warst. Deshalb kannst du auf Grund der ewigen Kraft deiner Gottheit und des geistlichen Vorrangs des verherrlichten Fleisches überall eintreten und überall sein.“
Gott sagte weiter: „Als Moses Stab in eine Schlange verwandelt wurde, war sie da nur wie eine Schlange, oder war sie ganz und gar eine Schlange, inwendig und äußerlich? Und diese Körbe mit Brot und Brotstücken – enthielten die richtiges Brot oder nur etwas, das wie Brot aussah?“

Der Teufel antwortete: „Der ganze Stab wurde eine Schlange, alles in den Körben war Brot, und alles geschah durch deine Kraft, alles durch deine Macht.“
Der Herr sagte: „Sollte es wohl schwerer für mich sein, ein solches Wunder jetzt zu wirken, als damals, ja ein noch größeres Wunder, wenn es mir gefiele? Wenn der verherrlichte Leib damals durch geschlossene Türen zu den Aposteln treten konnte, warum kann er da nicht auch jetzt in den Händen der Priester sein? Sollte es meiner Gottheit irgendwelche Mühe bereiten, das Unterste mit dem Himmlischen, das Irdische mit dem Höchsten zu vereinen? Keineswegs.

Nein, so wie deine Bosheit, du Vater der Lüge, die allergrößte ist, so übersteigt meine Liebe alles und wird es immer tun. Auch wenn einer dieses Sakrament (die Hostie) zu verbrennen scheint und ein anderer es unter die Fußte tritt, so kenne ich doch allein den Glauben von allen und richte alles mit Maß und Geduld ein. Ich der etwas aus Nichts macht und das Sichtbare aus dem Unsichtbaren, ich kann auch etwas Sichtbares in einem Zeichen und einer Form zeigen, obwohl es in Wahrheit unter dem Schleier eines Zeichens ist, aber etwas anderes zu sein scheint.“
Der Teufel entgegnete: „Dass dies wahr ist, erfahre ich täglich, wenn die Menschen, die meine Freunde sind, sich von mir trennen und deine Freunde werden. Was soll ich noch mehr sagen? Der Diener, der sich selbst überlassen wird, zeigt in seinem Willen deutlich, was er tun und lassen sollte, wenn er nur könnte.“

Wieder sprach Gottes Sohn: „Glaube, meine Tochter, dass Christus der Erneuerer und nicht der Verderber des Lebens ist; wahr, ja selbst die Wahrheit, und kein Lügner; die ewige Macht, ohne die nichts gewesen ist und nichts werden wird! Wenn du den Glauben hast, dass ich in den Händen des Priesters bin, so kannst du wissen, dass ich – auch wenn der Priester zweifelt – doch wirklich in seinen Händen bin, auf Grund Glaubens der anwesenden Gläubigen und auf Grund der Worte, die ich selbst gesagt und bestimmt habe. Ein jeder, der mich annimmt, nimmt die Gottheit und die Menschengestalt sowie die Form des Brotes an.

Was ist Gott anderes, wenn nicht das Leben und die Lieblichkeit, das strahlende Licht, die erquickende Güte, die urteilende Gerechtigkeit und erlösende Barmherzigkeit? Was ist meine Menschengestalt anderes, wenn nicht der flinkeste und geschmeidigste Körper, die Vereinigung von Gott und Mensch, das Haupt aller Christen? Also empfängt ein jeder, der an Gott glaubt und seinen Leib annimmt, die Gottheit selbst, denn er empfängt das Leben. Er empfängt auch die Menschengestalt, in der Gott und Mensch vereinigt sind, mit der Gestalt des Brotes, denn der, der in seiner eigenen Gestalt vorborgen ist, wird unter einer anderen zur Prüfung des Glaubens empfangen.

Auch der schlechte Mensch empfängt dieselbe Gottheit, aber zu seinem Gericht und nicht zu seiner Freude. Er empfängt auch die Menschengestalt, die doch wenig wohlwollend gegen ihn gestimmt ist, sowie die Gestalt des Brotes, denn mit der sichtbaren Gestalten empfängt er die verborgene Wahrheit, die ihn aber nicht mit ihrer Süße erquickt. Denn wenn er mich an seinem Mund und seine Zähne führt, ist das Sakrament vollendet, und ich weiche mit meiner Göttlichkeit und Menschengestalt von ihm, so dass nur die Form des Brotes bei ihm bleibt.

Nicht so, dass ich auf Grund der Stiftung des Sakraments bei den Schlechten nicht ebenso wie bei den Guten anwesend bin, sondern so, dass die schlechten Menschen nicht dieselbe Wirkung wie die Guten erfahren. Im Opfer selbst wird dem Menschen das Leben, nämlich Gott selber, dargeboten, und das Leben tritt auch bei den Bösen ein, aber bleibt nicht bei ihnen, weil sie das Böse nicht aufgeben. Für sie bleibt nur eine Wahrnehmung der Brotgestalt mit ihren Sinnen, aber das Brot bringt ihnen keinen Nutzen, denn sie denken über dieses Verzehren nichts anderes, als dass sie die Gestalt von Brot und Wein gesehen und gespürt haben, ganz so, als ob ein mächtiger Herr in das Haus von irgend jemandem getreten sei, und man sich zwar an seine Gestalt erinnert, aber die Anwesenheit seiner Güte vergessen hat.“