43. Kapitel

Gottes Sohn spricht zur Braut: „Sag mir, warum du dich beunruhigst? Wenn ich auch alles weiß, will ich es doch aus deinem Munde hören, damit du wissen sollst, was ich dir antworte.“
Die Braut erwiderte: „Zwei Dinge fürchte ich, und zwei Dinge machen mich unruhig. Erstens, dass ich sehr ungeduldig bin, wenn es gilt, zu gehorchen, und weniger willig und froh, wenn es gilt, zu leiden und etwas zu ertragen. Zweitens, dass deine Freunde Leiden treffen, und dass deine Feinde sie beherrschen.“

Der Herr gab zur Antwort: „Ich bin in dem, dem du Gehorsam schuldig bist, und deshalb soll jede Stunde, die du mit deinem Willen bereit bist, ihm zu gehorchen, obwohl das Fleisch manchmal dem widerstrebt, dir als Lohn und zur Reinigung von deinen Sünden angerechnet werden.
Was das zweite betrifft, nämlich dass du über das Unglück meiner Freunde beunruhigt bist, will ich dir mit einem Gleichnis antworten. Wenn es zwei sind, die miteinander kämpfen, und der eine von ihnen seine Waffen wegwirft, während der andere sich ständig mit seinen Waffen rüstet, wird da nicht der leichter besiegt, der seine Waffen fortwirft, als der, der täglich seine Waffen anlegt?

So ist es auch jetzt, denn meine Feinde werfen täglich die Waffen. Es sind in erster Linie drei Arten von Waffen, die zum Kampf notwendig sind. Das erste ist das, was den Mann fortbringt oder trägt, z.B. ein Pferd. Das zweite ist das, womit der Mann sich verteidigt, z.B. ein Schwert. Das dritte ist das, was den Körper schützt, z.B. ein Panzer. Aber meine Feinde haben zuerst das Pferd des Gehorsams verloren, mit dem sie zu allem Guten gelenkt werden sollten. Es geschieht nämlich durch Gehorsam, dass der Mensch Freundschaft mit Gott hält und den Glauben bewahrt, den er dem Herrn versprochen hat.

Sie haben sogar das Schwert der Gottesfurcht weggeworfen, womit der Leib von der Wollust zurückgehalten wird und der Teufel von der Seele vertrieben wird, so dass er nicht an sie herankommen kann. Sie haben auch den Panzer verloren, der sie gegen Speerwürfe schützen sollte – d.h. die göttliche Liebe, die Freude im Unglück schenkt, im Glück verteidigt, in Versuchungen Frieden schenkt, und Linderung in Schmerzen. Ihr Helm, nämlich die göttliche Weisheit, liegt im Schmutz, und auch ihre Halsbewaffnung, d.h. der göttliche Gedanke, ist heruntergefallen. Denn wie der Kopf durch den Hals bewegt wird, so müsste der Sinn durch den göttlichen Gedanken auf all das hingelenkt werden, was von Gott stammt. Aber jetzt ist der göttliche Gedanke heruntergefallen und vergessen, und deshalb liegt der Kopf im Sand und wird von den Winden hin und her getrieben.

Auch ihre Brustwehr ist sehr schwach, - d.h. ihre Sehnsucht nach Gott ist so schwach geworden, dass sie kaum noch zu sehen und noch weniger zu spüren ist. Ebenso ist die Fußbewaffnung vergessen und versäumt, d.h. ihre Reue und der Vorsatz, sich zu bessern. Sie freuen sich nämlich in ihren Sünden und möchten sie beibehalten, solange sie können. Die Bewaffnung der Arme, d.h. die guten Werke, sind ihnen so verhasst und scheinen ihnen nichtig, denn sie tun dreist nur, was sie wollen und schämen sich dabei nicht.

Meine Freunde bewaffnen sich dagegen täglich mit meinen Waffen. Sie reiten wie gute Diener auf dem Pferde des Gehorsams, sie geben ihren eigenen Willen auf, um auf den Befehl ihres Herrn zu hören, sie gehen wie gute Ritter in der Furcht des Herrn gegen die Laster an. Alles, was ihnen widerfährt, ertragen sie in Liebe wie gute Krieger, indem sie auf die Hilfe ihres Herrn warten. Sie wehren sich mit göttlicher Weisheit und Geduld gegen Lästerer und Verleumder. Wie gute Klostermenschen trennen sie sich von der Welt. Sie sind schnell und eifrig dabei, das Göttliche zu suchen; sie sehnen sich nach Gott, wie die Braut nach den Armen ihres Geliebten. Sie sind flink und stark wie Hirsche, an den Genüssen der Welt vorbei zu laufen, sind gewissenhaft wie Ameisen in ihren Arbeiten und wachsam wie Wächter.

Sieh, so sind meine Freunde, und so bewaffnen sie sich täglich mit den Waffen der Tugenden, die die Feinde verachten, weshalb sie auch so leicht besiegt werden. Der geistige Kampf, der in Geduld und göttlicher Liebe besteht, ist also sehr viel edler als der körperliche, und der Teufel sehr viel mehr verhasst. Der Teufel arbeitet nämlich nicht darauf hin, das körperliche wegzunehmen, sondern daran, die Tugenden zu verderben und die Geduld und Festigkeit der Tugenden zu vernichten. Daher sollst du dich nicht beunruhigen, wenn meine Freunde manches Unglück trifft, denn dadurch wird ihr Lohn größer werden.“