71. Kapitel

Gottes Sohn spricht: „Dieser gute Beichtvater soll alle lossprechen, die reuevoll zu ihm kommen, - bis jemand kommt, von dem ich sage, dass er nicht losgesprochen werden soll. Aber er soll sich vor den offenbaren Gerichten der Kirche in Acht nehmen.“

Erklärung
Dieser Mann ist wahrscheinlich Magister Petrus gewesen, der Beichtvater der hl. Birgitta. Er schreibt nämlich von der römischen Kurie in seinem Brief an Herrn Nikolaus seligen Angedenkens, den damaligen Bischof von Linköping in Schweden, über sich selbst wie über einen anderen: „Es war ein Priester aus fernem Land, dem der Stellvertreter des Papstes den Auftrag gab, allen Pilgern, die seine Sprache sprachen, mit dem Sakrament der Beichte zu Dienst zu stehen, und ihm die Vollmacht gab, sie in allen Fällen Loszusprechen, wo es ihm möglich war.

Deshalb strömten viele mit vielen schweren Fällen zu ihm, und er gab ihnen die Absolution. Unter anderem kam ein sehr reicher und alter Mann, der sagte, er habe sich mit vier Paar Schwestern versündigt, die aber alle nicht von demselben Vater und derselben Mutter stammten, denn jedes Paar war von den anderen durch seinen Vater und seine Mutter getrennt. Dann fügte er hinzu, dass er mit zweihundert Frauen gesündigt hatte, und dass ihn nie deswegen eine Schande betroffen habe: Er wurde weder von einem geistlichen noch weltlichen Gericht angeklagt.

Als der Priester dies hörte, bekam er einen Abscheu vor ihm und hielt sich solange von ihm fern, wie er konnte, aber der Sünder, von göttlichem Feuer entzündet, durfte doch nicht verzweifeln. Er verlor durch die abweisende Haltung des Priesters nicht den Mut, ging zu Frau Birgitta und beklagte sich darüber, dass dieser Priester ihm keine Absolution gewähren wollte. Sie warf sich daher im Gebet nieder und betete für den genannten Priester und den elenden Sünder.

In diesem Augenblick hörte sie die Stimme des Vaters, der vom Himmel sagte: „Sag dem Priester, dass er in meinem Namen allen Landsleuten gewissenhaft dienen soll, die zu ihm kommen, und ihnen Buße auferlegt – nach der Gnade, die ihm verliehen ist, und nach dem Gebot der rechten Vernunft, und im Maß der Kräfte des Büßers. Und er soll sicher Absolution gewähren, bis ein solcher Sünder kommt, vor dem ich ihn warnen lasse und sage, dass er ihn nicht lossprechen soll. Er soll sich aber die öffentlichen Strafgerichte der Kirche und allgemein bekannte Verbrechen vorbehalten, die müssen öffentlich von Prälaten der Kirche abgeurteilt werden.“