81. Kapitel

Dieser Mann ist wie ein Sack, der voller Grannen ist, und in den zehn neue Grannen gelegt würden, wenn eine weggenommen wird. So ist der Mann, für den du bittest, denn wenn er eine Sünde aus Furcht unterlässt, so begeht er zehn andere um weltlicher Ehre willen. Was den zweiten Mann betrifft, für den du bittest, will ich dir antworten, dass es nicht üblich ist, verfaultes Fleisch teuer einzupökeln.
Du bittest darum, dass er zum Nutzen seiner Seele körperliche Beschwerden erleiden soll, aber sein Wille steht im Streit mit deinem Begehren. Er trachtet nämlich nach weltlicher Ehre und trachtet mehr nach Reichtümern als nach geistlicher Armut, und die Wollust ist ihm lieb. Deshalb ist seine Seele für mich verrottet und stinkt, und deshalb kommt ihm das teure Einsalzen nicht zu, was für den Gerechten Mühe mit sich bringt.

Was den dritten Mann betrifft, in dessen Augen du Tränen siehst, will ich dir antworten, dass du nur den Leib siehst, während ich ins Herz sehe. Du siehst ja manchmal, dass eine dunkle Wolke von der Erde aufsteigt, zum Himmel schwebt und unter der Sonne hängen bleibt, und dass diese Wolke drei Arten von Niederschlag hervorbringt, nämlich Regen, Schnee und Hagel. Dann verschwindet die Wolke aber, denn sie stammte von der Unreinheit der Erde.
Mit einer solchen Wolke ist jeder Mann vergleichbar, der sich bis ins Alter von Sünde und Wollust nährt. Wenn das Alter kommt, fängt er an, den Tod zu fürchten und bedenkt seine Gefahr, und doch gefällt die Sünde seiner Seele. Wie sich die Wolke von der Unreinheit der Erde zum Himmel erhebt, so begibt sich das Gewissen eines solchen Mannes von der Unreinheit des Leibes, d.h. der Sünde, zur Betrachtung seiner selbst und bringt drei Arten von Tränen hervor.

Die erste ist mit dem Regenwasser zu vergleichen, und sie betrifft das, was der Mann körperlich liebt. Wenn er z.B. Freunde, zeitliche Güter oder körperliche Gesundheit verliert, dann wird er gegen Gottes Verordnung und Zulassung bitter gestimmt, und vergießt so viele unkluge Tränen.
Die zweiten Tränen sind mit dem Schnee zu vergleichen, denn wenn der Mann anfängt, die Gefahren zu bedenken, die seinem Körper drohen, die Qual des Todes und das Elend der Hölle, da fängt er an zu weinen, aber nicht aus Liebe, sondern aus Angst, und deshalb werden solche Tränen schnell verdunsten und zu Nichts werden wie der Schnee.

Die dritten Tränen sind mit Hagel zu vergleichen, denn wenn der Mann bedenkt, wie schön die Wollust des Fleisches für ihn ist und war, dass er sie verlieren wird, und welche Freude im Himmel geboten wird, dann fängt er an, über das Unglück der Verdammnis und seinen eigenen Verlust zu weinen, kümmert sich aber nicht um die Schande, die es Gott bereitet, wenn er eine Seele verliert, die er mit seinem Blut erlöst hat.

Er kümmert sich auch nicht darum, wie weit er nach dem Tod Gott sehen darf oder nicht, wenn er nur eine Wohnung im Himmel oder auf Erden bekommt, wo er keine Plagen leiden muss, sondern auf ewig seine Lust genießen kann. Daher kann man solche Tränen zu Recht mit Hagel vergleichen, denn das Herz eines solchen Menschen ist sehr hart und ist nicht von irgendeiner Liebe zu Gott erwärmt. Solche Tränen können die Seele auch nicht zum Himmel ziehen. Aber nun will ich dir zeigen, welche Tränen die Seele zum Himmel ziehen. Sie können mit Tau verglichen werden. Manchmal steigt ein Dunst von der Süße der Erde auf, schwebt zum Himmel und verweilt unter der Sonne. Von der Wärme der Sonne wird er feucht, steigt wieder zur Erde nieder und macht alles fruchtbar, was auf Erden wächst. Das heißt bei euch „Tau“. Man sieht auf Rosenblättern, die der Wärme ausgesetzt sind, wie sie erst Feuchtigkeit absondern, und wie diese dann herunter tropft.

So verhält es sich auch mit dem geistlichen Menschen. Jeder, der an die gesegnete Erde denkt, die der Leib Christi ist, an die Worte, die Christus mit seinem eigenen Munde sprach, an die große Gnade, die er der Welt bewiesen hat, und an die bittere Pein, die er aus Liebe für unsere Seelen gelitten hat, der spürt mit großer Freude, wie die Liebe, die er zu Gott hat, zum Hirn steigt, das mit dem Himmel zu vergleichen ist.

Sein Herz, das mit der Sonne vergleichbar ist, wird von göttlicher Wärme erfüllt, und sein Auge füllt sich mit Tränen, indem er darüber betrübt ist, dass er einen so unendlich guten und milden Gott gekränkt hat, und lieber alle Qual zu Gottes Ehre leiden will, als alle möglichen Genüsse zu haben, aber Gott verliert. Diese Tränen sind mit Recht mit fallendem Tau vergleichbar, da sie Kraft verleihen, gute Werke zu tun und in Gottes Augen Frucht bringen. Und wie sprießende Blumen den fallenden Tau in sich aufsaugen, und der Tau im Blumenkelch eingeschlossen wird, so schließen die Tränen, die aus göttlicher Liebe vergossen werden, Gott in die Seele ein, und Gott zieht die Seele in sich hinein.

Es ist aber dich gut, Gott aus zwei Gründen zu fürchten. Erstens können so große, gute Taten aus Furcht getan sein, damit sie dann einen Funken Gnade ins Herz ziehen, damit die Liebe gewonnen werden kann. Du kannst dies besser durch ein Gleichnis verstehen. Es war ein Goldschmied, der reines Gold auf die Waage legte. Ein Köhler kam zu ihm und sagte: „Herr, ich habe die Kohle, die du für deine Arbeit brauchst. Gib mir, was sie wert sind!“

Der Goldschmied antwortete: „Es steht fest, wie hoch der Preis der Kohle ist.“ Er gab ihm etwas Gold und verwendete die Kohle bei seiner Arbeit, während der Köhler sich für das Geld sein Essen besorgte. So ist es auch im geistlichen Bereich. Werke, die ohne Liebe getan sind, gleichen der Kohle, aber die Liebe dem Gold. Wenn ein Mensch gute werke aus Furcht tut, aber doch die Erlösung seiner Seele damit gewinnen will, wenn er sich nach Gott im Himmel sehnt, sondern nur fürchtet, in der Hölle zu landen, so hat er sicher gute Taten vollbracht, aber sie sind kalt und nehmen sich in Gottes Augen wie kalt aus.

Gott ist mit einem Goldschmied zu vergleichen, der in seiner geistlichen Gerechtigkeit weiß, in welchem Maß die guten Werke belohnt werden sollen, oder mit welcher Gerechtigkeit die Gottesliebe zu gewinnen ist. In seiner Vorsehung ordnet er auch an, dass der Mensch für die guten Taten, die er aus Furcht vollbracht hat, von einer Gottesliebe entzündet wird, die er dann zur Gesundung seiner Seele anwendet. So wie der gute Goldschmied die Kohle zu seiner Arbeit verwendet, so benutzt Gott kalte Werke zu seiner Ehre.

Zweitens ist es gut, sich aus dem Grund zu fürchten, dass der Mensch ebenso viele Sünden aus Furcht unterlässt, von ebenso vielen Strafen er in der Hölle befreit wird. Doch hat er nicht das Recht, zum Himmel aufzufahren, nachdem er keine Liebe gehabt hat. Denn wessen Wille so ist, dass er ewig auf Erden leben wollte, wenn er könnte, in dessen Herzen gibt es keinesfalls Gottesliebe; Gottes Werke sind gleichsam tot für ihn, und daher begeht er Todsünden und wird zur Hölle verdammt werden.

Sicher wird er nicht an diesem Ort der Plage brennen, sondern sich im Dunkeln aufhalten, nachdem er die Sünde nur aus Furcht unterlassen hat, aber er wird auch nicht die Freude des Himmels spüren, nachdem er sich nicht danach gesehnt hat, so lange er lebte. Er wird also wie ein Blinder und Stummer und wie ein Mann ohne Hände und Füße dasitzen, nachdem seine Seele die Pein der Hölle versteht, aber wenig von der Freude, die im Himmel herrscht.

Erklärung
Diese Offenbarung handelt von drei Rittern. Der erste war aus Schonen, und von ihm handelt folgende Vision. Frau Birgitta sah eine Seele, die gleichsam zweimal in Scharlachfarbe getaucht, aber mit einigen wenigen schwarzen Tropfen bespritzt war. Nachdem sie die Seele gesehen hatte, verschwand diese gleich aus ihrem Gesichtsfeld. Nach drei Tagen sah sie dieselbe Seele ganz rot, aber mit einigen Edelstein geschmückt, die wie Gold strahlten.
Als sie sich darüber wunderte, sagte Gottes Geist: „Diese Seele war von weltlichem Kummer gefesselt, hatte aber wahren Glauben. Sie kam zu den Ablassstellen in Rom mit der Absicht, Liebe zu Gott zu gewinnen und zu dem Entschluss zu kommen, nicht mehr bewusst sündigen zu wollen.

Dass du die Seele in einem Scharlachgewande gesehen hast, das bedeutet, dass sie vor dem leiblichen Tode Gottesliebe empfangen hat, wenn auch eine unvollkommene. Dass du sie mit schwarzen Tropfen bespritzt gesehen hast, das bedeutet, dass sie von einer fleischlichen Sehnsucht nach ihrer leiblichen Verwandten und von der Sehnsucht beherrscht wurde, ihr Land wieder zu sehen. Doch hat sie mir ihren ganzen Willen anvertraut, und deshalb hat sie verdient, gereinigt und für das Höhere vorbereitet zu werden.

Dass du Edelsteine auf der roten Farbe gesehen hast, das bedeutet, dass sie auf Grund ihres guten Willens und der Wirkung dieser Ablässe der ersehnten Krone nahe gekommen ist. Sieh also, meine Tochter, und betrachte, wie viel Gutes der Ablass in Rom den Menschen verleiht, die dafür in heiliger Absicht hierher kommen! Denn auch wenn einem Menschen tausend und abertausend Jahre vergönnt sein würden (wie es auch denen, die hierher kommen, für ihren Glauben und ihre Frömmigkeit vergönnt wird), so wäre das doch kein genügend hoher Preis, um ohne Gottes Gnade die Gottesliebe zu erlangen. Aber diese Liebe, die meine Heiligen mit ihrem Blut erwirkt haben, wird um der Ablässe willen gegeben, und man verdient sie auch in Wahrheit.“

Der zweite Ritter in derselben Offenbarung war aus Holland. Über ihn sagte Gottes Sohn: „Was hat dir dieser großsprecherische, mit leerem Geschwätz gefüllte Mann gesagt? Etwa deshalb, dass man zweifelt, wie weit mein Schweißtuch echt ist oder nicht? Sage ihm deshalb standhaft die vier Dinge, die ich dir jetzt sage. Erstens, dass viele Leute Schätze sammeln, aber nicht wissen, für wen. Zweitens, dass jeder, der nicht froh das Pfund ausgibt, das der Herr ihm anvertraut hat, sondern es zu keinem Nutzen aufhebt, sich ein Gericht zuziehen wird. Drittens, dass der, der die Welt und das Fleisch mehr liebt als Gott, nicht in die Gesellschaft derer kommen wird, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten.

Viertens, dass jeder, der nicht die Menschen hört, die (um Hilfe) rufen, selber wird rufen müssen, ohne gehört zu werden. Was mein Schweißtuch betrifft, mag er wissen, dass – wie der Blutschweiß aus meinem Körper drang, als ich vor meinem Leiden zum Vater (in Getsemane) betete, dieser Schweiß um ihretwillen, die zu mir betet, und zum Trost für spätere Geschlechter von meinem Gesicht niedertropfe. Der dritte Ritter in derselben Offenbarung war aus Schweden, und von ihm handelt folgende Offenbarung. Gottes Sohn spricht: „Es steht geschrieben, dass ein Mann von seiner treuren Ehefrau gerettet wurde.

Sie sprang nämlich vor und zerrte ihren Mann mit beiden Händen aus den Klauen des Teufels. Mit der einen Hand riss sie ihn mit Tränen, Gebeten und Taten der Liebe aus der Hand des Teufels. Mit der anderen Hand zog sie ihn durch ihre Ermahnungen, ihr Vorbild und ihre Unterweisung zu sich, so dass er sich nun dem Wege der Erlösung nähert.
Deshalb sollte er drei Dinge überdenken, die im allgemeinen Gesetzbuch stehen. Da gibt es nämlich drei Stücke: Eines handelt vom Besitzen, ein zweites vom Verkaufen, ein drittes vom Kaufen. Im ersten Stück, das vom Besitzen handelt, wird gesagt, dass nichts zu Recht besessen wird, wenn es nicht auf ehrliche Weise erworben wurde, aber dass ein Erwerb, der durch betrügerische Kniffe, durch schlaue Überrumpelung oder unter Wert erfolgt ist, Gott nicht wohlgefällig ist.

Das zweite Stück handelt vom Verkauf. Manchmal wird etwas verkauft, weil man Mangel leidet oder etwas fürchtet, manchmal auf Grund von Gewalt und ungerechten Urteilen. Der Käufer muss da sein Gewissen fragen, um zu sehen, ob er mitleidig und liebevoll mit dem gewesen ist, dem er etwas abgekauft hat.
Das dritte Stück handelt vom Kauf. Wer etwas kaufen will, muss untersuchen, ob das, womit er kauft, rechtmäßig erworben ist.

Denn gesetzlich ist das nicht erworben, was man durch unrechtmäßig einkassierte Gelder erhalten hat. Dieser Mann sollte also diese drei Punkte genau überlegen, und er kann gewiss sein, dass er vor mir über alles Rechenschaft ablegen muss – und auch über das, was ihm seine Eltern hinterlassen haben, falls er das mehr als angebracht für die Welt als für Gott ausgibt. Er sollte auch wissen, dass er einmal vor mir Rechenschaft über seine Ritterschaft ablegen wird, in welcher Absicht er sie angenommen hat, wie er sie eingehalten hat, und wie er das Gelübde eingehalten hat, das er mir gegeben hat.“