24. Kapitel

Maria sagte: „Gesegnet seist du, mein Sohn, der König der Ehren und der Engel! ich bitte dich noch einmal für den Räuber.“ Der Sohn erwiderte: „Gesegnet seist du, liebste Mutter! So wie die Milch in den Leib meiner Menschengestalt floss und alle meine Glieder gestärkt hat, so dringen deine Worte in mein Herz und erfreuen es, denn deine ganze Bitte geschieht mit Klugheit, und dein ganzer Wille zielt auf Barmherzigkeit. Deshalb will ich um deiner Liebe willen dem Räuber Mitleid zeigen.“

Die Mutter antwortete: „Schenke ihm dann, liebster Sohn, das, was mir am liebsten ist, nämlich deinen Leib und deine Gnade, denn dieser Räuber hungert und ist leer vom Guten. Schenk ihm Gnade, so dass ihm sein sündiger Hunger genommen werden kann, so dass er von seiner Krankheit genesen kann und sein Wille, der bisher in der Liebe zu dir träge war, zu guten Dingen entzündet wird!“

Der Sohn entgegnete: „Wie das Kind, dem man die Nahrung entzieht, bald körperlich stirbt, so kann dieser, der von Kindheit an vom Teufel genährt wurde, nicht wieder aufleben, sofern er nicht mit meiner Kost genährt wird. Wenn er deshalb begehrt, meinen Leib zu empfangen, wenn er durch seine süße Frucht erquickt werden möchte, so soll er mit diesen drei Tugenden zu mir hintreten, nämlich mit wahrer Reue über die begangenen Sünden, mit dem Willen, diese Sünden zu bessern und dem Willen, nicht mehr das Böse zu tun, sondern im Guten zu verbleiben.

Aber auf die Bitten derer, die für ihn beten, antworte ich dir, dass der Räuber das tun soll, was ich ihm nun sage, wenn er wirklich Erlösung sucht. Weil er sich erdreistet hat, sich dem König der Ehren zu widersetzen, soll er jetzt, um das Vergehen wieder gutzumachen, den Glauben meiner heiligen Kirche verteidigen und sein Leben bis zum Tode dafür einsetzen, ihn zu schützen, so dass er – wie er vorher mit all seinen Kräften für die Ehre der Welt und für einen irdischen Herrn gearbeitet hat, jetzt dafür arbeitet, dass mein Glaube verbreitet wird, und dass die Feinde der Kirche und des Glaubens überwältigt werden, und dass er mit seinem Wort und Beispiel alle, die er kann, zu zieht – wie er sie vorher, als er für die Welt arbeitete, sie von mir wegzog.

Ich versichere dir, dass – wenn er nicht mehr tut, als seinen Helm für meine Ehre umzubinden und den Schild nimmt mit der Absicht, für den heiligen Glauben zu streiten, so soll ihm das bereits als vollbrachte Tat angerechnet werden, wenn er auch in diesem Augenblick kalt ist. Und auch wenn ihm die Feinde nahen, soll ihm keiner schaden können. Deshalb soll er tüchtig arbeiten, denn er hat einen mächtigen Herrn, wenn er mich hat. Er soll mannhaft arbeiten, denn ein wertvoller Lohn soll ihm gegeben werden, nämlich das ewige Leben.

Aber weil er die Engel und Heiligen betrübt und die Leiber von den Seelen trennt, soll er jeden Tag während eines ganzen Jahres eine Messe für alle Heiligen lesen lassen, wo immer es ihm gut dünkt, und dem Priester, der die Messe liest, seinen Lohn geben, damit die gekränkten Heiligen und Engel durch dieses Opfer besänftigt werden und ihm ihre Augen zuwenden, denn sie werden durch dieses Opfer versöhnt, wenn mein Leib, der ein königliches Opfer ist, mit Liebe und Demut geopfert und verzehrt wird.
Dann soll er, weil er die Güter von anderen geraubt hat und Witwen und vaterlosen Kindern Unrecht getan hat, all das zurückerstatten, von dem er weiß, dass er es unrechtmäßig besitzt, indem er die, denen er Unrecht tat, demütig bittet, dass sie ihm barmherzig vergeben.

Und wenn es ihm nicht möglich ist, alles wieder gutzumachen, was er verbrochen hat, soll er in irgendeiner Kirche, wo es ihm am geeignetsten scheint, auf eigene Kosten einen Altar errichten lassen, wo man täglich bis ans Ende der Welt eine Messe für die feiern soll, denen er Schaden zugefügt hat. Und damit diese Einrichtung Bestand hat, soll er diesem Altar ein so hohes Einkommen geben, dass ein Kaplan, der ständig dort die Messe liest, davon leben kann.

Weil ihm die Demut fern war, soll er sich so weit wie möglich demütigen und mit denen, die er erzürnt hat, Frieden schließen und sich mit ihnen einigen, soweit das in geeigneter Weise geschehen kann. Und wenn er einmal hört, dass die Sünden und Vergehen, die er begangen hat, von manchen getadelt oder gelobt werden, so soll er sie nicht vermessen verteidigen und auch nicht fröhlich mit ihnen prahlen, sondern demütig denken und sagen: „Sicher, die Sünde hat mir sehr gefallen, die mir doch gar nichts genützt hat. Ich habe mich in meiner Vermessenheit vergangen – wenn ich gewollt hätte, hätte ich mich sehr gut in Acht nehmen können.

Brüder, betet deshalb zum Herrn, dass er mir nun den Geist schenken möge, mit dessen Hilfe so etwas widerstehen kann, und die Sünden, die ich begangen habe, mannhaft bessere!“ Aber weil er mich durch seine Geilheit auf vielfache Weise erzürnt hat, soll er seinen Leib mit vernünftiger Enthaltsamkeit zügeln.
Wenn er diese meine Worte hört und sie in die Tat umsetzt, soll er erlöst werden und das ewige Leben gewinnen. Wenn er das nicht tut, werde ich bis zum letzten Scherflein Rechenschaft für seine Sünden verlangen, und weil ich ihm dies habe sagen lassen, soll er eine bitterere Pein erhalten, als er sie sonst bekommen hätte.“