25. Kapitel

Gottes Mutter spricht: „Dieselbe Demut findet sich jetzt bei meinem Sohn, in der Macht seiner Gottheit, wie damals, als er in der Krippe zwischen zwei Tieren ruhte. Obwohl er alles in seiner Gottheit vorher wusste, sprach er dennoch nichts nach Menschenart. So hört er auch jetzt, da er zur Rechten des Vaters sitzt, alle, die mit Liebe zu ihm sprechen, und er antwortet durch Eingebungen des Heiligen Geistes, indem er je nach Belieben zu manchen in Worten und Gedanken und zu anderen wie von Mund zu Mund spricht.

Ebenso bin ich, seine Mutter, jetzt demütig in meinem Leibe, der über alles Geschaffene erhöht ist, wie ich es war, als ich mit Joseph verlobt war. Doch sollst du wissen und davon überzeugt sein, dass Joseph, ehe er sich mit mir verlobte, durch den Heiligen Geist verstand, dass ich Gott Jungfräulichkeit gelobt hatte, und dass ich unbefleckt in Gedanken, Wort und Tat war.

Er verlobte sich mit mir in der Absicht, dass er mir dienen und mich als Herrin und nicht als Ehefrau haben würde. Und ich war durch den Heiligen Geist gewiss, dass meine Jungfräulichkeit ewig unbeschadet bleiben würde, obwohl ich durch Gottes wundervolle Verordnung mit einem Mann verlobt war. Aber nachdem ich den Gesandten Gottes mein Einverständnis gegeben hatte, und Joseph meinen Mutterleib durch die Kraft des Heiligen Geistes wachsen sah, bekam er einen großen Schrecken: Er glaubte sicher nichts Schlechtes von mir, aber er erinnerte sich, dass die Propheten verkündet hatten, dass Gottes Sohn von einer Jungfrau geboren würde, und er hielt sich für würdig, einer solchen Mutter zu dienen.

Aber der Engel befahl ihm im Traum, sich nicht zu fürchten, sondern mir mit Liebe zu dienen. Von Reichtümern behielten ich und Joseph nichts für uns selbst, außer dem, was zum Lebensunterhalt und zu Gottes Ehre diente, das übrige gaben wir aus göttlicher Liebe fort.

Als die Stunde der Geburt meines Sohnes gekommen war (die ich vorher sehr genau wusste) nahm ich – wie Gott es vorausgesehen hatte – nach Bethlehem für meinen Sohn das reinste Gewand und Windeln mit, die keiner vorher benutzt hatte. Darin wickelte ich ihn, der von mir in aller Reinheit geboren wurde, zum ersten Mal ein, und wenn ich auch von Ewigkeit her ausersehen war, auf dem höchsten Thron und in höchster Ehre über allen geschaffenen Wesen und über allen Menschen zu sitzen, so verschmähte ich es doch nicht – demütig wie ich war – alles zuzurichten und anzuschaffen, was für Joseph und mich selbst notwendig war.

Mein Sohn war Joseph und mir untertan. Und wie ich auf Erden demütig war, nur Gott und Joseph bekannt, so bin ich auch jetzt demütig, da ich auf dem höchsten Thron sitze, alle vernünftigen Bitten vor Gott zu bringen. Aber manchen antworte ich durch göttliche Eingebungen, zu anderen rede ich auf eine mehr geheime Weise, je nachdem es Gott gefällt.“