36. Kapitel

Ich (Christus), der mit dir spricht, ist derselbe, der an diesem Tag meinen Geist zu meinen Aposteln sandte. Er kam auf dreifache Weise zu ihnen. Erstens wie ein Strom, zweitens wie ein Feuer, drittens im Zungenreden. Er kam zu ihnen durch verschlossene Türen, als sie allein waren und drei gute Dinge besaßen. Erstens hatten sie den festen Willen, die Keuschheit einzuhalten und in jeder Hinsicht enthaltsam zu leben.

Zweitens besaßen sie die tiefste Demut. Drittens war ihr ganzes Begehren auf Gott gerichtet – sie begehrten nichts anderes, als Gott. Sie waren wie drei reine und leere Gefäße; deshalb kam der Heilige Geist und erfüllte sie. Er kam wie ein Strom, denn er erfüllte alle ihre Glieder mit göttlicher Fröhlichkeit und göttlichem Trost. Er kam wie ein Feuer, denn die Glut der göttlichen Liebe entflammte ihre Herzen so, dass sie nichts anderes mehr liebten, als Gott, nichts anderes mehr fürchteten, als Gott.

Er kam in der Form des Zungenredens, denn so wie die Zunge im Munde ist und ihm doch nicht schadet, sondern ihm eher hilft zu sprechen, so war der Heilige Geist in ihren Seelen und ließ sie nichts anderes begehren, als mich, und versetzte sie auch in die Lage, mit göttlicher Weisheit zu reden. Durch seine Kraft sprachen sie alle Wahrheit wie mit einer Zunge.

Weil dies Gefäße wegen ihrer göttlichen Sehnsucht leer waren, war es angebracht, dass der Heilige Geist zu ihnen kam. Er kann nämlich nicht zu denen eingehen, die schon gefüllt sind. Und welche sind gefüllt, wenn nicht die, welche voll von aller Sünde und Unreinheit sind? Die sind wie drei hässliche Gefäße. Das erste ist voll wie von stinkendem Menschenkot, den keiner seines hässlichen Gestanks wegen riechen kann. Das zweite ist voll von dem hässlichsten Mannessamen, den keiner wegen seiner Bitterkeit schmecken kann. Das dritte ist voll wie von verfaultem Blut, was keiner wegen seiner Scheußlichkeit ansehen mag.

So sind die Bösen von weltlichem Ehrgeiz und weltlicher Gewinnsucht, die in meinen Augen und in denen meiner Heiligen schlimmer stinken, als Menschenkot. Was ist alles Zeitliche anders als Dreck? Die Elenden haben Spaß an diesem Dreck, der so vergänglich ist. In dem zweiten Gefäß steckt viel Unzucht und Zügellosigkeit in allen Werken. Das schmeckt mir ebenso bitter wie Samenkörner. Ich kann solche nämlich nicht ertragen und noch weniger durch meine Gnade in sie eingehen.

Denn wie sollte ich, die wahre Reinheit, in so unreine Menschen eingehen? Wie sollte ich, das wahre Liebesfeuer, sie entflammen können, die vom Feuer einer so bösen Hure entzündet werden? Das dritte ist ihr Hochmut und ihre Frechheit. Die ist wie verfaultes Blut und Eiter. Das ist der, der veranlasst, dass der Mensch innerlich und äußerlich im Guten verwest, der die ihm von Gott geschenkte Gnade wegnimmt und den Mensch Gottes und des Nächsten überdrüssig werden lässt. Wer in dieser Weise erfüllt ist, kann nicht von der Gnade des Heiligen Geistes erfüllt werden.

Ich bin wie ein Mann, der Wein hat, den er verkaufen will. Wenn er ihn anbietet, lässt er erst seine Freunde und Diener probieren. Dann schickt er einige von ihnen als Herolde aus, um zu rufen: „Wir haben den Wein probiert, und der ist gut. Alle, die wollen, mögen kommen und trinken!“

Ja, ich habe den edelsten Wein, nämlich die Süßigkeit, die unaussprechlich ist, und den gab ich einigen meiner Diener, als sie meine Worte hörten, die aus meinem Munde gingen. Unter diesen Ausrufern, die den Wein probierten, war der, der heute zu mir kam. Er hatte sozusagen drei Gefäße zum Aufbewahren, die gefüllt werden sollten. Denn als er kam, hatte er den Willen, sich von allen nichtigen Dingen fernzuhalten, den Willen zu aller Demut und die Sehnsucht nach all dem, was mir wohlgefällig ist.

Deshalb habe ich heute sein Gefäß gefüllt. Erstens so, dass ihm die Weisheit aller geistlichen Dinge klarer verständlich und leichter zu erfassen ist, als vorher. Zweitens erfüllte ich ihn mit meiner Liebe, durch die er eifriger als früher zu allem Guten werden soll. Drittens gab ich ihm eine klügere Furcht, so dass er nichts anderes fürchten soll als mich und das, was mir wohlgefällig ist. Deshalb soll er, damit er auch für andere die Süße meines Weins verkünden kann, meine Worte hören, die ich gesprochen habe und die aufgeschrieben sind, so dass er, nachdem er von meiner Liebe und Gerechtigkeit gehört hat, desto eifriger im Ausrufen werden soll, je öfter er die Süße des Weines schmeckt.“

Erklärung
Dieser Bruder folgte Frau Birgitta nach Santiago. In einer Ekstase sah er Frau Birgitta wie mit sieben Kronen gekrönt, und er sah die Sonne ganz verdunkelt. Als er sich darüber wunderte, hörte er eine Stimme, die laut und deutlich sagte: „Diese verfinsterte Sonne bezeichnet den Fürsten eures Landes, der wie die Sonne schien, aber vom Hohn und er Schmähung der Menschen tief verachtet werden wird.

Und die Frau, die du siehst, wird Gottes siebenfache Gnade empfangen, und sie wird durch die sieben Kronen dargestellt, die du siehst. Und das soll für dich das Zeichen sein, dass du von dieser Krankheit genesen wirst, dass du zu den Deinen zurückkehrst und zu einem höheren Dienstgrad erhöht wirst.“ Er kehrte auch zurück, wurde Abt und schritt fort von Tugend zu Tugend.