Ein Bischof, der der Vorgesetzte der hl. Römischen Kirche in der Provinz Ancona war, begehrte von Frau Birgitta Fürbitte und Rat. Als Frau Birgitta auf sein Begehren für den Bischof betete, offenbarte sich ihr Christus und sagte ihr die unten aufgezeichneten Worte.
29. Kapitel

Gott sei in Ewigkeit für all sein Gutes gesegnet! Amen. – Mein Herr und ehrwürdiger Vater, ich befehle mich euch demütig an. Ihr habt demütig an mich geschrieben, dass ich, eine euch unbekannte Frau, in Demut zu Gott für euch beten soll. Hierauf antworte ich euch nach ehrlicher Gewissensprüfung, dass ich, der ich leider eine unwürdige Sünderin bin, dafür nicht ausreiche. Ihr habt mir auch geschrieben, dass ich euch ein paar geistliche Ratschläge zum Wohle eurer Seele geben sollte.

Daher wollte Gott, der Acht auf euren Glauben und eure Demut gab, auch nach seiner holden väterlichen Sitte euer Begehren und eure Treue belohnen, indem er sich nicht mit meinen Sünden abgab, sondern nur mit der Gesinnung des demütig Bittenden. Denn als ich Sünderin – unwürdig, so etwas zu tun – gestern zu meinem Herrn Jesus Christus für euch betete, da offenbarte er sich nur im Geist, sprach zu mir im Gleichnis und sagte: „Du, die du die Gnade empfangen hast, geistliche Dinge zu hören und zu sehen, gib Acht!

Du sollst wissen und gewiss sein, dass alle Bischöfe und Äbte sowie die übrigen Kirchenfürsten und Präbendepriester mit der Verpflichtung zur Seelsorge, die ihre Kirchen, und die ihnen anvertrauten Schafe (meine Schafe) verlassen und andere Ämter und Machtbefugnisse übernehmen und behalten, um in ihrer neuen Stellung von den Menschen mehr geehrt und auf höhere Posten in der Welt befördert zu werden, die sind – auch wenn sie nicht stehlen oder etwas rauben oder ein anderes Unrecht in diesen ihren neuen Ämtern begehen – für mich wie Schweine, in ein bischöfliches oder priesterliches Gewand gekleidet, da sie mit diesen Ämtern und Ehrenstellungen prahlen und ihre Freude daran finden, und deshalb meine Schafe und ihre Gemeinden verlassen haben.

Es war (um dieses Gleichnis auszuführen) ein hoher Herr, der seine Freunde zu einem Festmahl einlud. Zur stunde der Mahlzeit kamen Schweine, in dieser Weise gekleidet, in den Palast zu diesem Herrn und denen, die mit ihm zu Tisch saßen. Er wollte ihnen auch von dem köstlichen Essen auf seinem Tisch geben, aber da grunzten alle Schweine laut und weigerten sich, die feinen Gerichte zu fressen, während sie gierig die einfachen Treber fressen wollten, die sie gewohnt waren.

Als der hohe Herr das sah und merkte, ekelte er sich an ihrem schoflichen Benehmen und ihrer Unsauberkeit und sagte gleich mit großem Zorn und Entrüstung zu seinen Dienern: „Jagt sie aus meinem Palast hinaus, so dass sie sich mit den Trebern gütlich tun, denn es sind schmutzige Schweine. Sie wollen weder, noch sind es wert, von dem Essen zu fressen, was ich für meine Freunde habe anrichten lassen.“

Daraus, mein verehrter Vater und Herr, habe ich im Geist verstanden, dass ihr euer Gewissen um Rat fragen müsst, wieweit die Schafe Christi, die euch anvertraut sind, d.h. die Einwohner in eurem Bischofsstift, in eurer Abwesenheit geistlich gut regiert werden oder nicht. Und wenn sie in eurer Abwesenheit – geistlich gesehen – zum Nutzen und zum Wohl ihrer Seelen so gut regiert werden, wie es angemessen ist, und ihr außerdem seht, dass ihr draußen in der Provinz Ancona größere Ehre für Gott und größeren Nutzen für die Seelen als in eurem Stift bewirken könnt, dann sage ich, dass ihr getrost nach Gottes Willen auf eurem Posten als Steuermann von Ancona bleiben könnt, - wenn es nur kein Ehrgeiz oder leere Prahlerei bei diesem Amte ist, die euch veranlasst, dort zu bleiben.

Aber wenn euer Gewissen euch das Gegenteil sagt, dann rate ich, dass ihr das Amt in Ancona aufgebt und zurückkehrt, um persönlich in eurer Kirche und in dem euch anvertrauten Bistum zu residieren, eure oder richtiger gesagt, Christi Schafe zu lenken, die euch besonders anvertraut sind, und sie durch euer Beispiel und euer Tun auf die Weide zu führen – nicht nachlässig und mangelhaft, wie ein schlechter Tagelöhner, sondern gewissenhaft und verdienstvoll, wie ein wahrer und guter Hirte.

Verzeiht mir, Herr, dass ich – die eine ungebildete Frau und eine unwürdige Sünderin bin – euch so etwas schreibe! Ich bitte ihn, unseren wahren und guten Hirten, der geruhte, für seine Schafe zu sterben, dass er euch die Gnade des Heiligen Geistes verleihe, seine Schafe würdig zu lenken und stets seinen ehrenreichen, hochheiligen Willen bis hin zum Tode zu tun.“