33. Kapitel

Der Vater spricht zum Sohn: „Du bist wie ein Bräutigam, der sich mit einer Braut verlobt hat, die schön an Aussehen und tugendhaft an Sitten war; er führte sie ins Brautgemach und liebte sie wie sich selbst. Das hast du getan, mein Sohn, Du hast dich mit einer neuen Braut verbunden, als du mit so großer Liebe zu den Seelen der Menschen branntest, dass du dich um ihretwillen verwunden und dich ans Kreuz heften ließest. Du hast sie in deine heilige Kirche geführt und sie mit deinem Blut geweiht, wie in ein Brautgemach.

Aber jetzt ist deine Braut in Wahrheit eine Dirne geworden; die Tür des Brautgemaches ist verschlossen, und statt der Braut hält sich dort die erbärmlichste Hure auf, die bei sich denkt: „Wenn mein Mann schläft und hier nackt liegt, will ich ein scharfes Schwert ziehen und ihn umbringen, denn er gefällt mir nicht.“
Was bedeutet die Braut, wenn nicht die Seelen, die du mit deinem Blut erlöst hast? Obwohl es viele sind, können sie doch auf Grund der Einheit im Glauben und der Liebe eins genannt werden, und viele von ihnen sind jetzt Ehebrecherinnen geworden, da sie die Welt mehr lieben als dich und die Liebe eines anderen begehren, aber deine nicht.

Die Tür des Brautgemachs, d.h. der Kirche, ist geschlossen. Was bedeutet die Tür, wenn nicht den guten Willen, durch die Gott in die Seele eingeht? Diese Tür ist verschlossen, denn nichts Gutes wird dort vollbracht – nur der Wille deines Widersachers wird ausgeführt, Denn alles, was dem Leib gefällt und ihm Vergnügen macht, das liebt man, das ehrt man, das wird als heilig und gut verkündet. Aber dein Wille – dass die Menschen dich eifrig lieben sollen, sich in kluger Weise nach dir sehnen und vernünftig alles für dich geben, ist völlig geschlossen und vergessen.
Es gibt vielleicht manche, die manchmal offen in dein Brautgemach gehen, aber sie tun das nicht mit der Absicht, deinen Willen zu tun und dich von ganzem Herzen zu lieben, sondern sie tun es aus Scham vor den Menschen, damit sie nicht gottlos aussehen, und damit es unter Menschen allgemein bekannt wird, wie sie innerlich vor Gott sind.

So ist die Tür zu deinem Brautgemach – traurig genug – verschlossen, und man findet mehr Vergnügen (?horkarlen) als an dir. Sie denken auch bei sich, dich umzubringen, wenn du nackt und im Schlaf versunken bist. Du kommst ihnen nackt vor, wenn sie deinen Leib in Gestalt des Brotes auf dem Altar sehen – den du aus dem reinsten Leib der Jungfrau angenommen hast, ohne jedoch deine Gottheit zu verlieren. Sie erkennen darin nicht die Macht deiner Göttlichkeit und sehen in dir nur ein kleines Brot.

Doch bist du in Wahrheit Gott und Mensch, aber die vom Dunkel der Welt verdunkelten Augen können dich nicht sehen. Du scheinst ihnen zu schlafen, wenn du sie ungestraft lässt, und daher gehen sie vermessen in dein Brautgemach, indem sie bei sich denken: „Ich will gehen und Christi Leib empfangen wie die anderen – nachher will ich aber tun, was mich gelüstet. Denn was schadet es mir, wenn ich ihn nicht empfange, und was nützt es mir, wenn ich ihn empfange?“

Sieh die Elenden – mit solchen Gedanken und mit einem solchen Willen töten sie dich in ihren Herzen, damit du sie nicht regieren sollst, obwohl du unsterblich und durch die Macht deiner Gottheit überall anwesend bist. Aber da es für dich nicht angebracht ist, mein Sohn, ohne eine Braut zu sein, und keine andere Braut als die allerkeuscheste zu haben, werde ich meine Freunde senden, die dir eine neue Braut zuführen, schön anzusehen, ehrbar in ihren Sitten, und dich in dein Brautgemach führen.

Diese meine Freunde werden schnell wie Vögel sein, denn mein Geist wird sie mit mir selbst so leiten. Sie werden auch stark wie die sein, durch deren Hände Mauern einstürzen, und sie werden mutig sein wie die, die den Tod nicht fürchten, sondern bereit sind, das Leben hinzugeben. Sie werden dir eine neue Braut zuführen, d.h. sie werden dir die Seelen meiner Auserwählten mit großer Ehre und Ritterlichkeit zuführen, mit großer Frömmigkeit und Liebe, mit mannhafter Arbeit und starker Ausdauer. Ich, der nun redet, bin der, der im Jordan und auf dem Berge rief: „Das ist mein geliebter Sohn! „Meine Worte werden bald in Erfüllung gehen.“