89. Kapitel

Der Sohn spricht: „Wer streiten will, muss Mannesmut haben; er sollte sich wieder erheben, wenn er fällt, und sich nicht auf seine eigenen Kräfte verlassen, sondern auf meine Barmherzigkeit. Wer auf meine Güte nicht vertraut, denkt nämlich bei sich selbst: „Wenn ich etwas Schweres versuche oder meinen Leib mit Fasten zügele oder mich mit Wachen anstrenge, so kann ich nicht ausdauernd sein und mich von Sünden fernhalten, denn Gott hilft mir nicht.

Ein solcher Mann fällt mit Recht. Wer geistlich streiten will, sollte sich also auf mich verlassen und hoffen, dass er es mit Hilfe meiner Gnade vollbringen kann. Ferner muss er den Willen haben, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen, und wieder aufzustehen, so oft er fällt, indem er dieses Gebet spricht: „Allmächtiger Herr Gott, der du alle zum Guten leitest, ich Sünder habe mich durch meine Verfehlungen weit von dir entfernt, aber ich danke dir dafür, dass du mich auf den rechten Weg zurückgeführt hast. Daher bitte ich dich, mildester Jesus, dass du dich meiner erbarmst, der du blutend und gepeinigt am Kreuz gehangen hast. Und ich bitte dich durch deine fünf Wunden und den Schmerz, der aus deinen durchstochenen Adern ins Herz drang, dass du mich heute gnädig bewahrst, so dass ich nicht in Sünde falle. Gib mir auch die Kraft, den Pfeilen des Feindes zu widerstehen und mutig wieder aufzustehen, wenn es geschehen sollte, dass ich in Sünde falle.“

Aber damit der Kämpfende im Guten beharren kann, sollte er auf folgende Weise beten: „Herr Gott, für den nichts unmöglich ist und der alles kann, gib mir Kraft, gute Werke zu tun und im Guten zu beharren.“ Dann mag er das Schwert in die Hand nehmen, d.h. die reine Beichte, und das Schwert soll wohlgeschliffen und glänzend sein; geschliffen, so dass er sein Gewissen genau prüft, wie, wie viel es war, und aus welchem Grunde er gesündigt hat; glänzend, so dass er sich nicht vor nichts schämt oder etwas geheimält, oder die Sünde anders erzählt, als wie es zugegangen ist.

Dieses Schwert soll auch zwei scharfe Kanten haben, nämlich den Willen, nicht mehr zu sündigen, und den Willen, für die begangenen Sünden Besserung zu leisten. Die Spitze des Schwertes soll die Reue sein, womit der Teufel totgeschlagen wird, wenn der Mensch, der sich vorher über die Sünde gefreut hat, nun Zerknirschung und Trauer darüber empfindet, dass er mich, Gott, zum Zorn gereizt hat. Das Schwert muss auch einen Schaft haben, nämlich das Betrachten von Gottes großer Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit ist ja so groß, dass es keine Sünder gibt, der so elend ist, dass er nicht Vergebung findet, wenn er darum bittet und den Willen hat, sich zu bessern.

Mit deren Beachtung (nämlich dass Gottes Barmherzigkeit alles übersteigt) sollte das Schwert der Beichte gehalten werden. Aber damit nicht die Hand von den Kanten verletzt wird, ist ein Eisen zwischen der Schneide und dem Schaft, und der Schwertknauf hindert das Schwert, aus der Hand zu fallen. So sollte der, der das Schwert der Beichte hat und hoffen darf, dass er um Gottes Barmherzigkeit willen seine Sünden vergeben bekommt und von ihnen gereinigt wird, sich hüten, dass er nicht wegen einer vermessenen Hoffnung auf Vergebung zu Fall kommt. Daran sollte ihn der Schwertknauf (d.h. die Furcht vor Gott) hindern, indem er fürchtet, dass Gott ihm seine Gnade entzieht und wegen seiner allzu großen Vermessenheit auf ihn zornig wird.

Aber damit die arbeitende Hand nicht verletzt wird und ihre Kraft wegen allzu vieler und unkluger Arbeit verliert, das wird durch das Quergestellte Eisen verhindert, das zwischen den Hand und der Schwertschneide ist, d.h. die Betrachtung von Gottes Geduld – wie ich, obwohl ich so gerecht bin, nichts ungestraft und ungereinigt lasse, doch so barmherzig und nachsichtig bin, dass ich nichts über das hinaus verlange, was die Natur gut ertragen kann, und um des guten Willens wegen erlasse ich die größte Strafe, ja vergebe eine große Sünde für kleine Bußtat.
Die Brünne des Ritters ist Enthaltsamkeit, denn wie die Brünne aus vielen Ringen besteht, so besteht die Enthaltsamkeit aus vielen Tugenden, nämlich der Versicht darauf, böse dreinzuschauen (ond syn) und auf das Böse, das die anderen Sinne bieten können, der Verzicht auf Schwelgerei, Wollust, überflüssige Kleidung und vieles andere, was der hl. Benedikt gebietet, dass man es nicht tun soll.

Aber nun kann man sich diese Brünne nicht selber anlegen, sondern man braucht dazu die Hilfe eines anderen. Daher muss man meine Mutter, die Jungfrau Maria, anrufen und ehren, denn sie ist das Beispiel für alle Arten eines guten Lebensstils und das Muster aller Tugenden, und wenn sie beständig angerufen wird, wird sie die vollkommene Enthaltsamkeit für den Sinn des Menschen kundtun.
Der Helm ist die vollkommene Hoffnung. Er hat gleichsam zwei Bohrlöcher, durch die der Ritter schaut. Das erste ist der Gedanke an das, was getan werden soll, das zweite ist die Betrachtung dessen, was zu unterlassen ist. Jeder, der auf Gott hofft, sollte nämlich stets bedenken, was er zu Gottes Ehre tun, und was er unterlassen soll. Der Schild sollte die Geduld sein, womit er sich alles gefallen lassen soll, was ihm passiert.