28. Kapitel

Man sah eine große Heerschar vor Gott stehen. Er sprach zu ihr und sagte: „Sieh, diese Seele ist nicht meine. Sie empfand kein größeres Mitleid mit der Wunde in meiner Seite und in meinem Herzen, als wenn der Schild ihres Gegners durchbohrt werden sollte. Die Wunden in meinen Händen achtete sie nicht mehr, als wenn ein dünnes Kleid zerrissen werden sollte, und die Wunden in meinen Füßen erschienen ihr so leicht, als ob sie einen weichen Apfel zerschnitten sehen würde.“

Dann sprach der Herr zu der Seele und sagte: „Du hast in deinem Leben oft gefragt, warum ich, Gott, leibhaftig gestorben bin. Nun frage ich aber dich, warum du elende Seele gestorben bist?“ Sie antwortete: Weil ich dich nicht geliebt habe.“ Und der Herr antwortete der Seele: „Du warst für mich wie ein totgeborenes Kind für seine Mutter. Sie leidet für ein solches Kind nicht weniger Schmerz als für das, das lebend aus ihrem Schoß hervorgeht.
Sieh, ich habe dich mit einem ebenso hohen Preis und mit ebenso bitterer Pein wie einen meiner Heiligen erlöst, obwohl du dich wenig darum gekümmert hast. Aber wie das totgeborene Kind keine Süße von den Brüsten seiner Mutter hat, keinen Trost von ihren Worten oder Wärme von ihrer Brust, so hast du niemals die unaussprechliche Süße meiner Auserwählten gespürt, denn dir hat deine eigene Süßigkeit gefallen.

Nun wirst du nie mehr meine Worte zu deiner Freude hören, denn dir haben nur die Worte deines Mundes und der Welt gefallen, und die Worte meines Mundes waren für dich bitter. Du wirst niemals meine Liebe und Güte spüren, denn du warst allem Guten gegenüber kalt wie Eis. Geh daher an den Platz, an den totgeborene Kinder geworfen werden; dort wirst du ewig in deinem Tode leben, nachdem du nicht in meinem Licht und meinem Leben wolltest.“

Dann sprach Gott zu der Heerschar: „O meine Freunde, wenn auch alle Sterne und Planeten in Zungen verwandelt würden, und wenn auch alle Heiligen mich darum bäten, würde ich doch dem keine Barmherzigkeit widerfahren lassen, der nach gebührender Gerechtigkeit verdammt werden muss. Diese Seele war wie drei Arten von Menschen. Erstens wie die, die mir folgten, als ich predigte, aber das aus Bosheit taten, nämlich um durch meine Worte und Taten eine Gelegenheit zu finden, um mich anzuklagen und zu verraten. Sie haben meine guten Werke und Vorzeichen gesehen, die niemand tun konnte außer Gott. Sie hörten meine Weisheit und fanden, dass mein Leben lebenswert sei, und doch haben sie mich beneidet und empfanden in ihrer Seele Zorn gegen mich. Warum? Ja, weil meine Taten gut und ihre böse waren, und weil ich nicht mit ihren Sünden einverstanden war, sondern sie scharf tadelte.

So ist mir diese Seele gewiss mit ihrem Leibe gefolgt, aber nicht aus göttlicher Liebe, sondern nur deshalb, dass die Menschen es sehen sollten. Sie hat von meinen Taten gehört und sie mit eigenen Augen gesehen, hat aber Zorn darüber empfunden; sie hat meine Gebote gehört und sie verspottet. Sie hat von meiner Güte gehört und ihr nicht geglaubt. Warum? Ja, weil meine Worte und die meiner Auserwählten gegen ihre Bosheit gerichtet waren, meine Gebote und Mahnungen gegen ihre Lust, meine Liebe und mein Gehorsam gegen ihren Willen.

Aber ihr Gewissen sagte ihr, dass ich über alle Dinge geehrt werden muss. Aus der Bewegung der Sterne, aus den Früchten der Erde und aus anderen Dingen verstand sie doch, dass ich der Schöpfer aller Dinge war. Und obwohl sie das wusste, war sie doch zornig über meine Worte, weil ich ihre schlechten Taten getadelt habe.

Zweitens war sie wie die, die mich getötet haben. Sie sagten zueinander: „Laßt uns ihn unerschrocken töten, denn er wird keinesfalls wieder auferstehen.“ Ich habe meinen Jüngern vorhergesagt, dass ich am dritten Tage auferstehen würde, aber meine Feinde, die die Welt lieb hatten, glaubten nicht, dass ich mit Gerechtigkeit auferstehen würde, denn sie sahen nur meine äußere Menschengestalt, aber meine verborgene Gottheit sahen sie nicht. Daher sündigten sie in ihrer frechen Vermessenheit und vergriffen sich an mir wie mit Recht, aber wenn sie gewusst hätten, dass ich Gott war, hätten sie mich niemals umgebracht.

So dachte auch diese Seele: „Ich will meine Lust befriedigen, wie es mich gelüstet“, dachte sie. „Ich werde ihn unerschrocken mit meinem Willen und mit den Taten töten, die mir passen – denn was sollte mir das schaden, und warum soll ich darauf verzichten? Er wird ja nicht zum Gericht aufstehen. Er richtet nicht nach den Taten der Menschen. Denn wenn er so streng urteilen würde, hätte er den Menschen nicht erlöst, und wenn die Sünde ihm so verhasst wäre, würde er die Sünder nicht so geduldig ertragen.“

Drittens war sie wie die, die mein Grab bewachten. Sie hatten sich bewaffnet und hielten am Grabe Wache, damit ich nicht auferstehen würde, indem sie sagten: „Laßt uns genau Wache halten, damit er nicht aufersteht, denn dann müssen wir ihm vielleicht noch dienen.“ So handelte diese Seele. Sie bewaffnete sich nämlich mit der Härte der Sünde, und sie bewachte genau mein Grab, d.h. den Umgang mit meinen Auserwählten, in dem ich lebe; sie achtete genau darauf, dass meine Worte und Ermahnungen sie nicht erreichten sollten, indem sie dachte: „Ich will mich vor ihnen in Acht nehmen, so dass ich ihre Worte gar nicht höre. Denn vielleicht werde ich dann von ein paar göttlichen Gedanken ergriffen, so dass ich meine gewohnte Lust aufgebe; vielleicht bekomme ich das zu hören, was meinem Willen nicht gefällt.“ Und so zog sie sich aus Bosheit von ihnen zurück, denen sie sich in Liebe hätte anschließen sollen.“

Erklärung
Dieser Mann war ein Adliger. Er kümmerte sich wenig um Gott, und bei Tische schmähte er Gottes Heilige. Er starb an einer (?nysattack) ohne Sakrament. Frau Birgitta sah seine Seele vor dem Richter stehen. Der Richter sagte zu der Seele: „Du hast gesprochen, wie du wolltest und hast getan, was du konntest. Daher geziemt es sich jetzt für dich, zu schweigen und zuzuhören.

Antworte mir also, so dass diese meine Braut es hört (ich selber weiß ja alles!). Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern seine Bekehrung?“ Warum bist du da nicht zu mir zurückgekehrt, als du es noch konntest?“ Die Seele erwiderte: „Ich habe es zwar gehört, habe mich aber nicht darum gekümmert.“
Der Richter sagte weiter: „Habe ich nicht gesagt: „Geht, ihr Verdammten, in das Feuer, und kommt her, ihr Gesegneten!“ Warum bist du da nicht zum Segen hingeeilt?“ Die Seele erwiderte: „Ich habe es wohl gehört, aber habe es nicht geglaubt.“

Wieder sagte der Richter: „Hast du nicht gehört, dass ich, Gott, gerecht und ein furchtbarer Richter bin, der für die Ewigkeit richtet? Warum hast du da nicht das kommende Gericht gefürchtet?“ Die Seele antwortete: „Ich habe es wohl gehört, aber ich habe mich selbst geliebt und mir die Ohren zugehalten, um das Urteil nicht zu hören; Ich habe mein Herz verhärtet, um nicht an so etwas denken zu müssen.“

Der Richter sagte: „Deshalb ist es nun gerecht, dass Trübsal und Scham deinen Verstand öffnen werden, nachdem du nicht verstehen wolltest, als du es noch konntest.“ So wurde die Seele vom Gericht weggeführt und jammerte und schrie: „Weh, weh! Welch schreckliche Strafe! Wann wird das Ende kommen?“ Gleich hörte man eine Stimme: „Ebenso wenig, wie der Anfang aller Dinge ein Ende hat, wirst auch du kein Ende haben.“