Diese Offenbarung wurde Birgitta in Neapel auf Wunsch von Herrn Bernhard, Erzbischof von Neapel, mitgeteilt.
12. Kapitel

Christus spricht zur Braut und sagt: „Sag ihm, wenn er nach der Gerechtigkeit des göttlichen Gerichts Bischof genannt werden will, so darf er nicht die Sitten und Gewohnheit vieler nachahmen, die jetzt Lenker der Kirche sind. Ich habe von einer Jungfrau Menschengestalt angenommen, damit ich mit Worten und Taten das Gesetz erfülle, das von Ewigkeit von Gott bestimmt war; ich habe die Pforte des Himmels mit meinem Herzblut geöffnet und durch Wort und Tat den Weg erhellt, so dass alle mein Beispiel nutzen können, um das ewige Leben zu verdienen.

Aber ach, die Worte, die ich sagte, und die Werke, die ich auf Erden getan habe, die sind jetzt fast ganz vergessen, und niemand hat soviel dazu beigetragen, wie die Vorsteher der Kirche, die voller Hochmut, Gewinnsucht und voll Verderbtheit körperlicher Lust sind, was alles gegen meine Gebote und die ehrwürdigen Verordnungen der heiligen Kirche verstößt, die meine Freunde in ihrer großen Frömmigkeit nach meiner Himmelfahrt gestiftet haben, als ich meinen Willen auf Erden vollendete.

Diese bösen Kirchenfürsten haben, erfüllt von der Bosheit des bösen Geistes, den Menschen nämlich Beispiele gegeben, die sehr schädlich für die Seele sind, und deshalb kommt es mir zu, volle Gerechtigkeit von ihnen zu fordern, über sie Gericht zu halten, sie aus dem Lebensbuch im Himmel auszustreichen und sie zu meinem Feinde Luzifer in die Hölle zu versetzen, damit sie in dem Räumen der Hölle ewig gepeinigt werden.

Doch sollst du wissen, dass ich – wenn sie sich vor ihrem Tode bessern wollen, mich von ganzem Herzen lieben und sich von Sünden enthalten, bereit sein werde, ihnen Barmherzigkeit zu erweisen. Sag ihm also in deinem Namen diese Worte, die hier folgen: „Mein Herr, es geschieht zuweilen, dass aus einem schwarzen Ofen eine schöne Flamme ausschlägt, die nützlich und höchst notwendig ist, wenn es gilt, schöne Arbeiten anzufertigen.

Doch darf man deshalb den Ofen nicht wegen seiner schwarzen Farbe rühmen, sondern soll dem, der der Meister und Künstler für diese Werke ist, Lob, Ehre und Dank erweisen. Ebenso ist es mit mir Unwürdigem, wenn ihr etwas Nützliches in meinen Ratschlägen findet, denn dann müsst ihr nicht mir unendlich Dank und willigen Dienst darbringen, sondern Gott selbst, der alles macht und tut und den vollkommenen Willen hat, Gutes zu tun.

Mein Herr, ich beginne zuerst, darüber zu sprechen, was die Erlösung vieler Seelen betrifft. Ich rate euch also, dass ihr – wenn ihr Gottes Freundschaft haben wollt – weder selbst noch durch einen anderen Bischof manche (Priester) zu den heiligen Weihen zulasst, wenn sie nicht vorher durch gute Kleriker genau geprüft sind und nach ihrem Wandel und ihren Sitten für so geeignet befunden sind, dass man von ihnen auf das Zeugnis weiser und wahrheitsliebender Männer hin sagen kann, dass sie einer solchen Arbeit würdig sind.

Gebt auch genau darauf Acht, dass alle Bischöfe (? lyd biskoper) in eurem Erzbistum gleichermaßen verfahren, denn niemand kann sich vorstellen, wie groß Gottes Zorn gegen solche Bischöfe ist, die nicht danach fragen und genau untersuchen, wie die beschaffen sind, die sie zu so hohen Weihen in ihren Bistümern befördern. Ob sie das auf Grund von Bitten anderer Menschen oder ihrer eigenen Nachlässigkeit tun, aus Leichtsinn oder Furcht – sie müssen vor Gottes Richterstuhl die strengste Rechenschaft darüber ablegen.

Ich rate euch auch, zu untersuchen, welche Priester in eurem Stift mit Seelsorge zu tun haben, und sie mindestens einmal im Jahre in eurer Nähe zu versammeln, um mit ihnen das zu besprechen, was die Erlösung ihrer eigenen Seelen und die ihrer Gemeindeglieder betrifft. Und wenn sich vielleicht nicht alle an demselben Tag versammeln können, so sollen bestimmte Zeiten festgelegt werden, wann sie jedes Jahr jeder für sich zu euch kommen und mit euch beraten, so dass sich keiner von ihnen damit entschuldigen kann, dass er im ganzen Jahre nicht die Zeit gehabt hat, zu kommen und sich mit euch zu beraten. Ihr sollt ihnen dann klarmachen, welches Leben die führen müssen, die ein so hohes Amt bekleiden.

Wisst auch, dass die Priester, die Mätressen haben und doch die Messe zelebrieren, Gott ebenso gefallen, wie die Einwohner von Sodom, die von Gott in die Hölle versenkt wurden. Und obwohl die Messe an und für sich immer dieselbe ist und eine ebenso große Wirkungskraft hat, so gefällt doch der Friedenskuss, den solche liederlichen Priester in der Messe erteilen, Gott ebenso wenig wie der Kuss, mit dem Judas den Erlöser aller Menschen verriet. Versucht also immer so weit wie möglich darauf hinzuwirken, dass sie sich bemühen, ein keusches Leben zu führen, besonders da sie das allerheiligste Sakrament austeilen und es mit ihren Händen anderen Christgläubigen geben.

Weiter sollt ihr alle höheren Priester, d.h. Prälaten und Domherren und auch niedrigere Priester, die eurer Jurisdiktion unterstellt sind und kirchliche Einkünfte beziehen, ermahnen dass sie sich ganz und gar bessern. Und niemand soll glauben, dass es ihm, wenn er sich nur von Sodom fernhält, erlaubt wäre, irgendeine Art von Unzucht zu betreiben. Es darf ihnen aus diesem Grunde nicht erlaubt sein, sich mit Frauen zu vermischen, denn jeder Christ, der Verstand hat und sich nicht um das ewige Leben kümmert, solange er auf Erden lebt, wird nach dem Tode ohne Zweifel die schlimmsten Höllenqualen in Ewigkeit ertragen.

Ich rate euch auch, dass euer Dienstpersonal nicht allzu zahlreich sein soll, so dass es nach Hoffahrt aussieht, sondern der Notwendigkeit und den Erfordernissen eurer Stellung entspricht. Die Kleriker, die eure Begleiter genannt werden, sollt ihr, wo immer ihr seid, eher für euer gutes Ansehen als für eitle Ehre und Prunk halten; sie sollen übrigens eher wenige, als viele sein. Aber solche Kleriker, die ihr nur deshalb haltet, damit sie die Stundengebete singen, Studien treiben und andere ermahnen oder schriftliche Arbeiten verrichten, die sollt ihr haben, soviel es euch beliebt; ihr sollt aber eine möglichst genaue Aufsicht über ihre gebührende Zucht und Ermahnung und das Wohlergehen ihrer Seele führen.

Gebt auch Acht auf eure anderen Diener, dass ein jeder von ihnen sein Beschäftigung hat, und wenn manche von ihnen überflüssig sein sollten, sollt ihr sie nicht für umsonst behalten, so dass euer Herz nicht hochmütig wird, weil ihr mehr Diener habt, als eure Amtsbrüder. Die wirklich notwendigen Diener, die ihr bei euch habt, sollt ihr stets im Auge haben; ihren Lebenswandel müsst ihr wie ein guter Hausvater genau prüfen, ihre Tätigkeit, ihren Wandel und ihre Sitten korrigieren, sie väterlich mit guten Lehren hegen und pflegen und sie ermahnen, so dass sie lernen, Sünden und Laster zu fliehen und zu versuchen, Gott über alles zu lieben. Es gefällt nämlich Gott mehr und ist nützlich für euch selbst, dass ihr keinen Diener bei euch habt, der sich nicht von klugen Ratschlägen belehren lassen will oder seine Verfehlungen demütig bessern will.

Was eure Kleider betrifft, so rate ich, dass ihr nie mehr als drei Garnituren gleichzeitig habt; was darüber ist, sollt ihr gleich Gott schenken. Von Schlafanzügen, Handtüchern und Tischtüchern sollt ihr nur so viel behalten, was notwendig und nützlich für euch ist; gebt das Übrige Gott! Von Silbertellern und silbernen Krügen sollt ihr auf eigene Rechnung so viel behalten, was für eure eigene Person und für die Gäste gebraucht wird, die an eurem Tische essen; was überflüssig ist, sollt ihr frohen Sinnes Gott schenken, denn eure Diener und die Gäste, die an anderen Tischen als an eurem sitzen, können aus Zinn-, Ton-, Holz- oder Glasgefäßen trinken, ohne dass es ihnen peinlich ist. Denn die Sitte, die jetzt in Bischofs- oder Herrenhäusern herrscht, nämlich eine Vielzahl von Gold- und Silbersachen zu haben, ist Gott im höchsten Grad zuwider, der sich um euretwillen völliger Armut unterwarf, und ist sehr verderblich für eure Seelen.

Hütet euch ferner vor allzu vielen und feinen Gerichten bei Tisch. Habt auch nicht allzu große und teure Pferde, sondern solche, die mäßig an Größe und im Preise sind. Denn die großen Pferde werden von denen gebraucht, die sich den Gefahren des Krieges aussetzen, um das Recht zu verteidigen und das Leben zu schützen – nicht aus Hochmut. Ich sage euch: So oft Prälaten aus Hochmut, Eitelkeit und Ehrgeiz große Pferde besteigen, besteigt der Teufel auch ihr Herz.

Denn ich kenne eine Person, die sah, wenn Prälaten und Kardinäle aus Hoffahrt ihre Füße, um auf den Rücken ihrer großen Pferde zu reiten, wie Teufel in Gestalt von Negern auch die Füße haben, den Prälaten an den Hals führen und hohnlachend dasaßen, und so oft die Prälaten in Hoffahrt ihre Pferde anspornten, hoben die Neger voll Freude ihre Köpfe und setzten diesen Reitern die Sporen auf die Brust.

Weiter rate ich, dass ihr eure Priester im Vikariat unter Eid versprechen lassen sollt, dass sie sich nicht im Namen eures Amtes erdreisten sollen, etwas gegen die Gerechtigkeit zu tun. Wenn sie dann doch dagegen handeln, sollt ihr sie nach Gerechtigkeit züchtigen lassen. Wenn ihr so handelt, wie ich jetzt gesagt habe, könnt ihr euch darauf verlassen, dass euer Gewissen rein ist.

Weiter gebe ich einen Rat zum Trost für die Seelen eurer Verstorbenen, über die ihr mich befragt habt, wieweit sie im Fegefeuer sind oder nicht, und welche Liebeswerke ihr für sie tun müsst. Ich antworte und sage, dass ihr jeden Tag zwei Arme beköstigen und jede Woche einen Florin für arme Leute gebt. Sagt auch zu den Priestern im Kreise (socken), dass sie ihre Bewohner ermahnen und sie wegen der offenbaren Sünden zurechtweisen, die unter ihre Jurisdiktion fallen, so dass sie ein besseres Leben führen können. Die, die sich nicht zurechtweisen lassen wollen, sollen von euch bestraft werden.

Wenn ihr einige kennt, die offen gegen Gott und die Gerechtigkeit sündigen, und wenn diese so mächtige und gewaltige Herren sind, dass ihr nicht in der Lage seid, das Recht bei ihnen durchzusetzen, sollt ihr mit leichten und milden Worten zu ihnen sprechen, dass sie sich bessern. Wenn sie nicht gehorchen wollen, sollt ihr sie Gottes Gericht überlassen, und Gott wird sehen, dass euer Wille gut ist.

Man darf ein sanftmütiges Lamm nicht in den raubgierigen Rachen des Wolfes werfen, denn dadurch wird der Wolf nur noch wilder, doch sollt ihr sie liebevoll vor der Gefahr ihrer Seele warnen, wie es ein Vater mit seinen Kindern tut, wenn sie gegen ihn handeln. Ihr sollt es auch nicht unterlassen, aus körperlicher Furcht zu strafen, sofern dadurch keine Gefahr für die Seelen entstehen kann.