79. Kapitel
(An einen Priester in Rom)

Lob und Ehre sei dem allmächtigen Gott für alle seine Werke! Ewige Ehre sei auch ihm, der begonnen hat, dir Gnade zu erweisen! Wir sehen, dass – wenn die Erde von Schnee und Frost bedeckt ist und ein paar Samenkörner darin ausgesät sind, so ist es doch sicher, dass sie nur an den wenigen Stellen wachsen können, die von den Strahlen der Sonne erwärmt werden, und wo Blätter, Stängel und Blumen glücklich sprießen können. An diesen kann man erkennen, von welcher Art die Gewächse sind, oder welche Tugend sie besitzen.

In gleicher Weise scheint mir die ganze Welt fast bedeckt vom Frost des Hochmuts, von Gier und Lüsternheit, und es scheinen sehr wenige zu sein, in deren Herzen (so weit man das aus ihren Worten und Taten beurteilen kann) die vollkommene Gottesliebe wohnt. Daher sollte man wissen, dass – wie Gottes Freunde sich freuten, als sie Lazarus zu Gottes Ehre vom Tode auferweckt sahen, so können Gottes Freunde sich nun freuen, wenn sie jemanden aus den drei genannten Lastern auferstehen sehen, die in Wahrheit den ewigen Tod bedeuten.

Weiter ist zu bemerken, dass Lazarus, nachdem er auferstanden war, sich zweifachen Hass zugezogen hat. Denn er hatte ein paar persönliche Feinde, nämlich Menschen, die Gottes Gegner waren, und diese hassten den Lazarus leibhaftig. Er hatte auch ein paar geistige Feinde, nämlich die Teufel, die niemals Gottes Freunde werden wollen, und diese hassten ihn auf geistliche Weise.
So ziehen auch die, die jetzt von Todsünden auferstehen, und die Keuschheit bewahren und den Hochmut und die Begierde fliehen, einen zweifachen Hass auf sich. Denn die Menschen, die Gottes Feinde sind, wollen ihnen auf zweifache Art schaden, und ebenso suchen die Teufel ihnen auf zwei geistige Arten zu schaden und sie zu verderben.

Erstens schmähen die weltlichen Menschen sie mit ihren Worten, zweitens bereiten sie ihnen Verdruss mit ihren Taten, um sie in ihrem Leben und ihren Taten wie sich selbst zu machen und sie von dem Guten abzubringen, das sie begonnen haben. Aber der Gottesmann, der kürzlich zu einem geistlichen Leben bekehrt ist, kann solche bösartigen Menschen sehr gut überwinden, wenn er geduldig ihre feindseligen Worte erträgt und während sie das auch sehen, oft und eifrig geistliche und göttliche Werke ausübt.
Auch die Teufel suchen ihn auf doppelte Weise zu Fall zu bringen. Erstens, weil sie dringend wünschen, dass dieser neue Gottesfreund in seine alten Sünden zurückfallen möchte. Können sie das nicht erreichen, so arbeiten die Teufel eifrig, darauf hin, dass er seine guten Werke unvernünftig und unklug ausführen soll, nämlich dadurch, dass er in unvernünftiger Weise über das richtige Maß hinaus wacht oder fastet, so dass seine Kräfte auf die Weise erschöpft werden und er selbst im Dienste Gottes schwächer wird.

Gegen das erste ist das beste Heilmittel das fleißige und ehrliche Beichten seiner Sünden und die wahre innere Zerknirschung über die Sünden. Gegen das zweite ist das beste Heilmittel, sich zu demütigen, nämlich einem weisen alten Mann lieber gehorchen zu wollen, als sich selbst zu leiten, wenn es die Taten und Bußübungen betrifft, die geplant werden sollen.
In Wahrheit, dieses Heilmittel ist sehr nützlich und so gut, dass man – auch wenn der Berater noch unwürdiger als der Empfänger des Rates sein sollte – doch ganz sicher darauf hoffen kann, dass die göttliche Weisheit, nämlich Gott selbst, durch seine Hilfe mit dem Ratgeber zusammenwirkt, um die Ratschläge zu erteilen, die für den Empfänger am nützlichsten sind, falls beide den festen Willen haben, Gott zu ehren und zu verherrlichen.

Aber nun, geliebter Freund, nachdem du und ich von unseren Sünden auferstanden sind, wollen wir Gott bitten, dass er geruht, uns beiden seine göttliche Hilfe zu gewähren – mir, um zu reden, und dir, um zu Gehrochen. Und wir wollen Gott noch inniger darum bitten, nachdem ihr, der reich, weise und gütig ist, geruht hat, mich Unwürdige, Unkluge und Unbekannte zur Beraterin zu nehmen. Und ich hoffe in Wahrheit, dass Gott auf eure Demut sehen wird und das, was ich Euch ihm zu Ehren schreibe, Euch zum Gewinn des Leibes und der Seele gereichen lasse.