93. Kapitel

Der Sohn spricht: „Drei Dinge gebiete ich dir. Erstens, dass du nicht begehrst, außer Kost und Kleidung. Zweitens, geistliche Dinge nicht ohne meinen Willen zu begehren. Drittens, über nichts anderes betrübt zu sein, außer über deine eigenen Sünden und die von anderen. Denn wenn du trauern willst, so solltest du die Strenge meines Gerichts betrachten: Die kannst du erwägen und fürchten im Gedanken an den Mann, der jetzt verurteilt ist.
Als er ins Kloster ging, hatte er drei Dinge im Sinn, nämlich dass er ohne Arbeit leben könnte und seinen Lebensunterhalt ohne Sorge hätte. Drittens dachte er so: „Wenn mich die Versuchung des Fleisches anficht, kann ich leicht eine Gelegenheit finden, ohne die Einmischung von jemanden fortzulaufen.“

Deshalb wurde er dreifach geplagt. Denn nachdem er ohne Arbeit sein wollte, wurde er mit Worten und Schlägen zur Arbeit gezwungen. Zweitens musste er Mangel an Essen und Kleidung leiden. Drittens wurde er von allen so verachtet, dass er sich nicht in seiner Geilheit amüsieren konnte. Aber als er dann die Gelübde ablegen sollte, dachte er so: „Nachdem ich auf der Welt nicht ohne Arbeit leben kann, ist es besser für mich, im Kloster zu sein und für Gott zu arbeiten.“

Weil er einen solchen Willen hatte, kam meine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu ihm, dass er, nachdem er gereinigt wurde, zur ewigen Ehre gelangen könnte. Denn nachdem er die Gelübde abgelegt hatte, wurde er gleich von einer schweren Krankheit ergriffen und bis zu dem Grad geplagt, dass die Augen voller Schmerz waren, die Ohren nichts mehr hörten, und alle Glieder ihre Kraft verloren – so ging das, weil er ohne Arbeit sein wollte.

Er litt auch an größerer Nacktheit als draußen in der Welt, und als er gutes Essen hatte, konnte er es nicht essen, und als der Körper das verlangte, hatte er das nicht. So wurde sein Leib vor dem Tode aufgezehrt, ja er wurde wie ein unnützer Stock.
Nach dem Tode kam er vor das Jüngste Gericht wie ein Dieb, nachdem er das Klosterleben nach seinem eigenen Willen hatte leben wollen, nicht um seinen Wandel zu verbessern. Doch sollte er nicht wie ein Dieb verurteilt werden, denn obwohl er kindisch und töricht im Verstand und im Gewissen war, hatte er doch an mich geglaubt und auf mich, seinen Gott, gehofft, und deshalb wurde er barmherzig beurteilt.

Da er seine Sünde nicht völlig durch die körperliche Pein abwaschen konnte, so wurde seine Seele im Fegefeuer weiter so schwer geplagt, als ob die Haut abgezogen würde und die Knochen in eine Presse gesetzt würden, damit das Mark herausgezogen würde. Was sollen da erst die leiden, die allen Erfolg haben, während sie sündigen, und kein Unglück leiden oder leiden wollen? Wehe ihnen! Sie sagen ja zu mir: „Warum ist Gott gestorben, und welchen Nutzen hat denn nur sein Tod?“

So vergelten sie mir, dass ich sie erlöst habe, dass ich sie bewahre und ihnen Gesundheit und alles Notwendige schenke. Und deshalb werde ich Rechenschaft von ihnen verlangen, denn sie haben den Glauben aufgegeben, den sie mir in der Taufe gelobt hatten. Und weil sie täglich sündigen und meine Gebote verschmähen, werde ich nicht das Geringste ungestraft lassen, wozu sie nach der Klosterregel verpflichtet waren, aber doch gebrochen haben.“

Erklärung
Dieser Bruder hatte eine verborgene Sünde, die er nie beichten wollte. Auf Christi Gebot hin ging die hl. Birgitta zu ihm uns sagte: „Sei genauer in deiner Buße, denn du hast etwas in deinem Herzen verborgen, und solange du es dort verbirgst, kannst du nicht sterben.“ Er antwortete ihr, dass er nichts habe, was er nicht in seiner Beichte offenbart habe. Da sagte sie: „Denk nach, mit welcher Absicht du ins Kloster gegangen bist und mit welcher Absicht du bis jetzt gelebt hast, und du wirst die Wahrheit in deinem Herzen finden.“

Da brach er in Tränen aus und sagte: „Gesegnet sei Gott, der dich zu mir gesandt hat! Nachdem du mit deiner Rede bis in die Heimlichkeiten meines Herzens eingedrungen bist, will ich denen, die darauf hören, die Wahrheit sagen. Ich habe nämlich etwas in meinem Herzen verborgen, was ich nie gewagt habe, es zu verraten, und es auch nicht konnte, denn so oft ich andere Sünden beichtete, war meine Zunge wie gefesselt, wenn es um diese Sünde ging, und eine gewaltige Scheu ergriff mich, so dass ich die verborgene Qual meines Herzens nicht bekennen konnte.

So oft ich meine Herzensbeichte ablegt, fand ich deshalb immer einen neuen Abschluss für meine Worte, indem ich sagte: „O Vater, ich bekenne vor Euch meine Schuld im Hinblick auf all das, worüber ich für Euch geredet habe und auch für das, worüber ich nicht gesprochen habe, und durch diesen Abschluss glaubte ich, dass all meine heimlichen Sünden vergeben würden. Aber jetzt, meine Frau, will ich, wenn es Gott gefällt, gern der ganzen Welt das offenbaren, was ich eine so lange Zeit in meinem Herzen verborgen habe.“ Unter Tränen bekannte er dem herbeigerufenen Beichtvater vollständig all diese Sünden, und in derselben Nacht starb er.