98. Kapitel

Gottes Sohn spricht: „Diese Äbtissin gehört zu den fetten Kühen. Sie geht im Schlamm und bespritzt die Umstehenden mit ihrem schmutzigen Schwanz. So bespritzt sie durch ihr schlechtes Beispiel auch die Schwestern. Ihre faltenreichen Kleider legen Zeugnis dafür ab, dass sie nicht die Tochter meines heiligen Benedikt und keine demütige Braut ist, denn sie hat ihr Treueversprechen vergessen. Ihre Regel gebietet ihr nämlich, eine Tracht zu haben, die gröber und dürftiger ist, und sie hat eine weichere, schönere und gefälligere Tracht.

Die Regel schreibt nämlich vor, dass man nur das Notwendige und mit Maßen und mit Furcht essen und nichts Eigenes haben soll, aber sie hat ihr Eigenes, isst sich fett wie die Kuh des Teufels und folgt ihrem eigenen Willen. Die Regel sagt auch, dass alles in Händen der Äbtissin sein soll, aber sie achtet nicht auf die Absicht meines heiligen Benedikt, der alles in die Hände des Abtes legte, damit der Abt klug und ein Beispiel an Tugend und insbesondere ein Befolger der Regel sei.

Sie nimmt nämlich den Namen und die Worte der Macht für sich in Anspruch, um ein loses Leben führen zu können, und denkt nicht daran, dass sie für die Seelen aller ihrer Schwestern vor mir Rechenschaft ablegen soll. Deshalb sollst du wissen, dass – wenn sie ihre Sitten und die ihrer Schwestern nicht bessert, wird sie mit den fetten Kühen in die Hölle gehen, und die Raben der Hölle werden sie verletzen, da sie mit den Demütigen und Enthaltsamen nicht zum Himmel aufsteigen wollte.“

Erklärung
Als die Äbtissin tot war, zeigte sie sich der hl. Birgitta in weißlichem Gewand, aber wie mit einem Eisennetz bedeckt. Ihre Zunge schien wie von Feuer, und ihre Hände und Füße von Blei zu sein. Ihre Augen waren voller Tränen, und sie sagte: „Du wunderst dich, warum ich so missgestaltet aussehe. Wisse, dass dies Gottes Gerechtigkeit und Vergeltung ist. Dass ich weiß aussehe, das bedeutet, dass ich zwar die Jungfernschaft des Fleisches hatte, aber das Eisennetz bedeutet, dass ich die Klosterregel und die Tugend der Geduld nicht beachtet habe. Denn so wie viele Würmer in einem Netz vereinigt sind, so muss ich zur Strafe für die vielen guten Werke, die ich unterlassen habe, nun vieles aushalten, weil ich keine guten Werke getan habe, als ich Zeit hatte.

Es ist gerecht, dass meine Zunge aussieht, als wäre sie aus Feuer, denn sie löste sich zu vielen eitlen und leichtfertigen Dingen – gegen mein Klostergelübde. Meine Hände und Füße sehen aus wie von Blei, und mit Recht, denn meine Taten, die mit den Händen bezeichnet werden, und die glänzend wie Gold hätten sein müssen, die waren weich und löslich wie Blei, und meine Füße, mit denen ich mit gutem Beispiel und reinem Wandel zu meinen Schwestern hätte gehen sollen, die glitten auf dem schlüpfrigen Weg des Weltlichen aus, aber waren träge zu allem geistlichen Guten.

Meine Augen schienen dir voller Tränen, und mit Recht, denn ich verschonte sie vom Weinen, wenn ich konnte, und hätte alle Versäumnisse meines Lebens abwaschen sollen. Doch bin ich auf Grund dessen, was in Gottes Kirche geschieht und auf Grund der Gebete der Heiligen und des Blutes Christi im Stande der Barmherzigkeit und in Erwartung der guten Hoffnung (auf Erlösung).