Sechste Offenbarung im Buch der Fragen

Der Sohn spricht zu Birgitta: „Es steht geschrieben, dass Jakob für Rachel diente, und dass die Tage ihm wenig erschienen, so verliebt wie er war; die Stärke der Liebe machte die Arbeit leichter. Sicher wurde Jakob, als er glaubte, das Ziel seiner Sehnsucht erreicht zu haben, betrogen, aber er hörte deshalb nicht auf, zu arbeiten, denn die Liebe fragt nicht nach Schwierigkeiten, sondern strebt weiter, bis sie ihr Ziel erreicht hat.

So ist es auch im geistlichen Leben. Viele mühen sich nämlich, um das Himmlische zu erhalten, tapfer mit Gebeten und frommen Werken, aber wenn sie glauben, die Ruhe der Kontemplation zu erreichen, werden sie in Versuchungen verstrickt und werden von Trübsalen heimgesucht, und sobald sie sich für vollkommen halten, entdecken sie, dass sie in allem unvollkommen sind.

Das ist nicht verwunderlich, denn Versuchungen sind dazu da, den Menschen zu prüfen, zu reinigen und zu vervollkommnen. Die, welche am Anfang ihrer Bekehrung zum geistlichen Leben Versuchungen ausgesetzt sind, die werden am Ende vollkommener gestärkt. Andere werden in der Mitte und am Ende versucht. Diese sollten genau auf sich selber achten, sich niemals eine Vermessenheit erlauben, sondern umso fleißiger arbeiten.

Laban sagte ja: „Es ist üblich, erst die ältere Schwester zu heiraten.“ Das war, als ob er sagen wollte: „Mach du erst die Arbeit, so sollst du dann den begehrten Lohn erhalten.“ Daher, meine Tochter, sollst du dich nicht wundern, wenn dir noch im Alter Versuchungen zusetzen. So lange man lebt, so lange ist es möglich, versucht zu werden. Der Teufel schläft niemals, und die Versuchung gibt dem Menschen Gelegenheit, sich zu vervollkommnen und hindert ihn daran, vermessen zu werden.

Sieh, um ein Beispiel zu geben, erzähle ich dir von zwei Menschen. Der eine wurde im Anfang seiner Bekehrung versucht, aber er widerstand, vervollkommnete sich und gewann dann, was er suchte. Der andere erfuhr in seinem Alter schwere Versuchungen, wie er sie kaum in seiner Jugend erlebt hatte, so dass er fast alles Vergangene vergaß. Aber weil er auf die Ratschläge hörte und nicht aufhörte zu arbeiten, obwohl er sich kalt und schwach fühlte, erreichte er das, wonach er sich sehnte, und die Sinnesruhe Er sah dadurch, dass er seinen eigenen Fall betrachtete, ein, dass Gottes Gerichte verborgen und gerecht sind, und dass er schwerlich die ewige Erlösung erreicht haben würde, wenn diese Versuchungen nicht gewesen wären.“