51. Kapitel

Der Mann, den du kennst, hat drei Feinde. Der erste ist bei ihm, wo immer er sich auch befindet, ob er schläft oder wacht, aber er sieht ihn nicht. Mit dem anderen ist er vertraut; dieser ist bei ihm, wenn er wach ist, aber er hört ihn nicht. Mit dem dritten ist er nicht vertraut und kennt ihn nicht, aber der hasst ihn.

Der erste Feind ist der Teufel, der ihn mit Hochmut und Gewinnsucht und auf viele andere Weise versucht. Deshalb soll er eine Geißel gegen diesen Feind besitzen, indem er denkt: „O Teufel, du hast mir nichts Gutes gegeben und mich nicht geschaffen; warum soll ich hochmütig sein, wie du es willst? Du suchst mich zu verführen, aber Christus ruft mich zum Leben; daher ist es richtig, vor deinem Willen zu fliehen und Gottes Willen und Gebot zu folgen.“ Wer mit einer solchen Absicht wacht oder schläft, der schwingt eine Geißel gegen den Teufel, vor der dieser erschreckt die Flucht ergreift.

Der zweite Feind sind seine vertrauten Freunde und seine Diener, die zu ihm sagen: „Du gerätst ins Verderben, wenn du allzu gerecht bist. Du müsstest manchmal tun, was dir selber nützt und bei verschiedenen Sachen die Augen zudrücken. Wenn du allzu demütig bist, kommt es dahin, dass du verachtet wirst. Hab daher Reichtümer und mach uns alle mit dir reich. Trachte nach weltlicher Ehre, so werden wir mit dir Freude haben.“

Dieser Feind lässt täglich von sich hören, und deshalb sollte eine dicke Mauer gegen ihn errichtet werden, so dass man ihn nicht hört. Diese Mauer ist der gute Wille, nämlich lieber um der Gerechtigkeit willen arm zu sein, als Reichtümer zu Unrecht zu besitzen, lieber sich um der Demut willen zu schämen, als Ehre für die Hoffart zu genießen. Er soll dem Feind, der ihm so rät, erwidern: „Wenn ich etwas gegen Gott tue, so sollst du, darum bitte ich dich, warnen und ermahnen, denn dann freue ich mich mehr über deine Worte, als dass ich darüber betrübt bin.“ Ja, eine solche Mauer soll zwischen ihm und seinen Feinden bestehen, dass ihre Worte wie ein Wind sind, der über die Mauer hinbläst, aber nicht sein Herz erreicht, so dass es nicht von Gottes Liebe abgewendet werden kann.“

Der dritte Feind ist der, den er gar nicht kennt. Das sind die Leute, die ihm Schande, Schaden und ein kurzes Leben wünschen, damit sie selber weltliche Ehre und weltlichen Wohlstand gewinnen. Deshalb sollte er gegen diesen Feind ein starkes Seil haben, nämlich die Liebe zu Gott und dem Nächsten, so dass er das willig leiden möchte, von dem Gott will, dass er es leidet, und niemandem schaden will. Dann wird die Schmach, die seine Feinde ihm bereiten wollen, in Ehre verwandelt werden, der Schaden in Nutzen, und das Kurze Leben in ein langes Leben verwandelt werden. Dadurch wird der Feind gebunden, so dass er nicht mehr im Stande ist, Schaden zu stiften.“