35. Kapitel

Gottes Sohn spricht zur Braut: „Du hast die Seele dieses verstorbenen Mönchs in Gestalt eines Sterns gesehen, und mit Recht, denn in seinem Leben war er klar und leuchtend wie ein Stern. Er liebte mich ja mehr als alle geschaffenen Dinge und lebte in der Befolgung dessen, was er sich vorgenommen hatte. Diese Seele wurde dir schon gezeigt, ehe er starb, in dem Zustand, in dem er sich befand, als er dir gezeigt wurde, und das war, als er an die Grenze seines Lebens kam und als die Krankheitszeichen, die seinen Tod ankündigten, schon vorhanden waren.

Als die Seele die Grenze zwischen Leben und Tod erreichte, kam sie ins Fegefeuer, und dieses Fegefeuer war ihr Leib, wo sie mit Schmerz und Krankheit gereinigt wurde. Daher wurde sie dir als ein Stern in einem offenen Gefäß gezeigt; sie brannte nämlich in der Liebe zu mir, und deshalb ist sie jetzt in mir und ich in ihr. Denn wie der Stern, wenn er in ein stärkeres und strahlenderes Feuer kommt, nicht mehr zu sehen ist, so ist sie jetzt in mir und ich in ihr eingeschlossen und wird sich in der unaussprechlichen Herrlichkeit erfreuen, die nie ein Ende haben wird.

Aber als sie in ihrem Fegefeuer war, da brannte dieser Stern in einer solchen Liebe zu mir und ich zu ihr, dass sie den gewaltigen körperlichen Schmerz als sehr leicht empfand. Ihre Freude begann im Leiden und wuchs auf zur ewigen Freude. Das sah der Teufel und meinte, er habe ein Recht auf sie, und wegen der Freude, die diese Seele zu mir hatte, hätte er gern auf alle anderen Seelen verzichtet, wenn er sie nur bekommen könnte.

Es wurde dir auch eine andere Seele gezeigt, die der Teufel mit neun Berechtigungen besitzt. Nachdem ich dir vorher ihr Gericht gezeigt habe, will ich dir jetzt ihre Strafe zeigen. Von Gott geschieht alles wie in einem Augenblick, aber körperlich kann es nicht offenbart oder gehört werden, sondern man muss ein Gleichnis anwenden.
Als diese Seele also an den Ort der Strafe kam, liefen ihr gleich sieben Teufel vor ihrem Oberhaupt entgegen und sagten: „Wir haben ein Recht auf diese Seele.“ Zuerst sagte der Teufel des Hochmuts: „Sie gehört mir, denn sie hielt niemanden für ihresgleichen, sondern wollte mehr als alle anderen sein, wie auch ich es will.“

Der zweite, der Teufel der Lust, sagte: „Sie konnte nie gefüllt und gesättigt werden, was ich auch nicht kann, und deshalb ist sie mein.“ Der dritte, der Teufel des Ungehorsams, sagte: „Sie war an Zucht und Gehorsam gebunden, aber sie war Gott in allem ungehorsam und gehorchte ihrem Fleisch; daher gehört sie mir.“
Der vierte, nämlich der Teufel der Schwelgerei sagte: „Dadurch, dass sie zu unpassenden Zeiten aß und trank, wie ich ihr geraten habe, ging sie dazu über, es zu übertreiben, und wollte keine Enthaltsamkeit üben – daher gehört sie mir.“

Der fünfte, nämlich der Teufel eitler Ehre, sagte: „Sie hat für eitle Ehre und für einen eitlen Namen gesungen, und als ihre Stimme etwas schwächer wurde und ermüdete, da habe ich sie erhöht, kam ihr froh zu Hilfe und stand ihr bei.“ Der sechste Teufel, der des Eigentums, sagte: „Sie hätte in der Welt arm sein sollen und nichts haben, aber stattdessen sammelte sie wie eine Ameise, was sie konnte, und hatte das, ohne ihren Vorgesetzten um Erlaubnis zu fragen, und deshalb gehört sie mir.“

Der siebente Teufel, nämlich die Verachtung des Klosterlebens, sagte: „Nach der Bestimmung der Klosterregel war sie verpflichtet, in allen ihren Handlungen die vorgeschriebenen Zeiten einzuhalten, aber stattdessen tat sie alles in ungeordneter Weise: Sie aß und trank, wenn sie wollte, sie schlief und wachte und redete, wann es ihr passte, und alles machte sie ohne die Zucht der Regel, und deshalb gehört sie mir.“

Da sagte das Oberhaupt der Teufel, indem er wie in einem Gleichnis sprach: „Weil du, Teufel des Hochmuts, sie inwendig und äußerlich besessen hast, sollst du in sie eingehen und sie so hart drücken, dass das Hirn aus den Augen quillt, und das Mark aus den Gelenken fließt, und alle Glieder sich lösen.
Zum zweiten, dem Geist der Lust, sagte er: „Du hast ihn nach deinem Willen besessen, und niemals ist er satt geworden. Geh deshalb mit einer Hitze in ihn ein, die schlimmer ist als Gift und glühender als geschmolzenes Blei, und brenne ihn jämmerlich: Wie der Wein, der zuoberst in einem Glasgefäß mit vielen Röhren aufbewahrt wird, in alle leeren Räume dringt und sie anfüllt, so soll deine giftige Glut, heiß wie schmelzendes Blei, in alle seine Glieder dringen und dann ohne Ende brennen.“

Zum dritten, d.h. dem Geist des Ungehorsams, sagte er: „Du hast ihn besessen und ihm zu all dem geraten, was gegen sein Klostergelübte verstieß, und er hat dir mehr als seinem Gott gehorcht. Geh deshalb wie das schärfste Schwert in ihn ein und bleibe ebenso untrennbar in ihm wie das Schwert, das ins Herz gestoßen ist und weder herauf noch heruntergedrückt werden kann, sondern unbeweglich festsitzt und unerträgliche Pein verursacht.“

Zum vierten, d.h. dem Geist der Schwelgerei, sagte er: „Er stimmte deinen Ermahnungen zur Unmäßigkeit zu. Zermalme ihn deshalb zwischen deinen Zähnen und zerreiße sein Herz, so dass jeder der eben genannten Geister, nämlich der des Hochmuts, der der Lust, der des Ungehorsams und der Schwelgerei, an seinem Herzen teilhaben und es quälen sollen, so dass es ständig weniger wird, aber nie verzehrt wird.“

Zum fünften, d.h. dem Geist der eitlen Ehre, sagte er: „Geh in ihn ein und laß ihn nie mit seinem Klagelied zur Ruhe kommen. Nie soll etwas anderes als Jammer von seinem Munde ausgehen. Alle Freude und Belustigung, die er auf der Welt suchte, soll für ihn in Weinen und ewiges Elend verwandelt werden.“

Zum sechsten, d.h. dem Geist des Eigentums, sagte er: „Geh in ihn ein, plage ihn mit Bitterkeit und laß ihn die Genüsse entbehren, die er suchte; an deren Stelle soll er unsagbare Schande, unbeschreibliche Verdammung und ewige Unehre haben.“ Zum siebten, d.h. dem Geist, der ihm eingab, seine Ordensregel zu verachten, sagte er: „Weil all seine Zeiten ungeordnet waren, wird nun eine Zeit für ihn kommen, die niemals enden wird, und in der soll er Kälte und Hitze ohne Ende leiden.“

Da zeigten sich im selben Augenblick vor dem Fürst der Teufel zwei Geister, die sagten: „Auch wir haben Anteil an dieser Seele. „Der erste sagte: „Er war Priester und lebte doch nicht als Priester; daher habe ich Anteil an seiner Seele.“ Der zweite Teufel sagte: „Er hatte ein Fundament (? grundval) in seinem Kopf, wo die Krone der Ehre gestanden haben sollte; diese Krone besaß er nicht, und deshalb gehört seine Seele mir.“ Der Vorgesetzte antwortete: „Anstelle des ehrwürdigen Priesternamens soll er einen anderen Namen bekommen und Satan genannt werden, und nachdem er es verschmäht hat, die Ehrenkrone zu besitzen, soll die Schmach der Verdammnis und ewige Verdammung an die Stelle der Krone treten.“

Dann sagte der Herr zur Braut: „Sieh, meine Braut, was für verschiedene Vergeltungen! Diese beiden Seelen haben sich zu demselben Lebensstil bekannt, aber in der Vergeltung wurden sie ganz verschieden. Weißt du, warum ich dir dies zeige? Ja, deshalb, damit die Guten gestärkt werden, und die Bösen, wenn sie ihr Gerichtsurteil kennen, mit ihrem schlechten Leben aufhören.

Wahrlich ich sage dir, die Menschen mit diesem klösterlichen Wandel haben sich in hohem Grade von mir abgewandt. Du kannst dies besser durch ein Gleichnis verstehen. Ich bin wie ein Landwirt, der Arbeiter anstellte und ihnen Spaten gab, um in der Erde zu graben, Schaufeln, um Erde aus den Gräben zu schaffen und Körbe, um die Erde darin wegzutragen. Schließlich verachteten diese Arbeiter den Befehl des Landwirts, brachten ihm die Geräte zurück und sagten: „Der Spaten ist nicht scharf genug, und die Erde allzu trocken; wir können darin nicht arbeiten. Die Schaufel ist zu dünn und kann die Erde nicht halten. Der Korb ist zu schwer, und deshalb sehr mühsam für uns zu tragen.“

So handeln diese Männer mit ihrem reinen Lebenswandel gegen mich. Dass ich den Arbeitern einen Spaten gab, das bedeutet, dass ich diesen Menschen die Vollmacht gab, meine Worte zu verkünden, und die Macht, die irdischen Herzen mit der Furcht vor mir zu bewegen. Aber nun werfen sie diesen Spaten weg und greifen einen neuen, denn sie verwenden meine Worte und Einrichtungen zur Erleichterung für den Körper, um den Menschen zu gefallen, und um ihre Reichtümer zu vermehren.

Sie meinen, die Herzen der Menschen seien nun hart, und dass die Worte des Herrn nicht scharf genug sind, um Frömmigkeit zu erwecken, und daher bieten sie das an, was den Menschen angenehm ist. Sie verbergen meine Gerechtigkeit, sie unterlassen es, die Sünde anzuprangern, und deshalb verharren ihre Zuhörer zuversichtlich in der Sünde und tun mir schlaffe Buße für ihre Sünden. Dass ich ihnen eine Schaufel gab, mit der sie die Erde aus dem Graben werfen können, das bedeutet, dass sie Demut und Armut lieben sollen. Aber diese Schaufel ist ihnen jetzt zu dünn, denn sie sagen: „Wenn wir gar nichts haben sollen, wovon sollen wir dann leben? Wenn wir uns so tief erniedrigen, wer will uns dann noch nehmen?“ So werden sie von ihrem falschen Vertrauen betrogen und übertreffen andere ebenso sehr an Hochmut, wie sie demütiger als andere sein sollten.

Ich gab ihnen sozusagen einen Korb, um die Erde wegzutragen, d.h. ich wollte, dass sie darauf verzichten sollten, was angenehm für den Körper ist. Aber den haben sie mir vor die Füße geworfen, indem sie sagten: „Wenn wir in einer solchen Mühe leben, wie unsere Väter darin gelebt haben, da gehen wir unter, und wenn wir eine so strenge Enthaltsamkeit üben, dann werden wir von allen verachtet.“ So wird all das Gute, was zum Klosterleben gehört, schwer für sie, und stattdessen tun sie das, was ihnen gefällt.“

Aber was soll ich nun machen, wenn meine Geräte verachtet werden und man sich weigert, für mich zu arbeiten? Ja, ich werde ihnen sagen: „Lebt nach eurem Willen und besorgt eure eigene Arbeit, dann werdet ihr eure Früchte ernten, d.h. die Ehre der Welt anstatt der ewigen Ehre gewinnen, den Reichtum und die Freundschaft der Welt anstatt der ewigen, und die Wollust der Welt statt der Lieblichkeit, die nie ein Ende nimmt. Ich schwöre in meiner Wahrheit, dass nicht ein einziges von ihren Häusern aufrecht stehen bleibt, wenn ich mit ihnen keine Vertrag wegen zwei guter Dinge haben würde. Das erste ist die Fürbitte meiner Mutter, die ebenso wie ihr Schutzpatron ununterbrochen für sie betet. Das zweite ist meine Gerechtigkeit, denn obwohl ich ihrer Bosheit wegen nicht verpflichtet bin, ihnen irgendwelche Barmherzigkeit zu zeigen, so habe ich doch einen Vertrag mit ihnen auf Grund der Opfergaben, die mir gefallen.

Die sind nämlich wie Geräte, wodurch andere Nutzen haben. Durch ihre Verkündigung und ihren Gesang werden zuweilen manche zur Frömmigkeit erweckt und erhalten die Eingebung, ein besseres Leben zu führen, aber sich selber werfen sie hinunter in die Tiefe, denn sie dienen wie Knechte und nicht für den ewigen Lohn. Sie sind in Wahrheit Knechte, und es gibt nur wenige, die anders sind – ja so wenige, dass man kaum einen unter hundert finden kann.“

Erklärung
Es zeigte sich eine Seele, die ein Skapulier trug, und die seltsam entstellt in allen Gliedern war. Christus sagte: „Es gab ein Volk, das hörte, dass die Kinder Israel überall Siege errangen, und fürchteten, ihnen untertan zu werden. Sie schickten also ihre Sendboten zu ihnen; diese hatten alte Schuhe an den Füßen und altes Brot in den Ranzen, und sie sagten lügnerisch, dass sie aus sehr weit entlegenen Gebieten kämen. Daher gerieten sie, als die Wahrheit zutage kam, in ständige Knechtschaft.

In ähnlicher Weise tun viele Männer mit reinem Lebenswandel so, dass zu sein, was sie gar nicht sind; sie dienen der Welt im Klostergewand und werden deshalb vom ewigen Erbe ausgeschlossen. Zu diesen Menschen gehört der, dessen Seele der Teufel mit neunfachem Recht besitzt. Der erste Grund dafür, dass der Teufel seine Seele hat, ist der, dass er sich in seinem Hochmut für mehr als andere hält und sich stellt, als sei er ein Befürworter der Tugenden, während er tatsächlich voller Laster steckt. Der zweite Grund ist, dass er alles haben möchte, was er sieht, und sich nicht mit dem Notwendigen begnügt.

Der dritte Grund ist, dass er dann gehorcht, wenn es um Dinge geht, die ihm gefallen während er – wenn es um Sachen geht, die ihm nicht gefallen, entweder unwillig gehorcht oder nach einer Gelegenheit sucht, daran herum zu kommen. Der vierte ist, dass er Vergnügen an Unmäßigkeit findet, und ein Kamerad von denen ist, von denen es heißt, dass der Bauch ihr Gott ist.

Der fünfte Grunde ist, dass er Ruhm von Menschen sucht, aber nicht von Gott. Daher predigt er tiefsinnige Dinge, singt laut und tut ungewöhnliche Dinge. Der sechste ist, dass er mit seinem Überfluss und seiner ungewöhnlichen Tracht prahlt, wo seine Tracht von der wahren Armut geprägt sein müsste.

Der siebente ist, dass er sich an keine Zeiten hält, sondern sich von den Trieben seines Fleisches treiben lässt. Der achte ist, dass er ungescheut und frech an meinen Altar tritt, um meinen Leib zu weihen und andere Loszusprechen – er, der selbst den Bann und Zurechtweisung verdient.

Der neunte Grund ist, dass er auf seinem Kopf das Ehrenzeichen trägt und einen Bund mit meinem Widersacher eingeht. Deshalb werde ich, wenn er sich nicht bessert, ihn meine Gerechtigkeit spüren lassen.“
Die Braut erwidert: „O mein Herr, er liest doch Messen und hält Predigten, und seine Predigt gefällt auch vielen – das kann doch wohl nur von deinem Geist herrühren?“ Gott sagte: „Ja, das ist aus meinem Geist. Aber wenn er ohne Liebe oder die rechte Absicht predigt, die ein wahrer Prediger haben soll, und sich nicht nach der Wirkung seiner Predigt richtet, dann herrscht ein schlechter Geist in ihm, denn er drischt leeres Stroh, saugt am Schwanz der Schlange und sucht vergängliche Blüten.

Da sagte die Braut: „O Herr, ich verstehe nicht, was du sagst. Geruhe deshalb, o Herr, mir zu erklären, was das bedeutet.“ Der Herr antwortete: „Er drischt leeres Stroh, wenn ihm das ewige Brot nicht schmeckt, und wenn die göttliche Weisheit nicht in sein Herz dringt, die sagt: „Kommt zu mir, ihr Demütigen, und ich werde euch erquicken.“ Er saugt am Schwanz der Schlange, wenn er keinen Gefallen am Trank der göttlichen Einsicht findet, sondern an der Klugheit des Teufels, der sagt: „Esst, so werden euere Augen aufgetan.“ Er sucht vergängliche Blüten, wenn er die Frucht der ewigen Süßigkeit nicht achtet, sondern ständig Worte der Welt und des Fleisches im Munde führt.“