75. Kapitel

Als Magister Mattias in Schweden, der den Prolog zu diesem Buch verfasst hat, einmal predigte, schrie ein Knappe wie wahnsinnig und sagte: „Wenn meine Seele nicht in den Himmel kommt, mag sie wie ein wildes Tier gehen und Erde und Baumrinde fressen, denn bis zum Gerichtstag ist es lang, und keine Seele bekommt Gottes Ehre vor diesem Gericht zu sehen!“

Die Braut (Birgitta), die zugegen war und dies hörte, weinte und sagte: „O Herr, König der Ehren, ich weiß, dass du barmherzig und sehr geduldig bist. Alle die, die die Wahrheit verschweigen und die Gerechtigkeit verbergen, werden auf der Welt gepriesen, aber die, die deinen Eifer haben und ihn auch zeigen, werden geschmäht. Deshalb, o Herr, schenk diesem Magister Standhaftigkeit und Eifer, zu reden!“

Da sah die Braut in ihrer Verzückung den Himmel offen und die brennende Hölle, und sie hörte eine Stimme, die ihr sagte: „Betrachte den Himmel, betrachte die Sterne, in welche Herrlichkeit sie gekleidet sind! Sag also zu diesem deinem Magister: „Dies sagt niemand anders als dein Gott, dein Schöpfer und dein Erlöser. Predige getrost! Predige standhaft! Predige gelegen und Ungelegen! Predige, auf dass die seligen und gereinigten Seelen Gottes Angesicht schauen dürfen! Predige eifrig, denn du wirst den gleichen Lohn wie der Sohn erhalten, der die Stimme seines Vaters hört! Falls du unsicher bist, wer ich bin, der redet, so wisse, dass ich der bin, der deine Versuchungen von dir fern hielt.“

Nachdem sie dies gehört hatte, sah sie wieder die Hölle. Erschrocken über deren Schrecken, hörte sie eine Stimme sagen: „Fürchte nicht die Geister, die du siehst. Ihre Hände, d.h. ihre Macht und Stärke, sind gebunden, und ohne meine Zulassung können sie nicht mehr, als das Stroh vor deinen Füßen. Wie denken da die Menschen in ihrer Vermessenheit, dass ich keine Strafe für sie verlange, ich, der sogar die Teufel meinem Willen unterwerfe?

Die Braut erwiderte: „O Herr, zürne nicht, wenn ich sage: Willst du, der so barmherzig ist, den ewig peinigen, der doch nicht ewig sündigen kann? Die Menschen glauben nicht, dass dies mit deiner Gottheit zu vereinen ist, denn du stellst doch die Barmherzigkeit über das Gericht, und die Menschen strafen die, die ihnen Unrecht getan haben, auch nicht in Ewigkeit.“

Der Geist entgegnete: „Ich bin selbst die Wahrheit und Gerechtigkeit: ich vergelte einem jeden nach seinen Taten, ich schaue in die Herzen und den Willen, und so hoch, wie der Himmel über der Erde ist, so weit sind meine Wege und meine Gerechtigkeit vom Rat und Verstand der Sterblichen entfernt. Wenn der Mensch seine Bosheit nicht bessert, solange er lebt und es kann, ist es da verwunderlich, dass er gestraft wird, wo er nichts mehr kann? Und wie sollten die Menschen in meiner allerreinsten Ewigkeit wohnen, die immer in Ewigkeit leben und ständig sündigen wollen? Daher wird der Mensch, der seine Sünde bessert, solange er es kann, bei mir in Ewigkeit wohnen, denn ich kann alles ewiglich und lebe in Ewigkeit.“

Erklärung
Dieser Knappe war verheiratet. Er hielt öffentlich eine Mätresse in seinem Haus. Nach der Ermahnung, die er bekam, stand er in seiner Herzensangst vom Tisch auf und brachte die Mätresse vor den Augen vieler um. Er starb vier Tage danach in der Verhärtung des Herzens und ohne Sakrament und wurde in der Kirche eines Mönchsklosters begraben. In mehreren Nächten hörten viele Brüder diese Stimme aus dem Grabe: „Weh, weh! Ich brenne, ich brenne!“
Das wurde seiner Frau erzählt, und in ihrem Beisein wurde das Grab geöffnet, wo sein Leib bestattet war. Aber man fand dort nur weniges vom Leichentuch und den Schuhen. Man deckte dann das Grab wieder zu, und die Stimme wurde dann nicht mehr gehört.