67. Kapitel

Der Sohn spricht zur Braut: „Ich bin ein Gott mit dem Vater und dem Heiligen Geist. In der Vorausschau meiner Gottheit sind alle Dinge von Anfang an und seit Jahrhunderten vorausgesehen und bestimmt. Und alle Dinge, die körperlichen und geistlichen, haben ihre bestimmte Struktur und Anordnung, und alles steht und läuft, nachdem es in meinem Vorherwissen angeordnet und bestimmt ist.

Da kannst du von drei Dingen her verstehen. Wenn du auf die achtest, die leben, so findest du, dass es die Frau ist, die gebärt, und nicht der Mann. Wenn du auf die Bäume achtest, so findest du, dass die süßen süße Früchte und die bitteren bittere Früchte bringen. Was die Himmelskörper betrifft, legen Sonne, Mond und alle Sterne ihre Bahn so zurück, wie es in meiner Göttlichkeit vorherbestimmt ist. So sind auch die vernunftbegabten Seelen meiner Göttlichkeit bekannt, und ich weiß im voraus, wie sie werden sollen. Aber mein Vorherwissen schadet ihnen doch in keiner Weise, denn ich habe ihnen die Bewegung des freien Willens gegeben, d.h. den freien Willen und die Macht, zu wählen, was ihnen gefällt.

So wie die Frau gebärt und nicht der Mann, so muss also auch die Seele, Gottes gute Frau, mit Gottes Hilfe gebären, denn die Seele ist dazu erschaffen, dass sie sich in Tugenden vervollkommnet und durch die Aussaat der Tugenden fruchtbar wird, so dass sie in die Arme der göttlichen Liebe geschlossen werden kann. Aber jetzt ist die Seele in ihrem Ursprung aus der Art geschlagen und bringt ihrem Schöpfer keine Frucht; sie handelt gegen Gottes Verordnungen und ist daher unwürdig, Gottes Süße zu schmecken.

Zweitens tritt Gottes unveränderliche Anordnung in den Bäumen hervor, von denen die süßen süße Früchte bringen, aber die bitteren bittere. In der Dattel gibt es zwei Dinge, nämlich Süßigkeit und einen harten Kern. So ist es von Ewigkeit vorhergesehen, dass – wo immer der Heilige Geist wohnt – da verliert alle weltliche Belustigung ihren Wert, und da wird alle weltliche Ehre mühevoll. Und der Heilige Geist verleiht diesem Herzen so große Stärke und Härte, dass es nicht von irgendeiner Ungeduld zerbricht, nicht von irgendeinem Unglück niedergeworfen wird und sich nicht durch irgendeinen Erfolg überhebt.

Ebenso ist es von Ewigkeit her vorausgesehen, dass – wo immer der Dorn des Teufels ist – da gibt es eine Frucht, die außen rot ist, aber inwendig voll Unreinheit und Stacheln. Die flüchtige Lust, die der Teufel bereitet, scheint nämlich lieblich zu sein, ist aber voller Dornen und Trübsal. Denn je mehr einer im Irdischen verstrickt ist, durch eine umso größere Bürde der Rechenschaft wird er belastet. So wird – wie jeder Baum nach der Beschaffenheit der Wurzel und des Stammes Frucht bringt – jeder Mensch nach der Absicht seines Tuns gerichtet.

Drittens haben alle Elemente die Ordnung und Bewegung, die ihnen von Ewigkeit her bestimmt ist, und sie bewegen sich nach dem Willen ihres Urhebers. So muss sich auch jedes vernunftbegabte Wesen nach der Bestimmung seines Schöpfers bewegen und seinen Willen danach richten. Aber wenn der Mensch das Gegenteil tut, ist es offenbar, dass er seinen freien Willen missbraucht, und wo die Unvernunft herrschen darf, da entartet der vernunftbegabte Mensch und verschlimmert sein Gericht, weil er nicht die Vernunft gebraucht.

Deshalb soll der Mensch auf seinen Willen achten, denn ich will dem Teufel kein größeres Unrecht tun, als meinen Engel. So wie Gott von seiner keuschen Braut die unaussprechliche Süße fordert, so will ja der Teufel von seiner Braut Stacheln und Dornen haben. Aber der Teufel kann keine Macht über den Menschen gewinnen, wenn dessen Wille nicht verdorben wird.“